Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

Bild:
<< vorherige Seite

christlichsten Königs sprechen sollen, über Frankreich
ausgeh'n wird." -

Alle, und warum sollte ich mich ausschließen, lei-
steten lebendig dem Wunsche Folge. Nur das Fräu-
lein blieb gleichgültig. Doch schien sie mit Unruhe dem
Aufbruch der Tafel entgegen zu sehen. Als diese er-
folgte und die Anderen sich entfernt hatten, blieb sie mit
einer Stickarbeit am Fenster stehen. Sie wollte ein
Gespräch mit mir, aber sie schien den Anfang zu fürch-
ten. Auch als sie jetzt mit einer Frage begann, mochte
es noch nicht das seyn, was sie beabsichtigte:

"Sie lieben die Sache der Vendeer?"

Jch erwiederte: "Wer sollte nicht ihren Muth und
frommen Glauben bewundern, wenn er auch die Sache,
für die sie fochten, nicht ganz vertheidigen will?"

"Auch die Sache der Vendeer war gut, mein
Herr; sie war gut, rein für jene Zeit," entgegnete sie
heftiger. "Jch sagte ihnen vorhin, mein Vater sey
nicht emigrirt; jetzt darf ich Jhnen sagen, daß er unter
den Vendeern wie ein Held gestritten hat, nachdem er
als Mann unter den Republikanern nichts mehr ver-
mochte; und doch ist mein Vater nie seinen Grund-
sätzen untreu geworden." --

"Und was würde Jhr Vater jetzt thun?" --

Eine hohe Gluth flog über Adelaiden's Gesicht.
Jhre Augen funkelten; sie vergaß sich und was sie

chriſtlichſten Königs ſprechen ſollen, über Frankreich
ausgeh’n wird.“ -

Alle, und warum ſollte ich mich ausſchließen, lei-
ſteten lebendig dem Wunſche Folge. Nur das Fräu-
lein blieb gleichgültig. Doch ſchien ſie mit Unruhe dem
Aufbruch der Tafel entgegen zu ſehen. Als dieſe er-
folgte und die Anderen ſich entfernt hatten, blieb ſie mit
einer Stickarbeit am Fenſter ſtehen. Sie wollte ein
Geſpräch mit mir, aber ſie ſchien den Anfang zu fürch-
ten. Auch als ſie jetzt mit einer Frage begann, mochte
es noch nicht das ſeyn, was ſie beabſichtigte:

„Sie lieben die Sache der Vendēer?“

Jch erwiederte: „Wer ſollte nicht ihren Muth und
frommen Glauben bewundern, wenn er auch die Sache,
für die ſie fochten, nicht ganz vertheidigen will?“

„Auch die Sache der Vendēer war gut, mein
Herr; ſie war gut, rein für jene Zeit,“ entgegnete ſie
heftiger. „Jch ſagte ihnen vorhin, mein Vater ſey
nicht emigrirt; jetzt darf ich Jhnen ſagen, daß er unter
den Vendēern wie ein Held geſtritten hat, nachdem er
als Mann unter den Republikanern nichts mehr ver-
mochte; und doch iſt mein Vater nie ſeinen Grund-
ſätzen untreu geworden.“ —

„Und was würde Jhr Vater jetzt thun?“ —

Eine hohe Gluth flog über Adelaiden’s Geſicht.
Jhre Augen funkelten; ſie vergaß ſich und was ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0085"/>
chri&#x017F;tlich&#x017F;ten Königs &#x017F;prechen &#x017F;ollen, über Frankreich<lb/>
ausgeh&#x2019;n wird.&#x201C; -</p><lb/>
        <p>Alle, und warum &#x017F;ollte ich mich aus&#x017F;chließen, lei-<lb/>
&#x017F;teten lebendig dem Wun&#x017F;che Folge. Nur das Fräu-<lb/>
lein blieb gleichgültig. Doch &#x017F;chien &#x017F;ie mit Unruhe dem<lb/>
Aufbruch der Tafel entgegen zu &#x017F;ehen. Als die&#x017F;e er-<lb/>
folgte und die Anderen &#x017F;ich entfernt hatten, blieb &#x017F;ie mit<lb/>
einer Stickarbeit am Fen&#x017F;ter &#x017F;tehen. Sie <hi rendition="#g">wollte</hi> ein<lb/>
Ge&#x017F;präch mit mir, aber &#x017F;ie &#x017F;chien den Anfang zu fürch-<lb/>
ten. Auch als &#x017F;ie jetzt mit einer Frage begann, mochte<lb/>
es noch nicht das &#x017F;eyn, was &#x017F;ie beab&#x017F;ichtigte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie lieben die Sache der Vend&#x0113;er?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jch erwiederte: &#x201E;Wer &#x017F;ollte nicht ihren Muth und<lb/>
frommen Glauben bewundern, wenn er auch die Sache,<lb/>
für die &#x017F;ie fochten, nicht ganz vertheidigen will?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auch die <hi rendition="#g">Sache</hi> der Vend&#x0113;er war gut, mein<lb/>
Herr; &#x017F;ie war gut, rein für jene Zeit,&#x201C; entgegnete &#x017F;ie<lb/>
heftiger. &#x201E;Jch &#x017F;agte ihnen vorhin, mein Vater &#x017F;ey<lb/>
nicht emigrirt; jetzt darf ich Jhnen &#x017F;agen, daß er unter<lb/>
den Vend&#x0113;ern wie ein Held ge&#x017F;tritten hat, nachdem er<lb/>
als Mann unter den Republikanern nichts mehr ver-<lb/>
mochte; und doch i&#x017F;t mein Vater nie &#x017F;einen Grund-<lb/>
&#x017F;ätzen untreu geworden.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und was würde Jhr Vater jetzt thun?&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Eine hohe Gluth flog über Adelaiden&#x2019;s Ge&#x017F;icht.<lb/>
Jhre Augen funkelten; &#x017F;ie vergaß &#x017F;ich und was &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0085] chriſtlichſten Königs ſprechen ſollen, über Frankreich ausgeh’n wird.“ - Alle, und warum ſollte ich mich ausſchließen, lei- ſteten lebendig dem Wunſche Folge. Nur das Fräu- lein blieb gleichgültig. Doch ſchien ſie mit Unruhe dem Aufbruch der Tafel entgegen zu ſehen. Als dieſe er- folgte und die Anderen ſich entfernt hatten, blieb ſie mit einer Stickarbeit am Fenſter ſtehen. Sie wollte ein Geſpräch mit mir, aber ſie ſchien den Anfang zu fürch- ten. Auch als ſie jetzt mit einer Frage begann, mochte es noch nicht das ſeyn, was ſie beabſichtigte: „Sie lieben die Sache der Vendēer?“ Jch erwiederte: „Wer ſollte nicht ihren Muth und frommen Glauben bewundern, wenn er auch die Sache, für die ſie fochten, nicht ganz vertheidigen will?“ „Auch die Sache der Vendēer war gut, mein Herr; ſie war gut, rein für jene Zeit,“ entgegnete ſie heftiger. „Jch ſagte ihnen vorhin, mein Vater ſey nicht emigrirt; jetzt darf ich Jhnen ſagen, daß er unter den Vendēern wie ein Held geſtritten hat, nachdem er als Mann unter den Republikanern nichts mehr ver- mochte; und doch iſt mein Vater nie ſeinen Grund- ſätzen untreu geworden.“ — „Und was würde Jhr Vater jetzt thun?“ — Eine hohe Gluth flog über Adelaiden’s Geſicht. Jhre Augen funkelten; ſie vergaß ſich und was ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-07-16T12:57:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-07-16T12:57:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/85
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/85>, abgerufen am 24.04.2024.