Besuche zu empfangen. Entweder zeigte sich heut kein Bekannter, oder sie hielten sich entfernt. In einer Loge gegenüber, wo eine neu angekommene Schau¬ spielerin von Ruf saß, hörte das Klappen der Logen¬ thüre nicht auf. Ihr war diese Störung unangenehm, das Schauspiel fing an sie zu langweilen. Sie be¬ sann sich, daß sie zwar die Einladung zu einer Ge¬ sellschaft heut Abend nicht angenommen, aber auch nicht abgelehnt hatte. Sie hatte nur gesagt, sie fürchte einer Migraine wegen nicht erscheinen zu können. Sie hatte, oder wollte jetzt keine Migraine haben und verließ die Loge.
Der Bediente hielt schon im Corridor ihre En¬ veloppe bereit.
"Er zittert ja."
Sie hätte kaum nöthig gehabt sich nach dem Grund zu erkundigen, der Bediente war ja noch in denselben ganz durchnäßten Kleidern, in welchen er auf dem langen Doppelwege aufgestanden. Der zu¬ gigte Corridor hinter den Logen war nicht geeignet die Naßkälte zu vertreiben. Johann sagte, das Fieber sei noch immer nicht ganz fort. Die Geheimräthin erwiederte nicht unfreundlich, er müßte endlich etwas dazu thun.
Der Regen goß noch immer in Strömen, als sie wieder in die Kutsche stieg und Johann hinten auf. Der arme Mensch! dachte die Geheimräthin. Seltsam, daß es so sein muß! Es mußte so sein; über diesen Damm kam sie nicht hinweg, ja sie
Beſuche zu empfangen. Entweder zeigte ſich heut kein Bekannter, oder ſie hielten ſich entfernt. In einer Loge gegenüber, wo eine neu angekommene Schau¬ ſpielerin von Ruf ſaß, hörte das Klappen der Logen¬ thüre nicht auf. Ihr war dieſe Störung unangenehm, das Schauſpiel fing an ſie zu langweilen. Sie be¬ ſann ſich, daß ſie zwar die Einladung zu einer Ge¬ ſellſchaft heut Abend nicht angenommen, aber auch nicht abgelehnt hatte. Sie hatte nur geſagt, ſie fürchte einer Migraine wegen nicht erſcheinen zu können. Sie hatte, oder wollte jetzt keine Migraine haben und verließ die Loge.
Der Bediente hielt ſchon im Corridor ihre En¬ veloppe bereit.
„Er zittert ja.“
Sie hätte kaum nöthig gehabt ſich nach dem Grund zu erkundigen, der Bediente war ja noch in denſelben ganz durchnäßten Kleidern, in welchen er auf dem langen Doppelwege aufgeſtanden. Der zu¬ gigte Corridor hinter den Logen war nicht geeignet die Naßkälte zu vertreiben. Johann ſagte, das Fieber ſei noch immer nicht ganz fort. Die Geheimräthin erwiederte nicht unfreundlich, er müßte endlich etwas dazu thun.
Der Regen goß noch immer in Strömen, als ſie wieder in die Kutſche ſtieg und Johann hinten auf. Der arme Menſch! dachte die Geheimräthin. Seltſam, daß es ſo ſein muß! Es mußte ſo ſein; über dieſen Damm kam ſie nicht hinweg, ja ſie
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0051"n="37"/>
Beſuche zu empfangen. Entweder zeigte ſich heut kein<lb/>
Bekannter, oder ſie hielten ſich entfernt. In einer<lb/>
Loge gegenüber, wo eine neu angekommene Schau¬<lb/>ſpielerin von Ruf ſaß, hörte das Klappen der Logen¬<lb/>
thüre nicht auf. Ihr war dieſe Störung unangenehm,<lb/>
das Schauſpiel fing an ſie zu langweilen. Sie be¬<lb/>ſann ſich, daß ſie zwar die Einladung zu einer Ge¬<lb/>ſellſchaft heut Abend nicht angenommen, aber auch<lb/>
nicht abgelehnt hatte. Sie hatte nur geſagt, ſie<lb/>
fürchte einer Migraine wegen nicht erſcheinen zu<lb/>
können. Sie hatte, oder wollte jetzt keine Migraine<lb/>
haben und verließ die Loge.</p><lb/><p>Der Bediente hielt ſchon im Corridor ihre En¬<lb/>
veloppe bereit.</p><lb/><p>„Er zittert ja.“</p><lb/><p>Sie hätte kaum nöthig gehabt ſich nach dem<lb/>
Grund zu erkundigen, der Bediente war ja noch in<lb/>
denſelben ganz durchnäßten Kleidern, in <choice><sic>melchen</sic><corr>welchen</corr></choice> er<lb/>
auf dem langen Doppelwege aufgeſtanden. Der zu¬<lb/>
gigte Corridor hinter den Logen war nicht geeignet<lb/>
die Naßkälte zu vertreiben. Johann ſagte, das Fieber<lb/>ſei noch immer nicht ganz fort. Die Geheimräthin<lb/>
erwiederte nicht unfreundlich, er müßte endlich etwas<lb/>
dazu thun.</p><lb/><p>Der Regen goß noch immer in Strömen, als<lb/>ſie wieder in die Kutſche ſtieg und Johann hinten<lb/>
auf. Der arme Menſch! dachte die Geheimräthin.<lb/>
Seltſam, daß es ſo ſein muß! Es mußte ſo ſein;<lb/>
über dieſen Damm kam ſie nicht hinweg, ja ſie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[37/0051]
Beſuche zu empfangen. Entweder zeigte ſich heut kein
Bekannter, oder ſie hielten ſich entfernt. In einer
Loge gegenüber, wo eine neu angekommene Schau¬
ſpielerin von Ruf ſaß, hörte das Klappen der Logen¬
thüre nicht auf. Ihr war dieſe Störung unangenehm,
das Schauſpiel fing an ſie zu langweilen. Sie be¬
ſann ſich, daß ſie zwar die Einladung zu einer Ge¬
ſellſchaft heut Abend nicht angenommen, aber auch
nicht abgelehnt hatte. Sie hatte nur geſagt, ſie
fürchte einer Migraine wegen nicht erſcheinen zu
können. Sie hatte, oder wollte jetzt keine Migraine
haben und verließ die Loge.
Der Bediente hielt ſchon im Corridor ihre En¬
veloppe bereit.
„Er zittert ja.“
Sie hätte kaum nöthig gehabt ſich nach dem
Grund zu erkundigen, der Bediente war ja noch in
denſelben ganz durchnäßten Kleidern, in welchen er
auf dem langen Doppelwege aufgeſtanden. Der zu¬
gigte Corridor hinter den Logen war nicht geeignet
die Naßkälte zu vertreiben. Johann ſagte, das Fieber
ſei noch immer nicht ganz fort. Die Geheimräthin
erwiederte nicht unfreundlich, er müßte endlich etwas
dazu thun.
Der Regen goß noch immer in Strömen, als
ſie wieder in die Kutſche ſtieg und Johann hinten
auf. Der arme Menſch! dachte die Geheimräthin.
Seltſam, daß es ſo ſein muß! Es mußte ſo ſein;
über dieſen Damm kam ſie nicht hinweg, ja ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/51>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.