heißer Strom, vorbrechen wollten, gerannen durch die Eiskälte der Rede zu Eis: "Sie haben mir erklärt, warum die Bande, welche Sie an mich fesseln, von Ihnen nicht gelöst werden können, Frau Geheimräthin; aber warum ich sie nicht lösen darf, wenn ich weiß, daß meine Gegenwart für Sie eine störende ist --"
"Das habe ich Dir allerdings nicht gesagt, fiel die Lupinus ein, weil ich es nicht für nöthig hielt. Die Sache ist so einfach. Kann man Liebe erzwin¬ gen? Du liebst mich nicht, und hast mich nie geliebt. Das glänzende Leben in meinem Hause ist Dir nicht mehr neu, oder nicht mehr glänzend; es zieht Dich nicht mehr an. Die Huldigungen, die Du empfängst, würden Dir auch sonst wo nicht entgehen. Hättest Du Dich klug von Anfang an benommen, so wäre Deine Stellung jetzt gesichert, vielleicht eine so glän¬ zende, daß Du auf die mit stillem Mitleid herabsehen könntest, die Du noch jetzt so gütig bist Deine Wohl¬ thäterin zu nennen. Dein übler Stern hat es anders gewollt. Du folgtest einer sentimentalen Regung, und aus einem Gefühl, das Du Dankbarkeit nennst, gabst Du Dich dem Manne zu eigen, an den Dich eine doppelte Täuschung knüpft. Du glaubst ihm Deine geistige Ausbildung zu verdanken, und Du glaubst ihn zu lieben. Mein Kind, wer der Dank¬ barkeit huldigt, ist schon verloren; die Undankbaren sind die glücklichsten, weil sie die freiesten sind. Gutes thun ist nichts als eine Berechnung; die Einen thun es, um einst im Himmel belohnt zu werden, die
heißer Strom, vorbrechen wollten, gerannen durch die Eiskälte der Rede zu Eis: „Sie haben mir erklärt, warum die Bande, welche Sie an mich feſſeln, von Ihnen nicht gelöſt werden können, Frau Geheimräthin; aber warum ich ſie nicht löſen darf, wenn ich weiß, daß meine Gegenwart für Sie eine ſtörende iſt —“
„Das habe ich Dir allerdings nicht geſagt, fiel die Lupinus ein, weil ich es nicht für nöthig hielt. Die Sache iſt ſo einfach. Kann man Liebe erzwin¬ gen? Du liebſt mich nicht, und haſt mich nie geliebt. Das glänzende Leben in meinem Hauſe iſt Dir nicht mehr neu, oder nicht mehr glänzend; es zieht Dich nicht mehr an. Die Huldigungen, die Du empfängſt, würden Dir auch ſonſt wo nicht entgehen. Hätteſt Du Dich klug von Anfang an benommen, ſo wäre Deine Stellung jetzt geſichert, vielleicht eine ſo glän¬ zende, daß Du auf die mit ſtillem Mitleid herabſehen könnteſt, die Du noch jetzt ſo gütig biſt Deine Wohl¬ thäterin zu nennen. Dein übler Stern hat es anders gewollt. Du folgteſt einer ſentimentalen Regung, und aus einem Gefühl, das Du Dankbarkeit nennſt, gabſt Du Dich dem Manne zu eigen, an den Dich eine doppelte Täuſchung knüpft. Du glaubſt ihm Deine geiſtige Ausbildung zu verdanken, und Du glaubſt ihn zu lieben. Mein Kind, wer der Dank¬ barkeit huldigt, iſt ſchon verloren; die Undankbaren ſind die glücklichſten, weil ſie die freieſten ſind. Gutes thun iſt nichts als eine Berechnung; die Einen thun es, um einſt im Himmel belohnt zu werden, die
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heißer Strom, vorbrechen wollten, gerannen durch die
Eiskälte der Rede zu Eis: „Sie haben mir erklärt,
warum die Bande, welche Sie an mich feſſeln, von
Ihnen nicht gelöſt werden können, Frau Geheimräthin;
aber warum ich ſie nicht löſen darf, wenn ich weiß,
daß meine Gegenwart für Sie eine ſtörende iſt —“
„Das habe ich Dir allerdings nicht geſagt, fiel
die Lupinus ein, weil ich es nicht für nöthig hielt.
Die Sache iſt ſo einfach. Kann man Liebe erzwin¬
gen? Du liebſt mich nicht, und haſt mich nie geliebt.
Das glänzende Leben in meinem Hauſe iſt Dir nicht
mehr neu, oder nicht mehr glänzend; es zieht Dich
nicht mehr an. Die Huldigungen, die Du empfängſt,
würden Dir auch ſonſt wo nicht entgehen. Hätteſt
Du Dich klug von Anfang an benommen, ſo wäre
Deine Stellung jetzt geſichert, vielleicht eine ſo glän¬
zende, daß Du auf die mit ſtillem Mitleid herabſehen
könnteſt, die Du noch jetzt ſo gütig biſt Deine Wohl¬
thäterin zu nennen. Dein übler Stern hat es anders
gewollt. Du folgteſt einer ſentimentalen Regung,
und aus einem Gefühl, das Du Dankbarkeit nennſt,
gabſt Du Dich dem Manne zu eigen, an den Dich
eine doppelte Täuſchung knüpft. Du glaubſt ihm
Deine geiſtige Ausbildung zu verdanken, und Du
glaubſt ihn zu lieben. Mein Kind, wer der Dank¬
barkeit huldigt, iſt ſchon verloren; die Undankbaren
ſind die glücklichſten, weil ſie die freieſten ſind. Gutes
thun iſt nichts als eine Berechnung; die Einen thun
es, um einſt im Himmel belohnt zu werden, die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/223>, abgerufen am 21.11.2024.
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