folgen. Der Kammerherr hatte den Instinct, daß hinter dem wilden Scherz ein eben so wilder Ernst lauerte. Er konnte herausbrechen, und er hatte nicht geirrt.
"Preußen ist nicht Italien!" sagte er, um rasch abzubrechen.
"Warum nicht! Sie buhlen um uns, sie zahlen Geld, schweres Geld um unsre Gunst, Gott weiß wo es bleibt. Was allein hat die Lichtenau gekriegt, um den Baseler Frieden zu hintertreiben! Andre müssen wohl mehr geboten haben. Diese Gesandten hier, die geheimen und die öffentlichen, ihre blintzenden Augen, ihre spitzen Ohren, ihre säuselnden Worte, ihre süßen Händedrücke! Nicht wahr, wunderhübsch, wenn wir immer jung blieben! Aber, mein theuerster Kammer¬ herr, ich fürchte, sie merken schon, daß unsre Wangen mit Karmin, unser Hals mit Bleiweiß geschminkt ist. Sie buhlen, um uns auszulachen, wenn sie unser satt sind, sie zahlen um, wenn wir hungrig sind und am Fenster winken, uns den Rücken zu drehen. O sie machen uns vielleicht noch eine Gegenrechnung! Aber wir-- wir leben fort, in dulci jubilo, taumeln von der Bowle zur Bowle, vom Liebeskuß zum Liebes¬ kuß, die Jalousien dicht vorm Fenster, daß wir den Tag nicht anbrechen sehen. Aber er wird anbrechen, Kam¬ merherr, er bricht an, sie werden uns herausreißen, wie jene Dirnen, halb nackt, mit hängenden Haaren, auf die Straße, in Regen und Wind, zum Gespött der Kinder."
folgen. Der Kammerherr hatte den Inſtinct, daß hinter dem wilden Scherz ein eben ſo wilder Ernſt lauerte. Er konnte herausbrechen, und er hatte nicht geirrt.
„Preußen iſt nicht Italien!“ ſagte er, um raſch abzubrechen.
„Warum nicht! Sie buhlen um uns, ſie zahlen Geld, ſchweres Geld um unſre Gunſt, Gott weiß wo es bleibt. Was allein hat die Lichtenau gekriegt, um den Baſeler Frieden zu hintertreiben! Andre müſſen wohl mehr geboten haben. Dieſe Geſandten hier, die geheimen und die öffentlichen, ihre blintzenden Augen, ihre ſpitzen Ohren, ihre ſäuſelnden Worte, ihre ſüßen Händedrücke! Nicht wahr, wunderhübſch, wenn wir immer jung blieben! Aber, mein theuerſter Kammer¬ herr, ich fürchte, ſie merken ſchon, daß unſre Wangen mit Karmin, unſer Hals mit Bleiweiß geſchminkt iſt. Sie buhlen, um uns auszulachen, wenn ſie unſer ſatt ſind, ſie zahlen um, wenn wir hungrig ſind und am Fenſter winken, uns den Rücken zu drehen. O ſie machen uns vielleicht noch eine Gegenrechnung! Aber wir— wir leben fort, in dulci jubilo, taumeln von der Bowle zur Bowle, vom Liebeskuß zum Liebes¬ kuß, die Jalouſien dicht vorm Fenſter, daß wir den Tag nicht anbrechen ſehen. Aber er wird anbrechen, Kam¬ merherr, er bricht an, ſie werden uns herausreißen, wie jene Dirnen, halb nackt, mit hängenden Haaren, auf die Straße, in Regen und Wind, zum Geſpött der Kinder.“
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folgen. Der Kammerherr hatte den Inſtinct, daß
hinter dem wilden Scherz ein eben ſo wilder Ernſt
lauerte. Er konnte herausbrechen, und er hatte
nicht geirrt.
„Preußen iſt nicht Italien!“ ſagte er, um raſch
abzubrechen.
„Warum nicht! Sie buhlen um uns, ſie zahlen
Geld, ſchweres Geld um unſre Gunſt, Gott weiß
wo es bleibt. Was allein hat die Lichtenau gekriegt, um
den Baſeler Frieden zu hintertreiben! Andre müſſen
wohl mehr geboten haben. Dieſe Geſandten hier, die
geheimen und die öffentlichen, ihre blintzenden Augen,
ihre ſpitzen Ohren, ihre ſäuſelnden Worte, ihre ſüßen
Händedrücke! Nicht wahr, wunderhübſch, wenn wir
immer jung blieben! Aber, mein theuerſter Kammer¬
herr, ich fürchte, ſie merken ſchon, daß unſre Wangen
mit Karmin, unſer Hals mit Bleiweiß geſchminkt iſt.
Sie buhlen, um uns auszulachen, wenn ſie unſer
ſatt ſind, ſie zahlen um, wenn wir hungrig ſind und
am Fenſter winken, uns den Rücken zu drehen. O
ſie machen uns vielleicht noch eine Gegenrechnung!
Aber wir— wir leben fort, in dulci jubilo, taumeln
von der Bowle zur Bowle, vom Liebeskuß zum Liebes¬
kuß, die Jalouſien dicht vorm Fenſter, daß wir den Tag
nicht anbrechen ſehen. Aber er wird anbrechen, Kam¬
merherr, er bricht an, ſie werden uns herausreißen,
wie jene Dirnen, halb nackt, mit hängenden Haaren,
auf die Straße, in Regen und Wind, zum Geſpött
der Kinder.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/345>, abgerufen am 24.11.2024.
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