Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Wohnung der Frau Vernet zusammen, wobei sie sich ganz freundschaftlich mit einander unterhielten. Am 3. Oktober 1793 wurde Condorcet in contumacium verurteilt, für ausserhalb des Gesetzes stehend erklärt und seine Güter eingezogen. Die Frau eines ausserhalb der Gesetze stehenden Mannes durfte nicht in Paris übernachten. Madame de Condorcet ging zweimal die Woche, als Bäuerin verkleidet, zu Fuss von Auteuil nach Paris, und sah häufig die Hoffnung unerfüllt, ihren Mann einige Augenblicke sehen zu können. Um das Eingangstor nach Paris ungehindert zu passieren, gab sie sich den Anschein, als ob sie zu der Menge gehören würde, die sich zur Guillotine drängte, um den blutigen Schauspielen beizuwohnen. Sie schloss sich auch dem Strome dieser Menschen an und begleitete die Leute bis zur Place de la Revolution, um sich ja nicht zu verraten. Welche Freude, wenn ein geheim verabredetes Zeichen sie in Kenntnis setzte, dass sie ohne Gefahr zu ihrem Manne gelangen könne! Wie suchte sie ihn zu trösten, mit welcher Liebe sorgte sie für sein Behagen. Er schien über Nacht ein Greis geworden zu sein und bedurfte ihrer Stütze. Er erschöpfte seine Kräfte, um eine Rechtfertigung seines politischen Handelns abzufassen. Seine Frau bemerkte gar bald, wie er darunter moralisch und körperlich litt, und brachte ihn dazu, diese Arbeit aufzugeben. Dagegen eiferte sie ihn dazu an, eine wertvolle Arbeit, "Entwürfe zu einem historischen Bilde über den Fortschritt des menschlichen Geistes", zu verfassen. Aber Arbeit konnte seine traurigen Gedanken nicht mehr bannen. Der Todesgedanke verliess ihn nicht mehr. Er unterbrach diese begonnene Arbeit, um die "Ansichten eines Geächteten" und "Ratschläge an seine Tochter" zu verfassen. Eigentlich war das erstere der beiden Werke eine Art Testament für seine Tochter. Er schrieb in der Einleitung folgendes: "In welcher Lage immer du dich auch Wohnung der Frau Vernet zusammen, wobei sie sich ganz freundschaftlich mit einander unterhielten. Am 3. Oktober 1793 wurde Condorcet in contumacium verurteilt, für ausserhalb des Gesetzes stehend erklärt und seine Güter eingezogen. Die Frau eines ausserhalb der Gesetze stehenden Mannes durfte nicht in Paris übernachten. Madame de Condorcet ging zweimal die Woche, als Bäuerin verkleidet, zu Fuss von Auteuil nach Paris, und sah häufig die Hoffnung unerfüllt, ihren Mann einige Augenblicke sehen zu können. Um das Eingangstor nach Paris ungehindert zu passieren, gab sie sich den Anschein, als ob sie zu der Menge gehören würde, die sich zur Guillotine drängte, um den blutigen Schauspielen beizuwohnen. Sie schloss sich auch dem Strome dieser Menschen an und begleitete die Leute bis zur Place de la Revolution, um sich ja nicht zu verraten. Welche Freude, wenn ein geheim verabredetes Zeichen sie in Kenntnis setzte, dass sie ohne Gefahr zu ihrem Manne gelangen könne! Wie suchte sie ihn zu trösten, mit welcher Liebe sorgte sie für sein Behagen. Er schien über Nacht ein Greis geworden zu sein und bedurfte ihrer Stütze. Er erschöpfte seine Kräfte, um eine Rechtfertigung seines politischen Handelns abzufassen. Seine Frau bemerkte gar bald, wie er darunter moralisch und körperlich litt, und brachte ihn dazu, diese Arbeit aufzugeben. Dagegen eiferte sie ihn dazu an, eine wertvolle Arbeit, „Entwürfe zu einem historischen Bilde über den Fortschritt des menschlichen Geistes“, zu verfassen. Aber Arbeit konnte seine traurigen Gedanken nicht mehr bannen. Der Todesgedanke verliess ihn nicht mehr. Er unterbrach diese begonnene Arbeit, um die „Ansichten eines Geächteten“ und „Ratschläge an seine Tochter“ zu verfassen. Eigentlich war das erstere der beiden Werke eine Art Testament für seine Tochter. Er schrieb in der Einleitung folgendes: „In welcher Lage immer du dich auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0259" n="235"/> Wohnung der Frau Vernet zusammen, wobei sie sich ganz freundschaftlich mit einander unterhielten.</p> <p>Am 3. Oktober 1793 wurde Condorcet in contumacium verurteilt, für ausserhalb des Gesetzes stehend erklärt und seine Güter eingezogen.</p> <p>Die Frau eines ausserhalb der Gesetze stehenden Mannes durfte nicht in Paris übernachten. Madame de Condorcet ging zweimal die Woche, als Bäuerin verkleidet, zu Fuss von Auteuil nach Paris, und sah häufig die Hoffnung unerfüllt, ihren Mann einige Augenblicke sehen zu können.</p> <p>Um das Eingangstor nach Paris ungehindert zu passieren, gab sie sich den Anschein, als ob sie zu der Menge gehören würde, die sich zur Guillotine drängte, um den blutigen Schauspielen beizuwohnen. Sie schloss sich auch dem Strome dieser Menschen an und begleitete die Leute bis zur Place de la Revolution, um sich ja nicht zu verraten.</p> <p>Welche Freude, wenn ein geheim verabredetes Zeichen sie in Kenntnis setzte, dass sie ohne Gefahr zu ihrem Manne gelangen könne! Wie suchte sie ihn zu trösten, mit welcher Liebe sorgte sie für sein Behagen. Er schien über Nacht ein Greis geworden zu sein und bedurfte ihrer Stütze.</p> <p>Er erschöpfte seine Kräfte, um eine Rechtfertigung seines politischen Handelns abzufassen. Seine Frau bemerkte gar bald, wie er darunter moralisch und körperlich litt, und brachte ihn dazu, diese Arbeit aufzugeben. Dagegen eiferte sie ihn dazu an, eine wertvolle Arbeit, „Entwürfe zu einem historischen Bilde über den Fortschritt des menschlichen Geistes“, zu verfassen.</p> <p>Aber Arbeit konnte seine traurigen Gedanken nicht mehr bannen. Der Todesgedanke verliess ihn nicht mehr. Er unterbrach diese begonnene Arbeit, um die „Ansichten eines Geächteten“ und „Ratschläge an seine Tochter“ zu verfassen. Eigentlich war das erstere der beiden Werke eine Art Testament für seine Tochter. Er schrieb in der Einleitung folgendes: „In welcher Lage immer du dich auch </p> </div> </body> </text> </TEI> [235/0259]
Wohnung der Frau Vernet zusammen, wobei sie sich ganz freundschaftlich mit einander unterhielten.
Am 3. Oktober 1793 wurde Condorcet in contumacium verurteilt, für ausserhalb des Gesetzes stehend erklärt und seine Güter eingezogen.
Die Frau eines ausserhalb der Gesetze stehenden Mannes durfte nicht in Paris übernachten. Madame de Condorcet ging zweimal die Woche, als Bäuerin verkleidet, zu Fuss von Auteuil nach Paris, und sah häufig die Hoffnung unerfüllt, ihren Mann einige Augenblicke sehen zu können.
Um das Eingangstor nach Paris ungehindert zu passieren, gab sie sich den Anschein, als ob sie zu der Menge gehören würde, die sich zur Guillotine drängte, um den blutigen Schauspielen beizuwohnen. Sie schloss sich auch dem Strome dieser Menschen an und begleitete die Leute bis zur Place de la Revolution, um sich ja nicht zu verraten.
Welche Freude, wenn ein geheim verabredetes Zeichen sie in Kenntnis setzte, dass sie ohne Gefahr zu ihrem Manne gelangen könne! Wie suchte sie ihn zu trösten, mit welcher Liebe sorgte sie für sein Behagen. Er schien über Nacht ein Greis geworden zu sein und bedurfte ihrer Stütze.
Er erschöpfte seine Kräfte, um eine Rechtfertigung seines politischen Handelns abzufassen. Seine Frau bemerkte gar bald, wie er darunter moralisch und körperlich litt, und brachte ihn dazu, diese Arbeit aufzugeben. Dagegen eiferte sie ihn dazu an, eine wertvolle Arbeit, „Entwürfe zu einem historischen Bilde über den Fortschritt des menschlichen Geistes“, zu verfassen.
Aber Arbeit konnte seine traurigen Gedanken nicht mehr bannen. Der Todesgedanke verliess ihn nicht mehr. Er unterbrach diese begonnene Arbeit, um die „Ansichten eines Geächteten“ und „Ratschläge an seine Tochter“ zu verfassen. Eigentlich war das erstere der beiden Werke eine Art Testament für seine Tochter. Er schrieb in der Einleitung folgendes: „In welcher Lage immer du dich auch
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