sah man unzufrieden, in beständiger Erwartung, lange Zeit in den Straßen von Berlin! Der Einzelne ver- langte die ganze Aufmerksamkeit des Staats auf seine Person gerichtet, gleich den vielen französischen Roya- listen, die noch immer die Restauration nicht für been- det ansehn, weil sie nicht für alles belohnt sind, was sie gelitten und gedacht. Wie mancher Freiwillige schämte sich, zur früheren Beschäftigung zurückzukeh- ren! Um so ehrenwerther einzelne Beispiele, wo wir den verdienten Officier wieder hinter den Ladentisch oder in die Werkstatt seines Handwerks treten sahen.
Alle jene kühnen Plane waren der Gegenstand des Gesprächs zweier nächtlichen Schildwachen. Unser Feldlager vor Givet hatte das Ansehn eines kleinen Marktfleckens bei der Dauer der Belagerung gewon- nen. Die Bauern und Bäuerinnen, welche alle Mor- gen es bezogen, hatten ihre bestimmten Steine, wo sie Obst, Garten- und Feldfrüchte feil boten. Der Mar- ketender, ein schlesischer Jude, schenkte Kaffee; die ber- liner Vossische Zeitung lag, wenn auch etwas veraltet, aus, und die Politiker des Lagers sammelten sich hier, um Nachricht aus der Heimath einzuziehen. Jch hatte am Morgen diese Zusammenkunft versäumt, wußte da- her auch nicht, welch ein Ereigniß die theatralischen Köpfe aufgeregt hatte. Die Nachricht vom Tode der Bethmann war eingelaufen. Das Feldgeschrei führte
ſah man unzufrieden, in beſtändiger Erwartung, lange Zeit in den Straßen von Berlin! Der Einzelne ver- langte die ganze Aufmerkſamkeit des Staats auf ſeine Perſon gerichtet, gleich den vielen franzöſiſchen Roya- liſten, die noch immer die Reſtauration nicht für been- det anſehn, weil ſie nicht für alles belohnt ſind, was ſie gelitten und gedacht. Wie mancher Freiwillige ſchämte ſich, zur früheren Beſchäftigung zurückzukeh- ren! Um ſo ehrenwerther einzelne Beiſpiele, wo wir den verdienten Officier wieder hinter den Ladentiſch oder in die Werkſtatt ſeines Handwerks treten ſahen.
Alle jene kühnen Plane waren der Gegenſtand des Geſprächs zweier nächtlichen Schildwachen. Unſer Feldlager vor Givet hatte das Anſehn eines kleinen Marktfleckens bei der Dauer der Belagerung gewon- nen. Die Bauern und Bäuerinnen, welche alle Mor- gen es bezogen, hatten ihre beſtimmten Steine, wo ſie Obſt, Garten- und Feldfrüchte feil boten. Der Mar- ketender, ein ſchleſiſcher Jude, ſchenkte Kaffee; die ber- liner Voſſiſche Zeitung lag, wenn auch etwas veraltet, aus, und die Politiker des Lagers ſammelten ſich hier, um Nachricht aus der Heimath einzuziehen. Jch hatte am Morgen dieſe Zuſammenkunft verſäumt, wußte da- her auch nicht, welch ein Ereigniß die theatraliſchen Köpfe aufgeregt hatte. Die Nachricht vom Tode der Bethmann war eingelaufen. Das Feldgeſchrei führte
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ſah man unzufrieden, in beſtändiger Erwartung, lange
Zeit in den Straßen von Berlin! Der Einzelne ver-
langte die ganze Aufmerkſamkeit des Staats auf ſeine
Perſon gerichtet, gleich den vielen franzöſiſchen Roya-
liſten, die noch immer die Reſtauration nicht für been-
det anſehn, weil ſie nicht für alles belohnt ſind, was
ſie gelitten und gedacht. Wie mancher Freiwillige
ſchämte ſich, zur früheren Beſchäftigung zurückzukeh-
ren! Um ſo ehrenwerther einzelne Beiſpiele, wo wir
den verdienten Officier wieder hinter den Ladentiſch
oder in die Werkſtatt ſeines Handwerks treten ſahen.
Alle jene kühnen Plane waren der Gegenſtand
des Geſprächs zweier nächtlichen Schildwachen. Unſer
Feldlager vor Givet hatte das Anſehn eines kleinen
Marktfleckens bei der Dauer der Belagerung gewon-
nen. Die Bauern und Bäuerinnen, welche alle Mor-
gen es bezogen, hatten ihre beſtimmten Steine, wo ſie
Obſt, Garten- und Feldfrüchte feil boten. Der Mar-
ketender, ein ſchleſiſcher Jude, ſchenkte Kaffee; die ber-
liner Voſſiſche Zeitung lag, wenn auch etwas veraltet,
aus, und die Politiker des Lagers ſammelten ſich hier,
um Nachricht aus der Heimath einzuziehen. Jch hatte
am Morgen dieſe Zuſammenkunft verſäumt, wußte da-
her auch nicht, welch ein Ereigniß die theatraliſchen
Köpfe aufgeregt hatte. Die Nachricht vom Tode der
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/25>, abgerufen am 25.09.2023.
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