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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

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träglich das Garaus machen. Wir Jäger, wir mar-
schiren morgen ab, und ich weiß nicht, Herr Maire,
ob die Leute hier sich nicht ebenso freuen werden, als
dazumal, wo Sie und die Jhrigen Jhr leeres Quar-
tier bei uns mit vollem Beutel verließen."

Der Maire verbeugte sich ruhig. "Und wenn auch,
meine Herren, die Nachstellungen mit Jhrem Abzuge
wieder beginnen, der Herr wird die Gerechten be-
schützen."

Jch fand keine Ruhe im Bette. Der Gedanke
lastete auf mir, morgen die Gegend auf immer zu ver-
lassen, wo über ein räthselhaftes Dunkel ein Licht her-
einbrechen wollte. Jch schien mir mitverstrickt in ein
Geheimniß. Es dünkte mir unrecht fortzugehen, ehe
ich mir selbst etwas klar gemacht. Es dünkte mir un-
recht, Adelaiden zu verlassen, ohne von ihrem Schick-
sale zu wissen. Als ob ich berufen wäre ihr zu helfen!
Dann erschien mir wieder der todte Freund; er wurde
guillotinirt, neben ihm lachte Adelaide, aber sie ver-
wandelte sich in ihren Oheim. Die Träume führten
immer wieder auf Mord und Blut, bis ich es nicht
mehr aushielt und aufsprang. Jn den Mantel gehüllt
stieg ich in den mondhellen Garten hinab. Jch lief, bis ich
ermüdet war, umher. Die Phantasie kämpfte mit den
Geistern, sie griffen nach mir, aber ich trat sie zu Boden.
Es waren die Schatten der Pappeln. Endlich warf

träglich das Garaus machen. Wir Jäger, wir mar-
ſchiren morgen ab, und ich weiß nicht, Herr Maire,
ob die Leute hier ſich nicht ebenſo freuen werden, als
dazumal, wo Sie und die Jhrigen Jhr leeres Quar-
tier bei uns mit vollem Beutel verließen.“

Der Maire verbeugte ſich ruhig. „Und wenn auch,
meine Herren, die Nachſtellungen mit Jhrem Abzuge
wieder beginnen, der Herr wird die Gerechten be-
ſchützen.“

Jch fand keine Ruhe im Bette. Der Gedanke
laſtete auf mir, morgen die Gegend auf immer zu ver-
laſſen, wo über ein räthſelhaftes Dunkel ein Licht her-
einbrechen wollte. Jch ſchien mir mitverſtrickt in ein
Geheimniß. Es dünkte mir unrecht fortzugehen, ehe
ich mir ſelbſt etwas klar gemacht. Es dünkte mir un-
recht, Adelaiden zu verlaſſen, ohne von ihrem Schick-
ſale zu wiſſen. Als ob ich berufen wäre ihr zu helfen!
Dann erſchien mir wieder der todte Freund; er wurde
guillotinirt, neben ihm lachte Adelaide, aber ſie ver-
wandelte ſich in ihren Oheim. Die Träume führten
immer wieder auf Mord und Blut, bis ich es nicht
mehr aushielt und aufſprang. Jn den Mantel gehüllt
ſtieg ich in den mondhellen Garten hinab. Jch lief, bis ich
ermüdet war, umher. Die Phantaſie kämpfte mit den
Geiſtern, ſie griffen nach mir, aber ich trat ſie zu Boden.
Es waren die Schatten der Pappeln. Endlich warf

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[0074] träglich das Garaus machen. Wir Jäger, wir mar- ſchiren morgen ab, und ich weiß nicht, Herr Maire, ob die Leute hier ſich nicht ebenſo freuen werden, als dazumal, wo Sie und die Jhrigen Jhr leeres Quar- tier bei uns mit vollem Beutel verließen.“ Der Maire verbeugte ſich ruhig. „Und wenn auch, meine Herren, die Nachſtellungen mit Jhrem Abzuge wieder beginnen, der Herr wird die Gerechten be- ſchützen.“ Jch fand keine Ruhe im Bette. Der Gedanke laſtete auf mir, morgen die Gegend auf immer zu ver- laſſen, wo über ein räthſelhaftes Dunkel ein Licht her- einbrechen wollte. Jch ſchien mir mitverſtrickt in ein Geheimniß. Es dünkte mir unrecht fortzugehen, ehe ich mir ſelbſt etwas klar gemacht. Es dünkte mir un- recht, Adelaiden zu verlaſſen, ohne von ihrem Schick- ſale zu wiſſen. Als ob ich berufen wäre ihr zu helfen! Dann erſchien mir wieder der todte Freund; er wurde guillotinirt, neben ihm lachte Adelaide, aber ſie ver- wandelte ſich in ihren Oheim. Die Träume führten immer wieder auf Mord und Blut, bis ich es nicht mehr aushielt und aufſprang. Jn den Mantel gehüllt ſtieg ich in den mondhellen Garten hinab. Jch lief, bis ich ermüdet war, umher. Die Phantaſie kämpfte mit den Geiſtern, ſie griffen nach mir, aber ich trat ſie zu Boden. Es waren die Schatten der Pappeln. Endlich warf

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/74>, abgerufen am 28.03.2024.