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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Besuche zu empfangen. Entweder zeigte sich heut kein
Bekannter, oder sie hielten sich entfernt. In einer
Loge gegenüber, wo eine neu angekommene Schau¬
spielerin von Ruf saß, hörte das Klappen der Logen¬
thüre nicht auf. Ihr war diese Störung unangenehm,
das Schauspiel fing an sie zu langweilen. Sie be¬
sann sich, daß sie zwar die Einladung zu einer Ge¬
sellschaft heut Abend nicht angenommen, aber auch
nicht abgelehnt hatte. Sie hatte nur gesagt, sie
fürchte einer Migraine wegen nicht erscheinen zu
können. Sie hatte, oder wollte jetzt keine Migraine
haben und verließ die Loge.

Der Bediente hielt schon im Corridor ihre En¬
veloppe bereit.

"Er zittert ja."

Sie hätte kaum nöthig gehabt sich nach dem
Grund zu erkundigen, der Bediente war ja noch in
denselben ganz durchnäßten Kleidern, in welchen er
auf dem langen Doppelwege aufgestanden. Der zu¬
gigte Corridor hinter den Logen war nicht geeignet
die Naßkälte zu vertreiben. Johann sagte, das Fieber
sei noch immer nicht ganz fort. Die Geheimräthin
erwiederte nicht unfreundlich, er müßte endlich etwas
dazu thun.

Der Regen goß noch immer in Strömen, als
sie wieder in die Kutsche stieg und Johann hinten
auf. Der arme Mensch! dachte die Geheimräthin.
Seltsam, daß es so sein muß! Es mußte so sein;
über diesen Damm kam sie nicht hinweg, ja sie

Beſuche zu empfangen. Entweder zeigte ſich heut kein
Bekannter, oder ſie hielten ſich entfernt. In einer
Loge gegenüber, wo eine neu angekommene Schau¬
ſpielerin von Ruf ſaß, hörte das Klappen der Logen¬
thüre nicht auf. Ihr war dieſe Störung unangenehm,
das Schauſpiel fing an ſie zu langweilen. Sie be¬
ſann ſich, daß ſie zwar die Einladung zu einer Ge¬
ſellſchaft heut Abend nicht angenommen, aber auch
nicht abgelehnt hatte. Sie hatte nur geſagt, ſie
fürchte einer Migraine wegen nicht erſcheinen zu
können. Sie hatte, oder wollte jetzt keine Migraine
haben und verließ die Loge.

Der Bediente hielt ſchon im Corridor ihre En¬
veloppe bereit.

„Er zittert ja.“

Sie hätte kaum nöthig gehabt ſich nach dem
Grund zu erkundigen, der Bediente war ja noch in
denſelben ganz durchnäßten Kleidern, in welchen er
auf dem langen Doppelwege aufgeſtanden. Der zu¬
gigte Corridor hinter den Logen war nicht geeignet
die Naßkälte zu vertreiben. Johann ſagte, das Fieber
ſei noch immer nicht ganz fort. Die Geheimräthin
erwiederte nicht unfreundlich, er müßte endlich etwas
dazu thun.

Der Regen goß noch immer in Strömen, als
ſie wieder in die Kutſche ſtieg und Johann hinten
auf. Der arme Menſch! dachte die Geheimräthin.
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[37/0051] Beſuche zu empfangen. Entweder zeigte ſich heut kein Bekannter, oder ſie hielten ſich entfernt. In einer Loge gegenüber, wo eine neu angekommene Schau¬ ſpielerin von Ruf ſaß, hörte das Klappen der Logen¬ thüre nicht auf. Ihr war dieſe Störung unangenehm, das Schauſpiel fing an ſie zu langweilen. Sie be¬ ſann ſich, daß ſie zwar die Einladung zu einer Ge¬ ſellſchaft heut Abend nicht angenommen, aber auch nicht abgelehnt hatte. Sie hatte nur geſagt, ſie fürchte einer Migraine wegen nicht erſcheinen zu können. Sie hatte, oder wollte jetzt keine Migraine haben und verließ die Loge. Der Bediente hielt ſchon im Corridor ihre En¬ veloppe bereit. „Er zittert ja.“ Sie hätte kaum nöthig gehabt ſich nach dem Grund zu erkundigen, der Bediente war ja noch in denſelben ganz durchnäßten Kleidern, in welchen er auf dem langen Doppelwege aufgeſtanden. Der zu¬ gigte Corridor hinter den Logen war nicht geeignet die Naßkälte zu vertreiben. Johann ſagte, das Fieber ſei noch immer nicht ganz fort. Die Geheimräthin erwiederte nicht unfreundlich, er müßte endlich etwas dazu thun. Der Regen goß noch immer in Strömen, als ſie wieder in die Kutſche ſtieg und Johann hinten auf. Der arme Menſch! dachte die Geheimräthin. Seltſam, daß es ſo ſein muß! Es mußte ſo ſein; über dieſen Damm kam ſie nicht hinweg, ja ſie

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/51>, abgerufen am 21.11.2024.