wir uns einen kleinen Hof von allen Thorheiten um uns her. Wer dreist einer Gefahr entgegen geht, hat sie halb überwunden. Eine Welt en miniature sollen unsre Salons bilden. Was im großen, wirk¬ lichen Leben uns anwidert, das erscheint uns auf dieser Bühne gefälliger, weil wir damit spielen, es regieren zu können meinen. Am Ende bilden wir uns ein, dieser Mikrokosmus ist unser Werk, und wir hätten alle diese Puppen uns zum Vergnügen ausgestopft und in Scene gesetzt."
"Man muß nur nicht die Drahtfäden merken lassen," sagte der Legationsrath.
"Zum Vergnügen! fiel die Geheimräthin ein, die aufmerksam gefolgt. Wo wir wissen, wie Einer den Andern verredet, hier mit Lob ihn überschüttet, um, wenn er ihm den Rücken gedreht, ihn zu ver¬ spotten; wissen, wie die mit Honiglippen uns Ku߬ hände zuwerfen, gegen uns cabaliren. Hier drückt ein Beamter dem andern die Hand, und empfiehlt sich seiner Gewogenheit, während die Entlassung oder Versetzung des zweiten schon in der Kanzlei ist, und er hat sie betrieben, um in seinen Posten zu rücken. Wo sie uns schön und geistreich finden, um sich nach¬ her vor Lachen auszuschütten, daß wir es geglaubt! Die Tugend in Aller Munde, und die Kuppleraugen schleichen um, ihre Opfer sich auszusuchen. Nur die absolute Mittelmäßigkeit ist sicher, denn was hervor¬ ragt, worin es sei, ist den Pfeilen ausgesetzt. Sie zumeist, die wähnen, sie zu regieren. Man preist Ihr
wir uns einen kleinen Hof von allen Thorheiten um uns her. Wer dreiſt einer Gefahr entgegen geht, hat ſie halb überwunden. Eine Welt en miniature ſollen unſre Salons bilden. Was im großen, wirk¬ lichen Leben uns anwidert, das erſcheint uns auf dieſer Bühne gefälliger, weil wir damit ſpielen, es regieren zu können meinen. Am Ende bilden wir uns ein, dieſer Mikrokosmus iſt unſer Werk, und wir hätten alle dieſe Puppen uns zum Vergnügen ausgeſtopft und in Scene geſetzt.“
„Man muß nur nicht die Drahtfäden merken laſſen,“ ſagte der Legationsrath.
„Zum Vergnügen! fiel die Geheimräthin ein, die aufmerkſam gefolgt. Wo wir wiſſen, wie Einer den Andern verredet, hier mit Lob ihn überſchüttet, um, wenn er ihm den Rücken gedreht, ihn zu ver¬ ſpotten; wiſſen, wie die mit Honiglippen uns Ku߬ hände zuwerfen, gegen uns cabaliren. Hier drückt ein Beamter dem andern die Hand, und empfiehlt ſich ſeiner Gewogenheit, während die Entlaſſung oder Verſetzung des zweiten ſchon in der Kanzlei iſt, und er hat ſie betrieben, um in ſeinen Poſten zu rücken. Wo ſie uns ſchön und geiſtreich finden, um ſich nach¬ her vor Lachen auszuſchütten, daß wir es geglaubt! Die Tugend in Aller Munde, und die Kuppleraugen ſchleichen um, ihre Opfer ſich auszuſuchen. Nur die abſolute Mittelmäßigkeit iſt ſicher, denn was hervor¬ ragt, worin es ſei, iſt den Pfeilen ausgeſetzt. Sie zumeiſt, die wähnen, ſie zu regieren. Man preiſt Ihr
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wir uns einen kleinen Hof von allen Thorheiten um
uns her. Wer dreiſt einer Gefahr entgegen geht,
hat ſie halb überwunden. Eine Welt en miniature
ſollen unſre Salons bilden. Was im großen, wirk¬
lichen Leben uns anwidert, das erſcheint uns auf
dieſer Bühne gefälliger, weil wir damit ſpielen, es
regieren zu können meinen. Am Ende bilden wir
uns ein, dieſer Mikrokosmus iſt unſer Werk, und
wir hätten alle dieſe Puppen uns zum Vergnügen
ausgeſtopft und in Scene geſetzt.“
„Man muß nur nicht die Drahtfäden merken
laſſen,“ ſagte der Legationsrath.
„Zum Vergnügen! fiel die Geheimräthin ein,
die aufmerkſam gefolgt. Wo wir wiſſen, wie Einer
den Andern verredet, hier mit Lob ihn überſchüttet,
um, wenn er ihm den Rücken gedreht, ihn zu ver¬
ſpotten; wiſſen, wie die mit Honiglippen uns Ku߬
hände zuwerfen, gegen uns cabaliren. Hier drückt
ein Beamter dem andern die Hand, und empfiehlt
ſich ſeiner Gewogenheit, während die Entlaſſung oder
Verſetzung des zweiten ſchon in der Kanzlei iſt, und
er hat ſie betrieben, um in ſeinen Poſten zu rücken.
Wo ſie uns ſchön und geiſtreich finden, um ſich nach¬
her vor Lachen auszuſchütten, daß wir es geglaubt!
Die Tugend in Aller Munde, und die Kuppleraugen
ſchleichen um, ihre Opfer ſich auszuſuchen. Nur die
abſolute Mittelmäßigkeit iſt ſicher, denn was hervor¬
ragt, worin es ſei, iſt den Pfeilen ausgeſetzt. Sie
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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