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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

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sagte Mathieu, wol fühlend, daß hier eine Entdeckung
nicht mehr zu fürchten, aber vielleicht zu wünschen sey.

Noch einmal versuchte der Verwundete seine Kräfte.
Ein Freudenstrahl durchzückte ihn. Er wehte mit der
rechten Hand. "Victoria! ruft Capitain Barbaroux
noch im Tode, Victoria!"

"Bei Gott, Barbaroux, Du?" rief Delabelle, und
mit bewegter Stimme, "fürwahr besser für Dich, wenn
die Lanzenspitze des Kosaken Dich damals traf. Wer
hat Dir das gethan?"

"Martin Jblou de St. A." rief mit entsetzli-
cher Deutlichkeit der Unglückliche.

"Weshalb?" fragten wir Drei fast mit einem
Laut, und drängten uns heran, die letzten Laute des
Sterbenden nicht zu verlieren. Aber der Trost, unter
Menschen, unter Befreundeten, mit der Aussicht auf
Rache zu sterben, hatte dem Leichnam neues Leben
eingehaucht. Seine Gedanken sammelten sich. Was
er von nun an mittheilte, wurde ohne widerliche Hast
eines, den der Tod schon umfaßt hält, gesprochen.

"Bruder Mathieu, weißt Du noch, wie ich an
der Beresina Dich auf meinem Rappen mit aufsitzen
ließ? Sonst wärst Du nicht über die Brücke gekom-
men, und über Deinem Leibe wüchse Hirse. Bruder,
laß mich nicht hundsföttisch umkommen. -- Jch habe
immer auf gute Cameradschaft im Felde gehalten; das

ſagte Mathieu, wol fühlend, daß hier eine Entdeckung
nicht mehr zu fürchten, aber vielleicht zu wünſchen ſey.

Noch einmal verſuchte der Verwundete ſeine Kräfte.
Ein Freudenſtrahl durchzückte ihn. Er wehte mit der
rechten Hand. „Victoria! ruft Capitain Barbaroux
noch im Tode, Victoria!“

„Bei Gott, Barbaroux, Du?“ rief Delabelle, und
mit bewegter Stimme, „fürwahr beſſer für Dich, wenn
die Lanzenſpitze des Koſaken Dich damals traf. Wer
hat Dir das gethan?“

„Martin Jblou de St. A.“ rief mit entſetzli-
cher Deutlichkeit der Unglückliche.

„Weshalb?“ fragten wir Drei faſt mit einem
Laut, und drängten uns heran, die letzten Laute des
Sterbenden nicht zu verlieren. Aber der Troſt, unter
Menſchen, unter Befreundeten, mit der Ausſicht auf
Rache zu ſterben, hatte dem Leichnam neues Leben
eingehaucht. Seine Gedanken ſammelten ſich. Was
er von nun an mittheilte, wurde ohne widerliche Haſt
eines, den der Tod ſchon umfaßt hält, geſprochen.

„Bruder Mathieu, weißt Du noch, wie ich an
der Bereſina Dich auf meinem Rappen mit aufſitzen
ließ? Sonſt wärſt Du nicht über die Brücke gekom-
men, und über Deinem Leibe wüchſe Hirſe. Bruder,
laß mich nicht hundsföttiſch umkommen. — Jch habe
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[0095] ſagte Mathieu, wol fühlend, daß hier eine Entdeckung nicht mehr zu fürchten, aber vielleicht zu wünſchen ſey. Noch einmal verſuchte der Verwundete ſeine Kräfte. Ein Freudenſtrahl durchzückte ihn. Er wehte mit der rechten Hand. „Victoria! ruft Capitain Barbaroux noch im Tode, Victoria!“ „Bei Gott, Barbaroux, Du?“ rief Delabelle, und mit bewegter Stimme, „fürwahr beſſer für Dich, wenn die Lanzenſpitze des Koſaken Dich damals traf. Wer hat Dir das gethan?“ „Martin Jblou de St. A.“ rief mit entſetzli- cher Deutlichkeit der Unglückliche. „Weshalb?“ fragten wir Drei faſt mit einem Laut, und drängten uns heran, die letzten Laute des Sterbenden nicht zu verlieren. Aber der Troſt, unter Menſchen, unter Befreundeten, mit der Ausſicht auf Rache zu ſterben, hatte dem Leichnam neues Leben eingehaucht. Seine Gedanken ſammelten ſich. Was er von nun an mittheilte, wurde ohne widerliche Haſt eines, den der Tod ſchon umfaßt hält, geſprochen. „Bruder Mathieu, weißt Du noch, wie ich an der Bereſina Dich auf meinem Rappen mit aufſitzen ließ? Sonſt wärſt Du nicht über die Brücke gekom- men, und über Deinem Leibe wüchſe Hirſe. Bruder, laß mich nicht hundsföttiſch umkommen. — Jch habe immer auf gute Cameradſchaft im Felde gehalten; das

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/95>, abgerufen am 28.03.2024.