Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.Asten ist ein Philosoph, der sich die Welt construirt, "Er selbst will gewiß nicht mehr scheinen als "Sprich es nur aus, was Du verschluckst, Du Adelheid sah sie groß an: "Dann wäre er ja "Nicht schlimmer als andere. Ja er thäte ge¬ "Er brauchte es gewiß nicht," sagte Adelheid. "Da hast Du gewissermaßen wieder Recht. Er Aſten iſt ein Philoſoph, der ſich die Welt conſtruirt, „Er ſelbſt will gewiß nicht mehr ſcheinen als „Sprich es nur aus, was Du verſchluckſt, Du Adelheid ſah ſie groß an: „Dann wäre er ja „Nicht ſchlimmer als andere. Ja er thäte ge¬ „Er brauchte es gewiß nicht,“ ſagte Adelheid. „Da haſt Du gewiſſermaßen wieder Recht. Er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="46"/> Aſten iſt ein Philoſoph, der ſich die Welt conſtruirt,<lb/> wie ein Dichter ſie anſieht. Nicht wahr, hat er Dir<lb/> nicht geſagt, jeder Menſch ſoll gar nicht ſcheinen wol¬<lb/> len, ſondern nur ſein was er iſt? Das klingt hübſch,<lb/> aber die Menſchen ſähen ſehr häßlich aus, wenn ſie<lb/> nichts thäten, um ſich zu verſchönern. Davon,<lb/> mein Kind, macht keiner eine Ausnahme.“</p><lb/> <p>„Er ſelbſt will gewiß nicht mehr ſcheinen als<lb/> er iſt — “</p><lb/> <p>„Sprich es nur aus, was Du verſchluckſt, Du<lb/> meinſt, er wäre ſogar noch beſſer als er ſcheinen will.<lb/> Nicht wahr, denkſt Du es nicht bisweilen, wenn er<lb/> in einer begeiſterten Rede plötzlich inne hält, als<lb/> wolle er etwas nicht ſagen aus Beſcheidenheit, wenn<lb/> er die Augen abwendet, raſch auf ein anderes Thema<lb/> übergeht! — Und wenn er nun damit nichts wollte,<lb/> als daß Du glauben ſollteſt, er wäre und wiſſe noch<lb/> weit mehr, als Du denkſt?“</p><lb/> <p>Adelheid ſah ſie groß an: „Dann wäre er ja<lb/> ein abſcheulicher Menſch!“</p><lb/> <p>„Nicht ſchlimmer als andere. Ja er thäte ge¬<lb/> wiſſermaaßen nur ſeine Pflicht. Ein Arzt, ein Pre¬<lb/> diger und Lehrer, wenn ſie wirken ſollen, <hi rendition="#g">müſſen</hi><lb/> einen Glauben an ihre Vortrefflichkeit um ſich ver¬<lb/> breiten, damit ihre Patienten und Schüler an ſie<lb/> glauben.“</p><lb/> <p>„Er brauchte es gewiß nicht,“ ſagte Adelheid.</p><lb/> <p>„Da haſt Du gewiſſermaßen wieder Recht. Er<lb/> war ein guter Lateiner, wie mein Mann ſagt, er hätte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [46/0056]
Aſten iſt ein Philoſoph, der ſich die Welt conſtruirt,
wie ein Dichter ſie anſieht. Nicht wahr, hat er Dir
nicht geſagt, jeder Menſch ſoll gar nicht ſcheinen wol¬
len, ſondern nur ſein was er iſt? Das klingt hübſch,
aber die Menſchen ſähen ſehr häßlich aus, wenn ſie
nichts thäten, um ſich zu verſchönern. Davon,
mein Kind, macht keiner eine Ausnahme.“
„Er ſelbſt will gewiß nicht mehr ſcheinen als
er iſt — “
„Sprich es nur aus, was Du verſchluckſt, Du
meinſt, er wäre ſogar noch beſſer als er ſcheinen will.
Nicht wahr, denkſt Du es nicht bisweilen, wenn er
in einer begeiſterten Rede plötzlich inne hält, als
wolle er etwas nicht ſagen aus Beſcheidenheit, wenn
er die Augen abwendet, raſch auf ein anderes Thema
übergeht! — Und wenn er nun damit nichts wollte,
als daß Du glauben ſollteſt, er wäre und wiſſe noch
weit mehr, als Du denkſt?“
Adelheid ſah ſie groß an: „Dann wäre er ja
ein abſcheulicher Menſch!“
„Nicht ſchlimmer als andere. Ja er thäte ge¬
wiſſermaaßen nur ſeine Pflicht. Ein Arzt, ein Pre¬
diger und Lehrer, wenn ſie wirken ſollen, müſſen
einen Glauben an ihre Vortrefflichkeit um ſich ver¬
breiten, damit ihre Patienten und Schüler an ſie
glauben.“
„Er brauchte es gewiß nicht,“ ſagte Adelheid.
„Da haſt Du gewiſſermaßen wieder Recht. Er
war ein guter Lateiner, wie mein Mann ſagt, er hätte
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