Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Zauberfest, man erhebt es beim Abschied in den
Himmel, aber ehe sie nur in den Wagen springen,
klagen sie über die Langeweile. Zurücksetzung, gemischte
Gesellschaft, daß die Wirthin es nicht verstanden die
Gäste zu placiren, sie klagen vielleicht über Hochmuth,
Anmaßung, über das Essen und Trinken auch, Gott
weiß worüber nicht. Ich begreife, wie man mit diesen
Puppen spielen, aber wie es ein Vergnügen sein kann,
das bleibt mir ein Räthsel."

"Ihre Kritik geht über die Gesellschaft hinaus,
sagte der Legationsrath. Das Räthsel ist die Welt -- "

"Und wehe, wer nicht mit ihm spielen kann,
rief die Fürstin aufstehend, denn neue Gäste waren
im Vorzimmer eingetreten. Wer auf diesem bunten,
beweglichen Teppich nicht mit den Füßen einer Tän¬
zerin wandelt, hier über Gegenstände springt, dort
sie fortstößt wie Glaskugeln, der ist verstrickt, er ist
verloren."

"Es giebt noch einen andern Weg -- wo man
fest stehen kann --" entgegnete die Geheimräthin, in¬
dem sie auch aufstand. Es war ein Metallklang in
der Stimme, wie ein Grabgeläut.

"Den Weg, unterbrach die Fürstin, den Weg
haben Sie doch nicht gefunden!"

Sie blickte ihr forschend in's Auge; als die Lu¬
pinus antworten wollte, rief die Gargazin, wie von
etwas überwallt: "Sie hassen! -- O unglückliche
Frau, der Haß ist ein zu fürchterliches Spiel für
uns; der Haß hat einen unergründlichen Fonds, Sie

Zauberfeſt, man erhebt es beim Abſchied in den
Himmel, aber ehe ſie nur in den Wagen ſpringen,
klagen ſie über die Langeweile. Zurückſetzung, gemiſchte
Geſellſchaft, daß die Wirthin es nicht verſtanden die
Gäſte zu placiren, ſie klagen vielleicht über Hochmuth,
Anmaßung, über das Eſſen und Trinken auch, Gott
weiß worüber nicht. Ich begreife, wie man mit dieſen
Puppen ſpielen, aber wie es ein Vergnügen ſein kann,
das bleibt mir ein Räthſel.“

„Ihre Kritik geht über die Geſellſchaft hinaus,
ſagte der Legationsrath. Das Räthſel iſt die Welt — “

„Und wehe, wer nicht mit ihm ſpielen kann,
rief die Fürſtin aufſtehend, denn neue Gäſte waren
im Vorzimmer eingetreten. Wer auf dieſem bunten,
beweglichen Teppich nicht mit den Füßen einer Tän¬
zerin wandelt, hier über Gegenſtände ſpringt, dort
ſie fortſtößt wie Glaskugeln, der iſt verſtrickt, er iſt
verloren.“

„Es giebt noch einen andern Weg — wo man
feſt ſtehen kann —“ entgegnete die Geheimräthin, in¬
dem ſie auch aufſtand. Es war ein Metallklang in
der Stimme, wie ein Grabgeläut.

Den Weg, unterbrach die Fürſtin, den Weg
haben Sie doch nicht gefunden!“

Sie blickte ihr forſchend in's Auge; als die Lu¬
pinus antworten wollte, rief die Gargazin, wie von
etwas überwallt: „Sie haſſen! — O unglückliche
Frau, der Haß iſt ein zu fürchterliches Spiel für
uns; der Haß hat einen unergründlichen Fonds, Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0153" n="143"/>
Zauberfe&#x017F;t, man erhebt es beim Ab&#x017F;chied in den<lb/>
Himmel, aber ehe &#x017F;ie nur in den Wagen &#x017F;pringen,<lb/>
klagen &#x017F;ie über die Langeweile. Zurück&#x017F;etzung, gemi&#x017F;chte<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, daß die Wirthin es nicht ver&#x017F;tanden die<lb/>&#x017F;te zu placiren, &#x017F;ie klagen vielleicht über Hochmuth,<lb/>
Anmaßung, über das E&#x017F;&#x017F;en und Trinken auch, Gott<lb/>
weiß worüber nicht. Ich begreife, wie man mit die&#x017F;en<lb/>
Puppen &#x017F;pielen, aber wie es ein Vergnügen &#x017F;ein kann,<lb/>
das bleibt mir ein Räth&#x017F;el.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihre Kritik geht über die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft hinaus,<lb/>
&#x017F;agte der Legationsrath. Das Räth&#x017F;el i&#x017F;t die Welt &#x2014; &#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wehe, wer nicht mit ihm &#x017F;pielen kann,<lb/>
rief die Für&#x017F;tin auf&#x017F;tehend, denn neue Gä&#x017F;te waren<lb/>
im Vorzimmer eingetreten. Wer auf die&#x017F;em bunten,<lb/>
beweglichen Teppich nicht mit den Füßen einer Tän¬<lb/>
zerin wandelt, hier über Gegen&#x017F;tände &#x017F;pringt, dort<lb/>
&#x017F;ie fort&#x017F;tößt wie Glaskugeln, der i&#x017F;t ver&#x017F;trickt, er i&#x017F;t<lb/>
verloren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es giebt noch einen andern Weg &#x2014; wo man<lb/>
fe&#x017F;t &#x017F;tehen kann &#x2014;&#x201C; entgegnete die Geheimräthin, in¬<lb/>
dem &#x017F;ie auch auf&#x017F;tand. Es war ein Metallklang in<lb/>
der Stimme, wie ein Grabgeläut.</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Den</hi> Weg, unterbrach die Für&#x017F;tin, <hi rendition="#g">den</hi> Weg<lb/>
haben Sie doch nicht gefunden!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie blickte ihr for&#x017F;chend in's Auge; als die Lu¬<lb/>
pinus antworten wollte, rief die Gargazin, wie von<lb/>
etwas überwallt: &#x201E;Sie ha&#x017F;&#x017F;en! &#x2014; O unglückliche<lb/>
Frau, der Haß i&#x017F;t ein zu fürchterliches Spiel für<lb/>
uns; der Haß hat einen unergründlichen Fonds, Sie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0153] Zauberfeſt, man erhebt es beim Abſchied in den Himmel, aber ehe ſie nur in den Wagen ſpringen, klagen ſie über die Langeweile. Zurückſetzung, gemiſchte Geſellſchaft, daß die Wirthin es nicht verſtanden die Gäſte zu placiren, ſie klagen vielleicht über Hochmuth, Anmaßung, über das Eſſen und Trinken auch, Gott weiß worüber nicht. Ich begreife, wie man mit dieſen Puppen ſpielen, aber wie es ein Vergnügen ſein kann, das bleibt mir ein Räthſel.“ „Ihre Kritik geht über die Geſellſchaft hinaus, ſagte der Legationsrath. Das Räthſel iſt die Welt — “ „Und wehe, wer nicht mit ihm ſpielen kann, rief die Fürſtin aufſtehend, denn neue Gäſte waren im Vorzimmer eingetreten. Wer auf dieſem bunten, beweglichen Teppich nicht mit den Füßen einer Tän¬ zerin wandelt, hier über Gegenſtände ſpringt, dort ſie fortſtößt wie Glaskugeln, der iſt verſtrickt, er iſt verloren.“ „Es giebt noch einen andern Weg — wo man feſt ſtehen kann —“ entgegnete die Geheimräthin, in¬ dem ſie auch aufſtand. Es war ein Metallklang in der Stimme, wie ein Grabgeläut. „Den Weg, unterbrach die Fürſtin, den Weg haben Sie doch nicht gefunden!“ Sie blickte ihr forſchend in's Auge; als die Lu¬ pinus antworten wollte, rief die Gargazin, wie von etwas überwallt: „Sie haſſen! — O unglückliche Frau, der Haß iſt ein zu fürchterliches Spiel für uns; der Haß hat einen unergründlichen Fonds, Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/153
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/153>, abgerufen am 18.12.2024.