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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Ihr laßt Haugwitz mit dem Erzherzog Anton ver¬
handeln, damit er von der wichtigern Unterhandlung
mit Alexander abgezogen wird. Hardenberg laßt
Ihr einer reisenden Schauspielerin mit Extrapost
nachstiegen, daß er noch nicht nach Potsdam zurück
ist; Prinz Louis zu einer opportunen Zeit dem König in
den Weg treten, daß er aufgebracht werden mußte.
Stein, Gott weiß, wo Ihr den in den Winkel ge¬
stellt habt. Kurz, ich durchschaue alle Eure Ränke,
und im wichtigsten Moment seines Lebens, wo er Rath
haben muß, ist es Euch gelungen, ihn mit Nullen
und Pagoden zu umstellen."

Die Fürstin hatte recht, wenn sie heut in des
Geheimrathes Bovillard Physiognomie etwas Unna¬
türliches fand, nämlich die Ehrlichkeit. Wie er jetzt,
aufrecht stehend, sie groß ansah, die Hand an der
Brust, hätte der gewiegteste Psycholog geschworen, er
meine es aufrichtig:

"Erlauchte Prinzessin, die Flüsse spielen um den
Berg, aber, wenn der Berg den Einfall bekommt
einzustürzen, ist ihr Spiel aus. Einem Selbstherr¬
scher aller Reussen gegenüber, der den Einfall be¬
kommt, uns mit seinem höchst eigenen Besuch zu
überraschen, hört unser Spiel auf. Der Gewalt
weicht die Kunst. Jetzt spielen höhere Mächte und
wir fügen uns als Stoiker in das Unabänder¬
liche."

Es entstand eine Pause. Die Fürstin hatte ihre
Promenade noch nicht beendet:

III. 7

Ihr laßt Haugwitz mit dem Erzherzog Anton ver¬
handeln, damit er von der wichtigern Unterhandlung
mit Alexander abgezogen wird. Hardenberg laßt
Ihr einer reiſenden Schauſpielerin mit Extrapoſt
nachſtiegen, daß er noch nicht nach Potsdam zurück
iſt; Prinz Louis zu einer opportunen Zeit dem König in
den Weg treten, daß er aufgebracht werden mußte.
Stein, Gott weiß, wo Ihr den in den Winkel ge¬
ſtellt habt. Kurz, ich durchſchaue alle Eure Ränke,
und im wichtigſten Moment ſeines Lebens, wo er Rath
haben muß, iſt es Euch gelungen, ihn mit Nullen
und Pagoden zu umſtellen.“

Die Fürſtin hatte recht, wenn ſie heut in des
Geheimrathes Bovillard Phyſiognomie etwas Unna¬
türliches fand, nämlich die Ehrlichkeit. Wie er jetzt,
aufrecht ſtehend, ſie groß anſah, die Hand an der
Bruſt, hätte der gewiegteſte Pſycholog geſchworen, er
meine es aufrichtig:

„Erlauchte Prinzeſſin, die Flüſſe ſpielen um den
Berg, aber, wenn der Berg den Einfall bekommt
einzuſtürzen, iſt ihr Spiel aus. Einem Selbſtherr¬
ſcher aller Reuſſen gegenüber, der den Einfall be¬
kommt, uns mit ſeinem höchſt eigenen Beſuch zu
überraſchen, hört unſer Spiel auf. Der Gewalt
weicht die Kunſt. Jetzt ſpielen höhere Mächte und
wir fügen uns als Stoiker in das Unabänder¬
liche.“

Es entſtand eine Pauſe. Die Fürſtin hatte ihre
Promenade noch nicht beendet:

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[97/0107] Ihr laßt Haugwitz mit dem Erzherzog Anton ver¬ handeln, damit er von der wichtigern Unterhandlung mit Alexander abgezogen wird. Hardenberg laßt Ihr einer reiſenden Schauſpielerin mit Extrapoſt nachſtiegen, daß er noch nicht nach Potsdam zurück iſt; Prinz Louis zu einer opportunen Zeit dem König in den Weg treten, daß er aufgebracht werden mußte. Stein, Gott weiß, wo Ihr den in den Winkel ge¬ ſtellt habt. Kurz, ich durchſchaue alle Eure Ränke, und im wichtigſten Moment ſeines Lebens, wo er Rath haben muß, iſt es Euch gelungen, ihn mit Nullen und Pagoden zu umſtellen.“ Die Fürſtin hatte recht, wenn ſie heut in des Geheimrathes Bovillard Phyſiognomie etwas Unna¬ türliches fand, nämlich die Ehrlichkeit. Wie er jetzt, aufrecht ſtehend, ſie groß anſah, die Hand an der Bruſt, hätte der gewiegteſte Pſycholog geſchworen, er meine es aufrichtig: „Erlauchte Prinzeſſin, die Flüſſe ſpielen um den Berg, aber, wenn der Berg den Einfall bekommt einzuſtürzen, iſt ihr Spiel aus. Einem Selbſtherr¬ ſcher aller Reuſſen gegenüber, der den Einfall be¬ kommt, uns mit ſeinem höchſt eigenen Beſuch zu überraſchen, hört unſer Spiel auf. Der Gewalt weicht die Kunſt. Jetzt ſpielen höhere Mächte und wir fügen uns als Stoiker in das Unabänder¬ liche.“ Es entſtand eine Pauſe. Die Fürſtin hatte ihre Promenade noch nicht beendet: III. 7

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/107>, abgerufen am 21.11.2024.