ihm entgegen spritzte, sei Gift gewesen. Einem an¬ dern -- und er nannte sogar einen Kaiser-Namen -- habe man die Kerzen, die in seinem Zimmer brann¬ ten, mit Arsenik versetzt, und das aussprühende Licht habe allmälig den vergiftet, der nach der Meinung einer Hofpartei, die das Dunkel liebte, zu viel Licht geliebt hatte.
Die Geheimeräthin hatte aufmerksam zugehört: "Und doch wollen Sie sich mit dem Staube ver¬ tragen?"
Er hatte gelächelt: "Das sind Ausnahmen, meine Liebe, aus den Zeiten der Barbarei und Finsterniß. Feinde und Staub sind nur Produkte unruhiger Thätigkeit."
Dann wäre eigentlich das Beste, sein ganzes Leben lang schlafen! hatte seine Frau gedacht. Er aber hatte fortgefahren: "Wenn wir alles ruhen ließen, was liegt, wäre das Leben noch ein Mal so glücklich. Weil die Menschen alles besser machen wollen, rühren sie das auf, was die Vernunft und die Geschichte längst beseitigt hatte, und es kommt in neuer Form und Färbung zum Vorschein und quält uns auf's neue, was unsre Väter und Urgroßväter schon gequält hatte. Die Geschichte des Menschen¬ geschlechts, meine Theure, pflegte er lächelnd hinzu¬ zusetzen, ist in einem kleinen Buch geschrieben, wenn wir das immer und immer wieder läsen, kennt n wir alle seine Bestrebungen in das vetitum nefas, alle seine eitlen Hoffnungen und Thorheiten und die Lehre,
ihm entgegen ſpritzte, ſei Gift geweſen. Einem an¬ dern — und er nannte ſogar einen Kaiſer-Namen — habe man die Kerzen, die in ſeinem Zimmer brann¬ ten, mit Arſenik verſetzt, und das ausſprühende Licht habe allmälig den vergiftet, der nach der Meinung einer Hofpartei, die das Dunkel liebte, zu viel Licht geliebt hatte.
Die Geheimeräthin hatte aufmerkſam zugehört: „Und doch wollen Sie ſich mit dem Staube ver¬ tragen?“
Er hatte gelächelt: „Das ſind Ausnahmen, meine Liebe, aus den Zeiten der Barbarei und Finſterniß. Feinde und Staub ſind nur Produkte unruhiger Thätigkeit.“
Dann wäre eigentlich das Beſte, ſein ganzes Leben lang ſchlafen! hatte ſeine Frau gedacht. Er aber hatte fortgefahren: „Wenn wir alles ruhen ließen, was liegt, wäre das Leben noch ein Mal ſo glücklich. Weil die Menſchen alles beſſer machen wollen, rühren ſie das auf, was die Vernunft und die Geſchichte längſt beſeitigt hatte, und es kommt in neuer Form und Färbung zum Vorſchein und quält uns auf's neue, was unſre Väter und Urgroßväter ſchon gequält hatte. Die Geſchichte des Menſchen¬ geſchlechts, meine Theure, pflegte er lächelnd hinzu¬ zuſetzen, iſt in einem kleinen Buch geſchrieben, wenn wir das immer und immer wieder läſen, kennt n wir alle ſeine Beſtrebungen in das vetitum nefas, alle ſeine eitlen Hoffnungen und Thorheiten und die Lehre,
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ihm entgegen ſpritzte, ſei Gift geweſen. Einem an¬
dern — und er nannte ſogar einen Kaiſer-Namen —
habe man die Kerzen, die in ſeinem Zimmer brann¬
ten, mit Arſenik verſetzt, und das ausſprühende Licht
habe allmälig den vergiftet, der nach der Meinung
einer Hofpartei, die das Dunkel liebte, zu viel Licht
geliebt hatte.
Die Geheimeräthin hatte aufmerkſam zugehört:
„Und doch wollen Sie ſich mit dem Staube ver¬
tragen?“
Er hatte gelächelt: „Das ſind Ausnahmen, meine
Liebe, aus den Zeiten der Barbarei und Finſterniß.
Feinde und Staub ſind nur Produkte unruhiger
Thätigkeit.“
Dann wäre eigentlich das Beſte, ſein ganzes
Leben lang ſchlafen! hatte ſeine Frau gedacht. Er
aber hatte fortgefahren: „Wenn wir alles ruhen
ließen, was liegt, wäre das Leben noch ein Mal ſo
glücklich. Weil die Menſchen alles beſſer machen
wollen, rühren ſie das auf, was die Vernunft und
die Geſchichte längſt beſeitigt hatte, und es kommt in
neuer Form und Färbung zum Vorſchein und quält
uns auf's neue, was unſre Väter und Urgroßväter
ſchon gequält hatte. Die Geſchichte des Menſchen¬
geſchlechts, meine Theure, pflegte er lächelnd hinzu¬
zuſetzen, iſt in einem kleinen Buch geſchrieben, wenn
wir das immer und immer wieder läſen, kennt n wir
alle ſeine Beſtrebungen in das vetitum nefas, alle
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/14>, abgerufen am 03.12.2024.
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