Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Wandel bewunderte die Laune der Fürstin und
die Farben ihrer Stickerei. Sie stieß halb muthwillig
seine Hand fort.

"Mir ist immer bange, wenn Sie etwas an¬
fassen, daß die Farbe ausgeht. Haben Sie nicht
wieder eine chemische Tinktur an der Hand kleben?"

"Erlaucht vergessen, daß die Chemie die schönsten
Färbestoffe präparirt."

"Bis sie nicht die Schminke erfindet, die einen
Todten lebendig macht, geb' ich nichts auf Ihre
Wissenschaft."

"Sie fordern zu viel. Den Schein des Lebens
herzustellen, gilt doch für das höchste --"

"Was sie geleistet hat, fiel die Fürstin ein, und
eben darum hasse ich sie. Eine scheinbare Tugend,
ein scheinbarer Reichthum, ein anscheinend blühender
Staat, und Alles übertünchte Gräber -- durch Ihre
Chemie. -- Was fixiren Sie Adelheid's Freund?"

Wandel senkte die Augen: "Hippokratische Züge."

"Qu'importe! Schmeckt der Blumenhonig den
Schmetterlingen darum weniger süß, weil sie nur
ein Schmetterlingsleben führen?"

"Der Schmetterling weiß freilich nicht, wie lang
sein Lebensfaden ihm zugemessen ist, aber -- der
Legationsrath beugte sich näher zur Fürstin -- aber,
ich kann Ihnen nicht verhehlen, man begreift meine
erlauchte Freundin nicht. Sie begünstigen das Ver¬
hältniß, und thun nichts, ihm eine Zukunft zu
sichern."

Wandel bewunderte die Laune der Fürſtin und
die Farben ihrer Stickerei. Sie ſtieß halb muthwillig
ſeine Hand fort.

„Mir iſt immer bange, wenn Sie etwas an¬
faſſen, daß die Farbe ausgeht. Haben Sie nicht
wieder eine chemiſche Tinktur an der Hand kleben?“

„Erlaucht vergeſſen, daß die Chemie die ſchönſten
Färbeſtoffe präparirt.“

„Bis ſie nicht die Schminke erfindet, die einen
Todten lebendig macht, geb' ich nichts auf Ihre
Wiſſenſchaft.“

„Sie fordern zu viel. Den Schein des Lebens
herzuſtellen, gilt doch für das höchſte —“

„Was ſie geleiſtet hat, fiel die Fürſtin ein, und
eben darum haſſe ich ſie. Eine ſcheinbare Tugend,
ein ſcheinbarer Reichthum, ein anſcheinend blühender
Staat, und Alles übertünchte Gräber — durch Ihre
Chemie. — Was fixiren Sie Adelheid's Freund?“

Wandel ſenkte die Augen: „Hippokratiſche Züge.“

Qu'importe! Schmeckt der Blumenhonig den
Schmetterlingen darum weniger ſüß, weil ſie nur
ein Schmetterlingsleben führen?“

„Der Schmetterling weiß freilich nicht, wie lang
ſein Lebensfaden ihm zugemeſſen iſt, aber — der
Legationsrath beugte ſich näher zur Fürſtin — aber,
ich kann Ihnen nicht verhehlen, man begreift meine
erlauchte Freundin nicht. Sie begünſtigen das Ver¬
hältniß, und thun nichts, ihm eine Zukunft zu
ſichern.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0271" n="261"/>
        <p>Wandel bewunderte die Laune der Für&#x017F;tin und<lb/>
die Farben ihrer Stickerei. Sie &#x017F;tieß halb muthwillig<lb/>
&#x017F;eine Hand fort.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mir i&#x017F;t immer bange, wenn Sie etwas an¬<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en, daß die Farbe ausgeht. Haben Sie nicht<lb/>
wieder eine chemi&#x017F;che Tinktur an der Hand kleben?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Erlaucht verge&#x017F;&#x017F;en, daß die Chemie die &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>
Färbe&#x017F;toffe präparirt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bis &#x017F;ie nicht die Schminke erfindet, die einen<lb/>
Todten lebendig macht, geb' ich nichts auf Ihre<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie fordern zu viel. Den Schein des Lebens<lb/>
herzu&#x017F;tellen, gilt doch für das höch&#x017F;te &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was &#x017F;ie gelei&#x017F;tet hat, fiel die Für&#x017F;tin ein, und<lb/>
eben darum ha&#x017F;&#x017F;e ich &#x017F;ie. Eine &#x017F;cheinbare Tugend,<lb/>
ein &#x017F;cheinbarer Reichthum, ein an&#x017F;cheinend blühender<lb/>
Staat, und Alles übertünchte Gräber &#x2014; durch Ihre<lb/>
Chemie. &#x2014; Was fixiren Sie Adelheid's Freund?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wandel &#x017F;enkte die Augen: &#x201E;Hippokrati&#x017F;che Züge.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Qu'importe</hi>! Schmeckt der Blumenhonig den<lb/>
Schmetterlingen darum weniger &#x017F;üß, weil &#x017F;ie nur<lb/>
ein Schmetterlingsleben führen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Schmetterling weiß freilich nicht, wie lang<lb/>
&#x017F;ein Lebensfaden ihm zugeme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, aber &#x2014; der<lb/>
Legationsrath beugte &#x017F;ich näher zur Für&#x017F;tin &#x2014; aber,<lb/>
ich kann Ihnen nicht verhehlen, man begreift meine<lb/>
erlauchte Freundin nicht. Sie begün&#x017F;tigen das Ver¬<lb/>
hältniß, und thun nichts, ihm eine Zukunft zu<lb/>
&#x017F;ichern.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0271] Wandel bewunderte die Laune der Fürſtin und die Farben ihrer Stickerei. Sie ſtieß halb muthwillig ſeine Hand fort. „Mir iſt immer bange, wenn Sie etwas an¬ faſſen, daß die Farbe ausgeht. Haben Sie nicht wieder eine chemiſche Tinktur an der Hand kleben?“ „Erlaucht vergeſſen, daß die Chemie die ſchönſten Färbeſtoffe präparirt.“ „Bis ſie nicht die Schminke erfindet, die einen Todten lebendig macht, geb' ich nichts auf Ihre Wiſſenſchaft.“ „Sie fordern zu viel. Den Schein des Lebens herzuſtellen, gilt doch für das höchſte —“ „Was ſie geleiſtet hat, fiel die Fürſtin ein, und eben darum haſſe ich ſie. Eine ſcheinbare Tugend, ein ſcheinbarer Reichthum, ein anſcheinend blühender Staat, und Alles übertünchte Gräber — durch Ihre Chemie. — Was fixiren Sie Adelheid's Freund?“ Wandel ſenkte die Augen: „Hippokratiſche Züge.“ „Qu'importe! Schmeckt der Blumenhonig den Schmetterlingen darum weniger ſüß, weil ſie nur ein Schmetterlingsleben führen?“ „Der Schmetterling weiß freilich nicht, wie lang ſein Lebensfaden ihm zugemeſſen iſt, aber — der Legationsrath beugte ſich näher zur Fürſtin — aber, ich kann Ihnen nicht verhehlen, man begreift meine erlauchte Freundin nicht. Sie begünſtigen das Ver¬ hältniß, und thun nichts, ihm eine Zukunft zu ſichern.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/271
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/271>, abgerufen am 24.11.2024.