"Liebste Geheimräthin, Sie werden uns das nicht anthun. Ich führe Sie in die Schlafstube, ein halb Stündchen Ruhe, ich kenne ja Ihre Seelen¬ stärke, und Sie haben sich erholt, wenn Sie uns gut sind."
"Beste Geheimräthin, erwiederte die Lupinus, ich erkenne Ihre himmlische Güte, aber glauben Sie mir, die Luft erdrückt mich."
"Im Speisesaal ist sie ganz anders. Es ist ge¬ deckt. Wir warten nur auf den interessanten Fremden, den Legationsrath v. Wandel, Sie haben doch schon von ihm gehört, er ist sehr begütert in Thüringen. Mein Mann sagt, ein Mann von eminenten Gaben. Ich hatte es mir so hübsch vorgestellt, er sollte Sie zu Tisch führen. Wo konnte ich ihm eine geistreichere Nachbarin verschaffen. Er ist nur zu einer Audienz bei Prinz Louis Ferdinand plötzlich beschieden, aber er muß den Augenblick hier sein."
"Ich einen Mann von Geist unterhalten! Sie spotten meiner. Ach, aber es ist nicht das. -- Mein armer Mann -- er sitzt noch bei der Studirlampe -- ich sehe ihn wieder -- verzeihen Sie, theuerste Freun¬ din, es preßt mich, es sprengt mir die Brust -- ja mir ist, als wenn jetzt ein großes Unglück zu Hause geschähe. Nicht mir, meines guten Mannes wegen verzeihen Sie die Störung."
"Es ist recht schade, daß die Frau Geheimräthin an Visionen leidet, bemerkte die Hofräthin am Spieltisch, der man die Zufriedenheit ansah, daß die
„Liebſte Geheimräthin, Sie werden uns das nicht anthun. Ich führe Sie in die Schlafſtube, ein halb Stündchen Ruhe, ich kenne ja Ihre Seelen¬ ſtärke, und Sie haben ſich erholt, wenn Sie uns gut ſind.“
„Beſte Geheimräthin, erwiederte die Lupinus, ich erkenne Ihre himmliſche Güte, aber glauben Sie mir, die Luft erdrückt mich.“
„Im Speiſeſaal iſt ſie ganz anders. Es iſt ge¬ deckt. Wir warten nur auf den intereſſanten Fremden, den Legationsrath v. Wandel, Sie haben doch ſchon von ihm gehört, er iſt ſehr begütert in Thüringen. Mein Mann ſagt, ein Mann von eminenten Gaben. Ich hatte es mir ſo hübſch vorgeſtellt, er ſollte Sie zu Tiſch führen. Wo konnte ich ihm eine geiſtreichere Nachbarin verſchaffen. Er iſt nur zu einer Audienz bei Prinz Louis Ferdinand plötzlich beſchieden, aber er muß den Augenblick hier ſein.“
„Ich einen Mann von Geiſt unterhalten! Sie ſpotten meiner. Ach, aber es iſt nicht das. — Mein armer Mann — er ſitzt noch bei der Studirlampe — ich ſehe ihn wieder — verzeihen Sie, theuerſte Freun¬ din, es preßt mich, es ſprengt mir die Bruſt — ja mir iſt, als wenn jetzt ein großes Unglück zu Hauſe geſchähe. Nicht mir, meines guten Mannes wegen verzeihen Sie die Störung.“
„Es iſt recht ſchade, daß die Frau Geheimräthin an Viſionen leidet, bemerkte die Hofräthin am Spieltiſch, der man die Zufriedenheit anſah, daß die
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„Liebſte Geheimräthin, Sie werden uns das
nicht anthun. Ich führe Sie in die Schlafſtube,
ein halb Stündchen Ruhe, ich kenne ja Ihre Seelen¬
ſtärke, und Sie haben ſich erholt, wenn Sie uns
gut ſind.“
„Beſte Geheimräthin, erwiederte die Lupinus,
ich erkenne Ihre himmliſche Güte, aber glauben Sie
mir, die Luft erdrückt mich.“
„Im Speiſeſaal iſt ſie ganz anders. Es iſt ge¬
deckt. Wir warten nur auf den intereſſanten Fremden,
den Legationsrath v. Wandel, Sie haben doch ſchon
von ihm gehört, er iſt ſehr begütert in Thüringen.
Mein Mann ſagt, ein Mann von eminenten Gaben.
Ich hatte es mir ſo hübſch vorgeſtellt, er ſollte Sie
zu Tiſch führen. Wo konnte ich ihm eine geiſtreichere
Nachbarin verſchaffen. Er iſt nur zu einer Audienz
bei Prinz Louis Ferdinand plötzlich beſchieden, aber
er muß den Augenblick hier ſein.“
„Ich einen Mann von Geiſt unterhalten! Sie
ſpotten meiner. Ach, aber es iſt nicht das. — Mein
armer Mann — er ſitzt noch bei der Studirlampe —
ich ſehe ihn wieder — verzeihen Sie, theuerſte Freun¬
din, es preßt mich, es ſprengt mir die Bruſt — ja
mir iſt, als wenn jetzt ein großes Unglück zu Hauſe
geſchähe. Nicht mir, meines guten Mannes wegen
verzeihen Sie die Störung.“
„Es iſt recht ſchade, daß die Frau Geheimräthin
an Viſionen leidet, bemerkte die Hofräthin am
Spieltiſch, der man die Zufriedenheit anſah, daß die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/80>, abgerufen am 24.11.2024.
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