Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.men nur noch gespensterhafter. Ohne ein Wort zu Dies zündete, ohne daß ich wußte weshalb. Die men nur noch geſpenſterhafter. Ohne ein Wort zu Dies zündete, ohne daß ich wußte weshalb. Die <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0046"/> men nur noch geſpenſterhafter. Ohne ein Wort zu<lb/> ſprechen, wies die Tochter in einen Winkel, wo mein<lb/> übelbereiteter Kaffee mit geröſtetem Brote ſtand. Von<lb/> Zeit zu Zeit brachte mir der Knabe Aepfel, welche zu<lb/> braten das einzige Geſchäft der Weiber war. Dazu<lb/> herrſchte eine Todtenſtille bis auf den einförmigen Ton,<lb/> wenn der Regen auf das Dach tropfenweiſe fiel. Jch<lb/> wünſchte mir die franzöſiſche Redſeligkeit, welche mich<lb/> ſonſt wol zur Verzweiflung gebracht, unter dieſe Wei-<lb/> ber. Mir ſchien, als deute dieſe Bezwingung ihrer<lb/> eigenthümlichſten Natur an, daß ein ſchwerer Vorſatz<lb/> die Gemüther beſchäftige. Sie blickten mich von Zeit zu<lb/> Zeit verſtohlen an; die Alte ſchien mehreremal ſprechen zu<lb/> wollen, aber ich kam ihr zuvor und machte der beeng-<lb/> ten Bruſt Luft: „Jſt es wohl recht, daß ein müder<lb/> und hungriger Soldat wie ein Hund von Euch aufge-<lb/> nommen wird? Eure Franzoſen verſtanden es beſſer,<lb/> die Speiſekammern zu finden, als ſie bei uns waren.“<lb/> — „Wir haben nichts,“ erwiederte die Mutter. —<lb/> „Die Preußen haben Alles genommen und verzehrt,<lb/> und <hi rendition="#g">wir</hi> müſſen verhungern,“ ſetzte die Tochter hin-<lb/> zu. — „Wie dann, Alte, hätten wir deinem Sohne<lb/> auch nur trocken Brod vorgeſetzt?“</p><lb/> <p>Dies zündete, ohne daß ich wußte weshalb. Die<lb/> Alte hielt ſich nicht mehr; franzöſiſche Sprechluſt und<lb/> mütterliche Eitelkeit trugen den Sieg davon, und mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
men nur noch geſpenſterhafter. Ohne ein Wort zu
ſprechen, wies die Tochter in einen Winkel, wo mein
übelbereiteter Kaffee mit geröſtetem Brote ſtand. Von
Zeit zu Zeit brachte mir der Knabe Aepfel, welche zu
braten das einzige Geſchäft der Weiber war. Dazu
herrſchte eine Todtenſtille bis auf den einförmigen Ton,
wenn der Regen auf das Dach tropfenweiſe fiel. Jch
wünſchte mir die franzöſiſche Redſeligkeit, welche mich
ſonſt wol zur Verzweiflung gebracht, unter dieſe Wei-
ber. Mir ſchien, als deute dieſe Bezwingung ihrer
eigenthümlichſten Natur an, daß ein ſchwerer Vorſatz
die Gemüther beſchäftige. Sie blickten mich von Zeit zu
Zeit verſtohlen an; die Alte ſchien mehreremal ſprechen zu
wollen, aber ich kam ihr zuvor und machte der beeng-
ten Bruſt Luft: „Jſt es wohl recht, daß ein müder
und hungriger Soldat wie ein Hund von Euch aufge-
nommen wird? Eure Franzoſen verſtanden es beſſer,
die Speiſekammern zu finden, als ſie bei uns waren.“
— „Wir haben nichts,“ erwiederte die Mutter. —
„Die Preußen haben Alles genommen und verzehrt,
und wir müſſen verhungern,“ ſetzte die Tochter hin-
zu. — „Wie dann, Alte, hätten wir deinem Sohne
auch nur trocken Brod vorgeſetzt?“
Dies zündete, ohne daß ich wußte weshalb. Die
Alte hielt ſich nicht mehr; franzöſiſche Sprechluſt und
mütterliche Eitelkeit trugen den Sieg davon, und mit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-07-16T12:57:05Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-07-16T12:57:05Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |