Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.mit 11 Jahren in das Kloster Neuve-Saint-Etienne im Faubourg Saint-Marcel ein. In Tränen gebadet, nahm sie Abschied von ihrer Mutter; es war die erste längere Trennung von ihr. Aber es schien ihr, als folge sie der Stimme Gottes, wenn sie ihm unter Tränen das grösste Opfer, dessen sie fähig war, darbrachte; denn als solches galt ihr diese erste Trennung Sie verbrachte die erste Nacht sehr aufgeregt. Sie befand sich nun nicht mehr unter dem väterlichen Dache, sie fühlte schmerzlich die Entfernung von ihrer guten Mutter, die sicherlich an sie dachte - überall herrschte tiefste Stille, sie gab sich ihr mit einem gewissen Schauer hin. Grosse Bäume warfen ihren mächtigen Schatten dahin und dorthin und versprachen einen sicheren Zufluchtsort für die stille Andacht und Betrachtung. Als sie die Augen zum heiteren Himmel erhob, glaubte sie die Gegenwart der Gottheit zu fühlen, die ihr für ihr Opfer zulächelte, und sie fühlte bereits den Lohn dafür in dem trostreichen Frieden eines himmlischen Aufenthaltes. Köstliche Tränen flossen langsam über ihre Wangen und sie wiederholte mit heiligem Schauer ihre Gottergebenheit. Als der Abend wiedergekommen war, hatte sie noch nicht alle ihre Klostergefährtinnen gesehen, es waren deren vierunddreissig in einer einzigen Klasse vereinigt, Schülerinnen vom sechsten bis zum achtzehnten Lebensjahre. Manon wurde bei Tisch unter die Grossen gereiht. Die feine Lebensart, mit der sie ihre Mutter vertraut gemacht hatte, die gesetzte Art, die ihr zur Gewohnheit geworden war, die sanfte, richtige Weise sich auszudrücken, ähnelten in nichts dem lärmenden Uebermut der übrigen, ausgelassenen Jugend. Die Kinder behandelten sie wie eine Erwachsene, und die Erwachsenen liessen sie den trennenden Altersunterschied nicht fühlen und behandelten sie mit einer gewissen Achtung. Durch ihren Lerneifer war sie unterrichteter als die meisten älteren Mädchen, die sich dort befanden. Die Lehrerinnen waren bald alle von Manons mit 11 Jahren in das Kloster Neuve-Saint-Etienne im Faubourg Saint-Marcel ein. In Tränen gebadet, nahm sie Abschied von ihrer Mutter; es war die erste längere Trennung von ihr. Aber es schien ihr, als folge sie der Stimme Gottes, wenn sie ihm unter Tränen das grösste Opfer, dessen sie fähig war, darbrachte; denn als solches galt ihr diese erste Trennung Sie verbrachte die erste Nacht sehr aufgeregt. Sie befand sich nun nicht mehr unter dem väterlichen Dache, sie fühlte schmerzlich die Entfernung von ihrer guten Mutter, die sicherlich an sie dachte – überall herrschte tiefste Stille, sie gab sich ihr mit einem gewissen Schauer hin. Grosse Bäume warfen ihren mächtigen Schatten dahin und dorthin und versprachen einen sicheren Zufluchtsort für die stille Andacht und Betrachtung. Als sie die Augen zum heiteren Himmel erhob, glaubte sie die Gegenwart der Gottheit zu fühlen, die ihr für ihr Opfer zulächelte, und sie fühlte bereits den Lohn dafür in dem trostreichen Frieden eines himmlischen Aufenthaltes. Köstliche Tränen flossen langsam über ihre Wangen und sie wiederholte mit heiligem Schauer ihre Gottergebenheit. Als der Abend wiedergekommen war, hatte sie noch nicht alle ihre Klostergefährtinnen gesehen, es waren deren vierunddreissig in einer einzigen Klasse vereinigt, Schülerinnen vom sechsten bis zum achtzehnten Lebensjahre. Manon wurde bei Tisch unter die Grossen gereiht. Die feine Lebensart, mit der sie ihre Mutter vertraut gemacht hatte, die gesetzte Art, die ihr zur Gewohnheit geworden war, die sanfte, richtige Weise sich auszudrücken, ähnelten in nichts dem lärmenden Uebermut der übrigen, ausgelassenen Jugend. Die Kinder behandelten sie wie eine Erwachsene, und die Erwachsenen liessen sie den trennenden Altersunterschied nicht fühlen und behandelten sie mit einer gewissen Achtung. Durch ihren Lerneifer war sie unterrichteter als die meisten älteren Mädchen, die sich dort befanden. Die Lehrerinnen waren bald alle von Manons <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0086" n="67"/> mit 11 Jahren in das Kloster Neuve-Saint-Etienne im Faubourg Saint-Marcel ein.</p> <p>In Tränen gebadet, nahm sie Abschied von ihrer Mutter; es war die erste längere Trennung von ihr. 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Köstliche Tränen flossen langsam über ihre Wangen und sie wiederholte mit heiligem Schauer ihre Gottergebenheit.</p> <p>Als der Abend wiedergekommen war, hatte sie noch nicht alle ihre Klostergefährtinnen gesehen, es waren deren vierunddreissig in einer einzigen Klasse vereinigt, Schülerinnen vom sechsten bis zum achtzehnten Lebensjahre. Manon wurde bei Tisch unter die Grossen gereiht. Die feine Lebensart, mit der sie ihre Mutter vertraut gemacht hatte, die gesetzte Art, die ihr zur Gewohnheit geworden war, die sanfte, richtige Weise sich auszudrücken, ähnelten in nichts dem lärmenden Uebermut der übrigen, ausgelassenen Jugend. Die Kinder behandelten sie wie eine Erwachsene, und die Erwachsenen liessen sie den trennenden Altersunterschied nicht fühlen und behandelten sie mit einer gewissen Achtung. Durch ihren Lerneifer war sie unterrichteter als die meisten älteren Mädchen, die sich dort befanden. Die Lehrerinnen waren bald alle von Manons </p> </div> </body> </text> </TEI> [67/0086]
mit 11 Jahren in das Kloster Neuve-Saint-Etienne im Faubourg Saint-Marcel ein.
In Tränen gebadet, nahm sie Abschied von ihrer Mutter; es war die erste längere Trennung von ihr. Aber es schien ihr, als folge sie der Stimme Gottes, wenn sie ihm unter Tränen das grösste Opfer, dessen sie fähig war, darbrachte; denn als solches galt ihr diese erste Trennung
Sie verbrachte die erste Nacht sehr aufgeregt. Sie befand sich nun nicht mehr unter dem väterlichen Dache, sie fühlte schmerzlich die Entfernung von ihrer guten Mutter, die sicherlich an sie dachte – überall herrschte tiefste Stille, sie gab sich ihr mit einem gewissen Schauer hin. Grosse Bäume warfen ihren mächtigen Schatten dahin und dorthin und versprachen einen sicheren Zufluchtsort für die stille Andacht und Betrachtung. Als sie die Augen zum heiteren Himmel erhob, glaubte sie die Gegenwart der Gottheit zu fühlen, die ihr für ihr Opfer zulächelte, und sie fühlte bereits den Lohn dafür in dem trostreichen Frieden eines himmlischen Aufenthaltes. Köstliche Tränen flossen langsam über ihre Wangen und sie wiederholte mit heiligem Schauer ihre Gottergebenheit.
Als der Abend wiedergekommen war, hatte sie noch nicht alle ihre Klostergefährtinnen gesehen, es waren deren vierunddreissig in einer einzigen Klasse vereinigt, Schülerinnen vom sechsten bis zum achtzehnten Lebensjahre. Manon wurde bei Tisch unter die Grossen gereiht. Die feine Lebensart, mit der sie ihre Mutter vertraut gemacht hatte, die gesetzte Art, die ihr zur Gewohnheit geworden war, die sanfte, richtige Weise sich auszudrücken, ähnelten in nichts dem lärmenden Uebermut der übrigen, ausgelassenen Jugend. Die Kinder behandelten sie wie eine Erwachsene, und die Erwachsenen liessen sie den trennenden Altersunterschied nicht fühlen und behandelten sie mit einer gewissen Achtung. Durch ihren Lerneifer war sie unterrichteter als die meisten älteren Mädchen, die sich dort befanden. Die Lehrerinnen waren bald alle von Manons
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