Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.Adelheid sah sie groß an. Sie schien sagen zu "Weil Du jung und hübsch bist, antwortete die "Warum muß man denn gelten wollen!" Es "Ja warum lebt man! Der Philosoph fehlt Es entstand eine Pause. Die Salatnäpfe wur¬ "Kam das auch von Deinem Lehrer?" "Was, Mama?" "Daß man nicht soll gelten wollen! Herr van Adelheid ſah ſie groß an. Sie ſchien ſagen zu „Weil Du jung und hübſch biſt, antwortete die „Warum muß man denn gelten wollen!“ Es „Ja warum lebt man! Der Philoſoph fehlt Es entſtand eine Pauſe. Die Salatnäpfe wur¬ „Kam das auch von Deinem Lehrer?“ „Was, Mama?“ „Daß man nicht ſoll gelten wollen! Herr van <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="45"/> Adelheid ſah ſie groß an. Sie ſchien ſagen zu<lb/> wollen, ich ſchmeichle Niemand und lebe doch.</p><lb/> <p>„Weil Du jung und hübſch biſt, antwortete die<lb/> Geheimräthin auf den unausgeſprochenen Gedanken,<lb/> darum iſt man gegen Dich aufmerkſam. Wenn Du<lb/> nicht mehr jung und hübſch biſt, wirſt Du Dich<lb/> ſchminken müſſen. Es giebt mancherlei Schminke.<lb/> Je älter man wird, mein liebes Kind, um ſo mehr<lb/> Arbeit hat der Menſch, denn um ſo mehr muß man<lb/> die Schwächen der andern ſtudiren, um vor ihnen zu<lb/> gelten.“</p><lb/> <p>„Warum muß man denn gelten wollen!“ Es<lb/> entfuhr ihren Lippen; ſie wußte ſich kaum den Sinn<lb/> der Worte zu ſagen, und hätte ſie gern wieder ver¬<lb/> ſchluckt, als die Pflegemutter ſie anſchielte.</p><lb/> <p>„Ja warum lebt man! Der Philoſoph fehlt<lb/> noch, der uns die Frage beantwortet.“</p><lb/> <p>Es entſtand eine Pauſe. Die Salatnäpfe wur¬<lb/> den vom Dienſtmädchen fortgeſchafft, die Geheimräthin<lb/> brachte die Tafel wieder in Ordnung, putzte die<lb/> Möbel und richtete oder vertauſchte die Kupferſtiche<lb/> an der Wand. Adelheid war emſig über eine weib¬<lb/> liche Arbeit gebeugt, es ſchien um ihr Geſicht zu<lb/> verbergen. Vielleicht hatte der ſcharfe Ton der<lb/> Pflegemutter ſie verwundet. Es klang davon noch<lb/> etwas in der kurzen Frage wieder:</p><lb/> <p>„Kam das auch von Deinem Lehrer?“</p><lb/> <p>„Was, Mama?“</p><lb/> <p>„Daß man nicht ſoll gelten wollen! Herr van<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0055]
Adelheid ſah ſie groß an. Sie ſchien ſagen zu
wollen, ich ſchmeichle Niemand und lebe doch.
„Weil Du jung und hübſch biſt, antwortete die
Geheimräthin auf den unausgeſprochenen Gedanken,
darum iſt man gegen Dich aufmerkſam. Wenn Du
nicht mehr jung und hübſch biſt, wirſt Du Dich
ſchminken müſſen. Es giebt mancherlei Schminke.
Je älter man wird, mein liebes Kind, um ſo mehr
Arbeit hat der Menſch, denn um ſo mehr muß man
die Schwächen der andern ſtudiren, um vor ihnen zu
gelten.“
„Warum muß man denn gelten wollen!“ Es
entfuhr ihren Lippen; ſie wußte ſich kaum den Sinn
der Worte zu ſagen, und hätte ſie gern wieder ver¬
ſchluckt, als die Pflegemutter ſie anſchielte.
„Ja warum lebt man! Der Philoſoph fehlt
noch, der uns die Frage beantwortet.“
Es entſtand eine Pauſe. Die Salatnäpfe wur¬
den vom Dienſtmädchen fortgeſchafft, die Geheimräthin
brachte die Tafel wieder in Ordnung, putzte die
Möbel und richtete oder vertauſchte die Kupferſtiche
an der Wand. Adelheid war emſig über eine weib¬
liche Arbeit gebeugt, es ſchien um ihr Geſicht zu
verbergen. Vielleicht hatte der ſcharfe Ton der
Pflegemutter ſie verwundet. Es klang davon noch
etwas in der kurzen Frage wieder:
„Kam das auch von Deinem Lehrer?“
„Was, Mama?“
„Daß man nicht ſoll gelten wollen! Herr van
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