Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Nachgethan hat es ihm Mancher. Aber wie!
Daß Gott erbarm! Sollte er die als seinesglei¬
chen in die Arme schließen! Als er aus dem
Nichts heraus arbeitete, bei seinem Schöpfungswerke,
wer hat ihm da von allen seinen Landeskindern ge¬
holfen!"

"Und was davon ist denn noch!" sagte Walter
und senkte den Kopf.

"Es muß doch schon noch etwas sein, entgegnete
mit sarkastischem Tone der alte Militair. Denn um
der Hunde willen, die unter uns liegen, sind Sie
doch nicht hier? Auch kommen darum nicht die vielen
Tausende Fremder, die des Jahres die Terrasse be¬
sehen wollen. Drinnen, da hinter den Glasfenstern,
ists leer, der Staub wirbelt im Sonnenschein und
die Motten nisten in den Polstern. Warum läßt
man sie darin? Warum ist denn noch Niemand in
dies Haus gezogen, nachdem er es verlassen? 's ist
ja so luftig und hübsch. So meinen sie doch wohl,
daß drinnen noch etwas ist, davor sie Respect haben,
und gehn ihm fein aus dem Wege."

"Vielleicht die Furcht vor dem Gespenst mit dem
Krückenstock," warf Walter hin.

"Kann wohl sein, nickte der Major und wies
nach Potsdam hinunter. Warum kämen sie sonst
aus Petersburg und Paris her, und legten ihr Ohr
an die Thüren? Selbst der mächtige Kaiser! Warum
ständen die gesattelten Courierpferde in den Ställen,
um das Ja oder Nein nach Wien und London zu

„Nachgethan hat es ihm Mancher. Aber wie!
Daß Gott erbarm! Sollte er die als ſeinesglei¬
chen in die Arme ſchließen! Als er aus dem
Nichts heraus arbeitete, bei ſeinem Schöpfungswerke,
wer hat ihm da von allen ſeinen Landeskindern ge¬
holfen!“

„Und was davon iſt denn noch!“ ſagte Walter
und ſenkte den Kopf.

„Es muß doch ſchon noch etwas ſein, entgegnete
mit ſarkaſtiſchem Tone der alte Militair. Denn um
der Hunde willen, die unter uns liegen, ſind Sie
doch nicht hier? Auch kommen darum nicht die vielen
Tauſende Fremder, die des Jahres die Terraſſe be¬
ſehen wollen. Drinnen, da hinter den Glasfenſtern,
iſts leer, der Staub wirbelt im Sonnenſchein und
die Motten niſten in den Polſtern. Warum läßt
man ſie darin? Warum iſt denn noch Niemand in
dies Haus gezogen, nachdem er es verlaſſen? 's iſt
ja ſo luftig und hübſch. So meinen ſie doch wohl,
daß drinnen noch etwas iſt, davor ſie Reſpect haben,
und gehn ihm fein aus dem Wege.“

„Vielleicht die Furcht vor dem Geſpenſt mit dem
Krückenſtock,“ warf Walter hin.

„Kann wohl ſein, nickte der Major und wies
nach Potsdam hinunter. Warum kämen ſie ſonſt
aus Petersburg und Paris her, und legten ihr Ohr
an die Thüren? Selbſt der mächtige Kaiſer! Warum
ſtänden die geſattelten Courierpferde in den Ställen,
um das Ja oder Nein nach Wien und London zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0137" n="127"/>
        <p>&#x201E;Nachgethan hat es ihm Mancher. Aber wie!<lb/>
Daß Gott erbarm! Sollte er die als &#x017F;einesglei¬<lb/>
chen in die Arme &#x017F;chließen! Als er aus dem<lb/>
Nichts heraus arbeitete, bei &#x017F;einem Schöpfungswerke,<lb/>
wer hat ihm da von allen &#x017F;einen Landeskindern ge¬<lb/>
holfen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und was davon i&#x017F;t denn noch!&#x201C; &#x017F;agte Walter<lb/>
und &#x017F;enkte den Kopf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es muß doch &#x017F;chon noch etwas &#x017F;ein, entgegnete<lb/>
mit &#x017F;arka&#x017F;ti&#x017F;chem Tone der alte Militair. Denn um<lb/>
der Hunde willen, die unter uns liegen, &#x017F;ind Sie<lb/>
doch nicht hier? Auch kommen darum nicht die vielen<lb/>
Tau&#x017F;ende Fremder, die des Jahres die Terra&#x017F;&#x017F;e be¬<lb/>
&#x017F;ehen wollen. Drinnen, da hinter den Glasfen&#x017F;tern,<lb/>
i&#x017F;ts leer, der Staub wirbelt im Sonnen&#x017F;chein und<lb/>
die Motten ni&#x017F;ten in den Pol&#x017F;tern. Warum läßt<lb/>
man &#x017F;ie darin? Warum i&#x017F;t denn noch Niemand in<lb/>
dies Haus gezogen, nachdem er es verla&#x017F;&#x017F;en? 's i&#x017F;t<lb/>
ja &#x017F;o luftig und hüb&#x017F;ch. So meinen &#x017F;ie doch wohl,<lb/>
daß drinnen noch etwas i&#x017F;t, davor &#x017F;ie Re&#x017F;pect haben,<lb/>
und gehn ihm fein aus dem Wege.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vielleicht die Furcht vor dem Ge&#x017F;pen&#x017F;t mit dem<lb/>
Krücken&#x017F;tock,&#x201C; warf Walter hin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kann wohl &#x017F;ein, nickte der Major und wies<lb/>
nach Potsdam hinunter. Warum kämen &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
aus Petersburg und Paris her, und legten ihr Ohr<lb/>
an die Thüren? Selb&#x017F;t der mächtige Kai&#x017F;er! Warum<lb/>
&#x017F;tänden die ge&#x017F;attelten Courierpferde in den Ställen,<lb/>
um das Ja oder Nein nach Wien und London zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0137] „Nachgethan hat es ihm Mancher. Aber wie! Daß Gott erbarm! Sollte er die als ſeinesglei¬ chen in die Arme ſchließen! Als er aus dem Nichts heraus arbeitete, bei ſeinem Schöpfungswerke, wer hat ihm da von allen ſeinen Landeskindern ge¬ holfen!“ „Und was davon iſt denn noch!“ ſagte Walter und ſenkte den Kopf. „Es muß doch ſchon noch etwas ſein, entgegnete mit ſarkaſtiſchem Tone der alte Militair. Denn um der Hunde willen, die unter uns liegen, ſind Sie doch nicht hier? Auch kommen darum nicht die vielen Tauſende Fremder, die des Jahres die Terraſſe be¬ ſehen wollen. Drinnen, da hinter den Glasfenſtern, iſts leer, der Staub wirbelt im Sonnenſchein und die Motten niſten in den Polſtern. Warum läßt man ſie darin? Warum iſt denn noch Niemand in dies Haus gezogen, nachdem er es verlaſſen? 's iſt ja ſo luftig und hübſch. So meinen ſie doch wohl, daß drinnen noch etwas iſt, davor ſie Reſpect haben, und gehn ihm fein aus dem Wege.“ „Vielleicht die Furcht vor dem Geſpenſt mit dem Krückenſtock,“ warf Walter hin. „Kann wohl ſein, nickte der Major und wies nach Potsdam hinunter. Warum kämen ſie ſonſt aus Petersburg und Paris her, und legten ihr Ohr an die Thüren? Selbſt der mächtige Kaiſer! Warum ſtänden die geſattelten Courierpferde in den Ställen, um das Ja oder Nein nach Wien und London zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/137
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/137>, abgerufen am 21.11.2024.