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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Aber unten im Charlottenburger Hofe! Was steht
vor der Thür? Ein Leiterwagen mit Stroh! -- Sie
fragt nach der königlichen Kutsche? -- Dies ist sie,
sagt der König, wir werden uns etwas behelfen
müssen, ländlich, sittlich. Die alte Voß ist erstarrt,
aber noch entsetzter, als sie sieht, wie der König die
Königin hinaufhebt. Die andern Hofdamen helfen
sich selbst. Der König bietet endlich der alten Dame
seine Dienste an, aber sie erklärt feierlich: so lange
sie ihr Amt als Ober-Ceremonienmeisterin nicht ver¬
wirkt oder verloren, werde und könne sie sich dazu nicht
entschließen. Und, setzte sie hinzu, wenn ich auch so
unglücklich wäre, darüber die Gnade Ihro Majestäten
zu verlieren! -- Der König sagte freundlich: "Um
des Himmels willen, liebe Voß, wenn Sie nicht
mitwollen, bleiben Sie zurück, aber meine volle Gnade
bleibt bei Ihnen. Und hinauf sprang er und der
Wagen rollte fort."

Der Geheimrath schnalzte auf: "Delicieux! die
alte Voß allein am Thor wie die Henne am Teich!"

"Ich glaube Comteß Laura, fuhr die Ministerin
fort, und zog ihren Strumpf -- ich glaube, die hat
auch nicht sehr vergnügte Mienen auf dem Leiterwagen
gemacht. Es ist erschrecklich, welche Airs sie sich giebt."

"Ich finde sie nicht mal schön," sagte Bovillard
am Halstuch zupfend. Er fand sie nicht schön, weil
auf dem Gesicht der Ministerin etwas stand, was
ihm sagte, daß die Ministerin eine solche Findung
wünschte.

Aber unten im Charlottenburger Hofe! Was ſteht
vor der Thür? Ein Leiterwagen mit Stroh! — Sie
fragt nach der königlichen Kutſche? — Dies iſt ſie,
ſagt der König, wir werden uns etwas behelfen
müſſen, ländlich, ſittlich. Die alte Voß iſt erſtarrt,
aber noch entſetzter, als ſie ſieht, wie der König die
Königin hinaufhebt. Die andern Hofdamen helfen
ſich ſelbſt. Der König bietet endlich der alten Dame
ſeine Dienſte an, aber ſie erklärt feierlich: ſo lange
ſie ihr Amt als Ober-Ceremonienmeiſterin nicht ver¬
wirkt oder verloren, werde und könne ſie ſich dazu nicht
entſchließen. Und, ſetzte ſie hinzu, wenn ich auch ſo
unglücklich wäre, darüber die Gnade Ihro Majeſtäten
zu verlieren! — Der König ſagte freundlich: „Um
des Himmels willen, liebe Voß, wenn Sie nicht
mitwollen, bleiben Sie zurück, aber meine volle Gnade
bleibt bei Ihnen. Und hinauf ſprang er und der
Wagen rollte fort.“

Der Geheimrath ſchnalzte auf: „Délicieux! die
alte Voß allein am Thor wie die Henne am Teich!“

„Ich glaube Comteß Laura, fuhr die Miniſterin
fort, und zog ihren Strumpf — ich glaube, die hat
auch nicht ſehr vergnügte Mienen auf dem Leiterwagen
gemacht. Es iſt erſchrecklich, welche Airs ſie ſich giebt.“

„Ich finde ſie nicht mal ſchön,“ ſagte Bovillard
am Halstuch zupfend. Er fand ſie nicht ſchön, weil
auf dem Geſicht der Miniſterin etwas ſtand, was
ihm ſagte, daß die Miniſterin eine ſolche Findung
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[222/0236] Aber unten im Charlottenburger Hofe! Was ſteht vor der Thür? Ein Leiterwagen mit Stroh! — Sie fragt nach der königlichen Kutſche? — Dies iſt ſie, ſagt der König, wir werden uns etwas behelfen müſſen, ländlich, ſittlich. Die alte Voß iſt erſtarrt, aber noch entſetzter, als ſie ſieht, wie der König die Königin hinaufhebt. Die andern Hofdamen helfen ſich ſelbſt. Der König bietet endlich der alten Dame ſeine Dienſte an, aber ſie erklärt feierlich: ſo lange ſie ihr Amt als Ober-Ceremonienmeiſterin nicht ver¬ wirkt oder verloren, werde und könne ſie ſich dazu nicht entſchließen. Und, ſetzte ſie hinzu, wenn ich auch ſo unglücklich wäre, darüber die Gnade Ihro Majeſtäten zu verlieren! — Der König ſagte freundlich: „Um des Himmels willen, liebe Voß, wenn Sie nicht mitwollen, bleiben Sie zurück, aber meine volle Gnade bleibt bei Ihnen. Und hinauf ſprang er und der Wagen rollte fort.“ Der Geheimrath ſchnalzte auf: „Délicieux! die alte Voß allein am Thor wie die Henne am Teich!“ „Ich glaube Comteß Laura, fuhr die Miniſterin fort, und zog ihren Strumpf — ich glaube, die hat auch nicht ſehr vergnügte Mienen auf dem Leiterwagen gemacht. Es iſt erſchrecklich, welche Airs ſie ſich giebt.“ „Ich finde ſie nicht mal ſchön,“ ſagte Bovillard am Halstuch zupfend. Er fand ſie nicht ſchön, weil auf dem Geſicht der Miniſterin etwas ſtand, was ihm ſagte, daß die Miniſterin eine ſolche Findung wünſchte.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/236>, abgerufen am 23.11.2024.