"Was ihm gewiß ungleich interessanter ist als die Situation unserer Festungen und Straßen zu erhalten."
"Unbedenklich," sagte der Gesandte, eine Prise nehmend, die verbergen sollte, daß er recht wohl be¬ merkte, wie der Rath umsonst dem Major einen Wink gab, sein Invectiven zu lassen. "Denn wenn es zum Kriege mit Preußen käme, was der Himmel verhüte und ich für unmöglich halte, so läßt der Kaiser, mein Herr, weder durch Terrain-Schwierigkeiten noch Festungen sich aufhalten. Der Continent liegt vor ihm wie eine Specialkarte, er hat die Risse aller Festungen und die Kataster Ihrer Zeughäuser. Er weiß, wo er die Elbe passiren muß, um nach Berlin zu marschiren, er kennt sogar die Straßen, durch die er einrücken würde; aber Ihre Parteien, das muß ich gestehen, kennt er nicht."
"Auch nicht, wo ein solcher Beobachter ihn davon in Kenntniß setzt?"
"Ma foi, ich kenne sie auch nicht. Denn Sie meinen doch nicht jene unruhigen Geister, die von der ehemaligen Herrlichkeit des Reiches deklamiren, von Arminius und Wittekind und -- Thusnelda und deutschem Adel, zuweilen von Freiheit, zuweilen von der Liebe zu den angestammten Herrscherhäusern, und die überall conspiriren möchten, im Namen der Religion und Tugend für ein Etwas, was nie gewesen ist! Verzeihen Sie, darüber berichte ich ihm wirklich nicht; er würde mich auslachen."
„Was ihm gewiß ungleich intereſſanter iſt als die Situation unſerer Feſtungen und Straßen zu erhalten.“
„Unbedenklich,“ ſagte der Geſandte, eine Priſe nehmend, die verbergen ſollte, daß er recht wohl be¬ merkte, wie der Rath umſonſt dem Major einen Wink gab, ſein Invectiven zu laſſen. „Denn wenn es zum Kriege mit Preußen käme, was der Himmel verhüte und ich für unmöglich halte, ſo läßt der Kaiſer, mein Herr, weder durch Terrain-Schwierigkeiten noch Feſtungen ſich aufhalten. Der Continent liegt vor ihm wie eine Specialkarte, er hat die Riſſe aller Feſtungen und die Kataſter Ihrer Zeughäuſer. Er weiß, wo er die Elbe paſſiren muß, um nach Berlin zu marſchiren, er kennt ſogar die Straßen, durch die er einrücken würde; aber Ihre Parteien, das muß ich geſtehen, kennt er nicht.“
„Auch nicht, wo ein ſolcher Beobachter ihn davon in Kenntniß ſetzt?“
„Ma foi, ich kenne ſie auch nicht. Denn Sie meinen doch nicht jene unruhigen Geiſter, die von der ehemaligen Herrlichkeit des Reiches deklamiren, von Arminius und Wittekind und — Thusnelda und deutſchem Adel, zuweilen von Freiheit, zuweilen von der Liebe zu den angeſtammten Herrſcherhäuſern, und die überall conſpiriren möchten, im Namen der Religion und Tugend für ein Etwas, was nie geweſen iſt! Verzeihen Sie, darüber berichte ich ihm wirklich nicht; er würde mich auslachen.“
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„Was ihm gewiß ungleich intereſſanter iſt als
die Situation unſerer Feſtungen und Straßen zu
erhalten.“
„Unbedenklich,“ ſagte der Geſandte, eine Priſe
nehmend, die verbergen ſollte, daß er recht wohl be¬
merkte, wie der Rath umſonſt dem Major einen Wink
gab, ſein Invectiven zu laſſen. „Denn wenn es zum
Kriege mit Preußen käme, was der Himmel verhüte
und ich für unmöglich halte, ſo läßt der Kaiſer, mein
Herr, weder durch Terrain-Schwierigkeiten noch
Feſtungen ſich aufhalten. Der Continent liegt vor
ihm wie eine Specialkarte, er hat die Riſſe aller
Feſtungen und die Kataſter Ihrer Zeughäuſer. Er
weiß, wo er die Elbe paſſiren muß, um nach Berlin
zu marſchiren, er kennt ſogar die Straßen, durch die
er einrücken würde; aber Ihre Parteien, das muß
ich geſtehen, kennt er nicht.“
„Auch nicht, wo ein ſolcher Beobachter ihn davon
in Kenntniß ſetzt?“
„Ma foi, ich kenne ſie auch nicht. Denn Sie
meinen doch nicht jene unruhigen Geiſter, die von
der ehemaligen Herrlichkeit des Reiches deklamiren,
von Arminius und Wittekind und — Thusnelda und
deutſchem Adel, zuweilen von Freiheit, zuweilen von der
Liebe zu den angeſtammten Herrſcherhäuſern, und die
überall conſpiriren möchten, im Namen der Religion
und Tugend für ein Etwas, was nie geweſen iſt!
Verzeihen Sie, darüber berichte ich ihm wirklich nicht;
er würde mich auslachen.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/111>, abgerufen am 23.11.2024.
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