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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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Während dieses traurigen Aufenhaltes war Madame Bouquey ihre Trösterin, sie brachte ihnen Kleidung und Nahrung, die sie selbst im Geheimen verfertigte. Sie verschaffte ihnen Bücher und Papier und verzierte manchmal ihre dunkle Wohnung mit Blumen.

Um die langen Stunden ihrer Einsamkeit zu verkürzen, schrieben Petion und Buzot ihr politisches Testament, um, wie sie sagten, "ihren Mitbürgern und der Nachwelt vor Beendigung ihrer Tage die Erklärung ihrer Empfindungen und Beweggründe ihres Handelns zu hinterlassen."

Auch Barbaroux hatte seine Memoiren geschrieben. Sie hatten ihre letzten Schriftstücke Madame Bouquey anvertraut: "Seien Sie," sagten sie, "die Verwahrerin unserer wertvollsten Urkunden, die Wächterin unserer Ehre!" Sie verschaffte ihnen Pässe, um in die Schweiz zu flüchten, aber sie wollten Frankreich nicht verlassen, sie hofften ihre Freiheit bald durch das Ende der Sehreckenszeit wieder zu erlangen. Barbaroux sagte: "Meine Seele ist die eines freien Mannes, seit vier Jahren hat sie sich mit Hass gegen die Tyrannie erfüllt. Ich werde Frankreich von dieser Geissel befreien oder sterben." Das letztere Los ward ihm beschieden, ebenso Guadet und Salle, die sich beim Vater Guadet's, dem Bürgermeister von Saint-Emilion, eine Zeitlang verborgen aufgehalten hatten. Beide waren auf einem Dachboden versteckt, in dem sie nicht aufrecht stehen konnten. In zusammengekauerter Stellung, im Finstern, ohne Heizung im Winter, ohne frische Luft im Sommer, mussten sie acht lange Monate, vom November 1793 bis Juni 1794, verbringen. Guadet hörte oft die Stimmen seiner Kinder, die im Hof unter den Linden spielten, aber er durfte sich ihnen nicht zeigen, aus Angst, dass ihr Geplauder ihn verraten könnte!

Allabendlich liess man ihnen Nahrung und Schreibrequisiten heimlich zukommen. In diesem dunklen Loch, wo nur durch die Spalten der Dachziegelreihen etwas Licht einfiel, war es, wo Salle seine Tragödie "Charlotte Corday"

Während dieses traurigen Aufenhaltes war Madame Bouquey ihre Trösterin, sie brachte ihnen Kleidung und Nahrung, die sie selbst im Geheimen verfertigte. Sie verschaffte ihnen Bücher und Papier und verzierte manchmal ihre dunkle Wohnung mit Blumen.

Um die langen Stunden ihrer Einsamkeit zu verkürzen, schrieben Pétion und Buzot ihr politisches Testament, um, wie sie sagten, „ihren Mitbürgern und der Nachwelt vor Beendigung ihrer Tage die Erklärung ihrer Empfindungen und Beweggründe ihres Handelns zu hinterlassen.“

Auch Barbaroux hatte seine Memoiren geschrieben. Sie hatten ihre letzten Schriftstücke Madame Bouquey anvertraut: „Seien Sie,“ sagten sie, „die Verwahrerin unserer wertvollsten Urkunden, die Wächterin unserer Ehre!“ Sie verschaffte ihnen Pässe, um in die Schweiz zu flüchten, aber sie wollten Frankreich nicht verlassen, sie hofften ihre Freiheit bald durch das Ende der Sehreckenszeit wieder zu erlangen. Barbaroux sagte: „Meine Seele ist die eines freien Mannes, seit vier Jahren hat sie sich mit Hass gegen die Tyrannie erfüllt. Ich werde Frankreich von dieser Geissel befreien oder sterben.“ Das letztere Los ward ihm beschieden, ebenso Guadet und Salle, die sich beim Vater Guadet’s, dem Bürgermeister von Saint-Emilion, eine Zeitlang verborgen aufgehalten hatten. Beide waren auf einem Dachboden versteckt, in dem sie nicht aufrecht stehen konnten. In zusammengekauerter Stellung, im Finstern, ohne Heizung im Winter, ohne frische Luft im Sommer, mussten sie acht lange Monate, vom November 1793 bis Juni 1794, verbringen. Guadet hörte oft die Stimmen seiner Kinder, die im Hof unter den Linden spielten, aber er durfte sich ihnen nicht zeigen, aus Angst, dass ihr Geplauder ihn verraten könnte!

Allabendlich liess man ihnen Nahrung und Schreibrequisiten heimlich zukommen. In diesem dunklen Loch, wo nur durch die Spalten der Dachziegelreihen etwas Licht einfiel, war es, wo Salle seine Tragödie „Charlotte Corday“

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[209/0231] Während dieses traurigen Aufenhaltes war Madame Bouquey ihre Trösterin, sie brachte ihnen Kleidung und Nahrung, die sie selbst im Geheimen verfertigte. Sie verschaffte ihnen Bücher und Papier und verzierte manchmal ihre dunkle Wohnung mit Blumen. Um die langen Stunden ihrer Einsamkeit zu verkürzen, schrieben Pétion und Buzot ihr politisches Testament, um, wie sie sagten, „ihren Mitbürgern und der Nachwelt vor Beendigung ihrer Tage die Erklärung ihrer Empfindungen und Beweggründe ihres Handelns zu hinterlassen.“ Auch Barbaroux hatte seine Memoiren geschrieben. Sie hatten ihre letzten Schriftstücke Madame Bouquey anvertraut: „Seien Sie,“ sagten sie, „die Verwahrerin unserer wertvollsten Urkunden, die Wächterin unserer Ehre!“ Sie verschaffte ihnen Pässe, um in die Schweiz zu flüchten, aber sie wollten Frankreich nicht verlassen, sie hofften ihre Freiheit bald durch das Ende der Sehreckenszeit wieder zu erlangen. Barbaroux sagte: „Meine Seele ist die eines freien Mannes, seit vier Jahren hat sie sich mit Hass gegen die Tyrannie erfüllt. Ich werde Frankreich von dieser Geissel befreien oder sterben.“ Das letztere Los ward ihm beschieden, ebenso Guadet und Salle, die sich beim Vater Guadet’s, dem Bürgermeister von Saint-Emilion, eine Zeitlang verborgen aufgehalten hatten. Beide waren auf einem Dachboden versteckt, in dem sie nicht aufrecht stehen konnten. In zusammengekauerter Stellung, im Finstern, ohne Heizung im Winter, ohne frische Luft im Sommer, mussten sie acht lange Monate, vom November 1793 bis Juni 1794, verbringen. Guadet hörte oft die Stimmen seiner Kinder, die im Hof unter den Linden spielten, aber er durfte sich ihnen nicht zeigen, aus Angst, dass ihr Geplauder ihn verraten könnte! Allabendlich liess man ihnen Nahrung und Schreibrequisiten heimlich zukommen. In diesem dunklen Loch, wo nur durch die Spalten der Dachziegelreihen etwas Licht einfiel, war es, wo Salle seine Tragödie „Charlotte Corday“

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/231>, abgerufen am 29.04.2024.