nur einen gewissen Classiker zu ediren brauchen, und eine Anstellung und Anerkennung hätte ihm nicht gefehlt. Aber man sagt, das gilt jetzt nicht mehr viel. Da wandte er sich den jüngern Geistern zu, die aus der Natur, veralteten Poeten und der Mystik, Gott weiß, welche Schätze zu graben vermeinten. Abgestandene Aufklärung nannten diese jungen Genies die Werke, durch welche jene Männer, die vor ihnen berühmt waren, ihren Ruhm gewonnen. Auf dem Wege war kein Platz mehr für sie zur Geltung zu kommen. Van Asten wollte auch Dichter sein."
"Das hat er wieder aufgegeben, liebe Mutter. Er sagte mir, wer fühlt, daß seine Begabung für die Poesie nicht ausreicht, soll davon bei Zeiten ab¬ stehen."
"Sehr vernünftig. Von der ganzen jungen Schule hat noch kein einziger eine Anstellung erhal¬ ten. Herr Iffland will auch ihre Theaterstücke nicht zur Aufführung bringen. Es hat einen glänzenden Schein, mein Kind, aber es gilt nicht. Darum hat Dein Herr van Asten sich auch wieder auf anderes geworfen. Er will ein selbstständiger Mann, ein Character sein. Er hat sich von seinem Vater ge¬ trennt, der ein angesehener reicher Mann ist, und will sich selbst sein Fortkommen verschaffen. Wenn es ihm gelingt, hat er recht. Das ist die Aufgabe des Genius, aus sich heraus seine Welt sich zu er¬ schaffen. Sein Anfang ist recht hübsch. Er tritt nicht auf wie ein junger Candidat, der mit gekrümm¬
nur einen gewiſſen Claſſiker zu ediren brauchen, und eine Anſtellung und Anerkennung hätte ihm nicht gefehlt. Aber man ſagt, das gilt jetzt nicht mehr viel. Da wandte er ſich den jüngern Geiſtern zu, die aus der Natur, veralteten Poeten und der Myſtik, Gott weiß, welche Schätze zu graben vermeinten. Abgeſtandene Aufklärung nannten dieſe jungen Genies die Werke, durch welche jene Männer, die vor ihnen berühmt waren, ihren Ruhm gewonnen. Auf dem Wege war kein Platz mehr für ſie zur Geltung zu kommen. Van Aſten wollte auch Dichter ſein.“
„Das hat er wieder aufgegeben, liebe Mutter. Er ſagte mir, wer fühlt, daß ſeine Begabung für die Poeſie nicht ausreicht, ſoll davon bei Zeiten ab¬ ſtehen.“
„Sehr vernünftig. Von der ganzen jungen Schule hat noch kein einziger eine Anſtellung erhal¬ ten. Herr Iffland will auch ihre Theaterſtücke nicht zur Aufführung bringen. Es hat einen glänzenden Schein, mein Kind, aber es gilt nicht. Darum hat Dein Herr van Aſten ſich auch wieder auf anderes geworfen. Er will ein ſelbſtſtändiger Mann, ein Character ſein. Er hat ſich von ſeinem Vater ge¬ trennt, der ein angeſehener reicher Mann iſt, und will ſich ſelbſt ſein Fortkommen verſchaffen. Wenn es ihm gelingt, hat er recht. Das iſt die Aufgabe des Genius, aus ſich heraus ſeine Welt ſich zu er¬ ſchaffen. Sein Anfang iſt recht hübſch. Er tritt nicht auf wie ein junger Candidat, der mit gekrümm¬
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nur einen gewiſſen Claſſiker zu ediren brauchen, und
eine Anſtellung und Anerkennung hätte ihm nicht
gefehlt. Aber man ſagt, das gilt jetzt nicht mehr
viel. Da wandte er ſich den jüngern Geiſtern zu,
die aus der Natur, veralteten Poeten und der Myſtik,
Gott weiß, welche Schätze zu graben vermeinten.
Abgeſtandene Aufklärung nannten dieſe jungen Genies
die Werke, durch welche jene Männer, die vor ihnen
berühmt waren, ihren Ruhm gewonnen. Auf dem
Wege war kein Platz mehr für ſie zur Geltung zu
kommen. Van Aſten wollte auch Dichter ſein.“
„Das hat er wieder aufgegeben, liebe Mutter.
Er ſagte mir, wer fühlt, daß ſeine Begabung für
die Poeſie nicht ausreicht, ſoll davon bei Zeiten ab¬
ſtehen.“
„Sehr vernünftig. Von der ganzen jungen
Schule hat noch kein einziger eine Anſtellung erhal¬
ten. Herr Iffland will auch ihre Theaterſtücke nicht
zur Aufführung bringen. Es hat einen glänzenden
Schein, mein Kind, aber es gilt nicht. Darum hat
Dein Herr van Aſten ſich auch wieder auf anderes
geworfen. Er will ein ſelbſtſtändiger Mann, ein
Character ſein. Er hat ſich von ſeinem Vater ge¬
trennt, der ein angeſehener reicher Mann iſt, und
will ſich ſelbſt ſein Fortkommen verſchaffen. Wenn
es ihm gelingt, hat er recht. Das iſt die Aufgabe
des Genius, aus ſich heraus ſeine Welt ſich zu er¬
ſchaffen. Sein Anfang iſt recht hübſch. Er tritt
nicht auf wie ein junger Candidat, der mit gekrümm¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/57>, abgerufen am 23.11.2024.
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