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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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nichts verrieth, daß sie sich über diese Veränderung
wunderte.

Man hatte in dem lustigen Zimmer Pantomi¬
men aufgeführt beim Klange des Klaviers. Aber
Louis mußte längst vergessen haben, um was er am
Instrumente saß. Er träumte wieder, denn er hatte
sich in Accorde vertieft, die wohl zu einem schauerlichen
Liede von Novalis oder Tieck paßten, aber nicht zu der
harmlosen Situation aus der jüngsten Reichardschen
Oper, noch zu den Scherzen des Suchens nach der Musik.

Hatte die junge Gesellschaft das gemerkt? denn
sie war allmälig verschwunden vor den dumpfen,
langaushallenden Tönen, die er den Tasten ent¬
lockte. Nur Eine war hinter dem Klavier sitzen
geblieben, und als er die Phantasie mit einem Ton¬
schlage schloß, der wie ein tief aufseufzender Meeres¬
stoß gegen das Eis brach, respondirte ein Ton der
Bewunderung aus ihrer Brust.

"Das war zu göttlich! Eigentlich verdiente es
einen Kranz!" Comteß Laura war aufgesprungen,
und ehe der Fortepianospieler es sich versah, fuhr
ihr weicher Arm um seine Schulter und steckte das
Bouquet feuriger Nelken, das sie in der Schürze ge¬
tragen, rasch ihm an die Brust. Als er den Arm
fassen wollte, um den Dank auf die Hand zu hau¬
chen, war die Nymphe entschlüpft. Das Unglück
aber wollte, daß der Zipfel ihres garnirten Tuches
an seinen Rockknopf sich genestelt. Das Tuch war
lang, und erst in der Mitte des Zimmers ward sie

nichts verrieth, daß ſie ſich über dieſe Veränderung
wunderte.

Man hatte in dem luſtigen Zimmer Pantomi¬
men aufgeführt beim Klange des Klaviers. Aber
Louis mußte längſt vergeſſen haben, um was er am
Inſtrumente ſaß. Er träumte wieder, denn er hatte
ſich in Accorde vertieft, die wohl zu einem ſchauerlichen
Liede von Novalis oder Tieck paßten, aber nicht zu der
harmloſen Situation aus der jüngſten Reichardſchen
Oper, noch zu den Scherzen des Suchens nach der Muſik.

Hatte die junge Geſellſchaft das gemerkt? denn
ſie war allmälig verſchwunden vor den dumpfen,
langaushallenden Tönen, die er den Taſten ent¬
lockte. Nur Eine war hinter dem Klavier ſitzen
geblieben, und als er die Phantaſie mit einem Ton¬
ſchlage ſchloß, der wie ein tief aufſeufzender Meeres¬
ſtoß gegen das Eis brach, reſpondirte ein Ton der
Bewunderung aus ihrer Bruſt.

„Das war zu göttlich! Eigentlich verdiente es
einen Kranz!“ Comteß Laura war aufgeſprungen,
und ehe der Fortepianoſpieler es ſich verſah, fuhr
ihr weicher Arm um ſeine Schulter und ſteckte das
Bouquet feuriger Nelken, das ſie in der Schürze ge¬
tragen, raſch ihm an die Bruſt. Als er den Arm
faſſen wollte, um den Dank auf die Hand zu hau¬
chen, war die Nymphe entſchlüpft. Das Unglück
aber wollte, daß der Zipfel ihres garnirten Tuches
an ſeinen Rockknopf ſich geneſtelt. Das Tuch war
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[166/0176] nichts verrieth, daß ſie ſich über dieſe Veränderung wunderte. Man hatte in dem luſtigen Zimmer Pantomi¬ men aufgeführt beim Klange des Klaviers. Aber Louis mußte längſt vergeſſen haben, um was er am Inſtrumente ſaß. Er träumte wieder, denn er hatte ſich in Accorde vertieft, die wohl zu einem ſchauerlichen Liede von Novalis oder Tieck paßten, aber nicht zu der harmloſen Situation aus der jüngſten Reichardſchen Oper, noch zu den Scherzen des Suchens nach der Muſik. Hatte die junge Geſellſchaft das gemerkt? denn ſie war allmälig verſchwunden vor den dumpfen, langaushallenden Tönen, die er den Taſten ent¬ lockte. Nur Eine war hinter dem Klavier ſitzen geblieben, und als er die Phantaſie mit einem Ton¬ ſchlage ſchloß, der wie ein tief aufſeufzender Meeres¬ ſtoß gegen das Eis brach, reſpondirte ein Ton der Bewunderung aus ihrer Bruſt. „Das war zu göttlich! Eigentlich verdiente es einen Kranz!“ Comteß Laura war aufgeſprungen, und ehe der Fortepianoſpieler es ſich verſah, fuhr ihr weicher Arm um ſeine Schulter und ſteckte das Bouquet feuriger Nelken, das ſie in der Schürze ge¬ tragen, raſch ihm an die Bruſt. Als er den Arm faſſen wollte, um den Dank auf die Hand zu hau¬ chen, war die Nymphe entſchlüpft. Das Unglück aber wollte, daß der Zipfel ihres garnirten Tuches an ſeinen Rockknopf ſich geneſtelt. Das Tuch war lang, und erſt in der Mitte des Zimmers ward ſie

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/176>, abgerufen am 21.11.2024.