gepuderten Ehrenmänner! Gute Deutsche, sangen sie Claudius Rheinweinlied, und die Augen gingen ihnen über, aber -- aber nachher sah ich sie anders. Die Verhältnisse waren ja auch anders. So lange es ging, war es gut, was aber nicht mehr geht, ist nicht mehr gut. Man muß nicht mit dem Kopf durch die Wand rennen wollen. Wer nicht bei Zeiten nachgiebt, hat nachher das Zusehen. Und im Grunde genommen, was ist es denn, was ein guter Bürger braucht? Ruhe und Ordnung, Handel und Wandel. Dafür zahlt er seine Steuern. Was kümmert's ihn, an wen!"
"Sind die Krämer die Nation?"
"Wenn Du Pöbel, Alltagsseelen und Kaufleute davon nimmst, was bleibt vom Volk? O, erinnere mich nicht daran. Ich habe auch die Andern kennen gelernt. Da in den Ameisenhaufen, wie sie rannten, Einer über den Andern, um zu retten -- sich! Das war ein Wirbelsturm der Angst, wer zuerst ankomme. Nur die Fahne des Vaterlandes brauche es aufzupflanzen, meinten unsere Freunde, ein Trompeter daneben, und die Deutschen würden in hellen Haufen heranbrausen, Waffen! schreien. Die gute Fahne wäre zur Vogelscheuche geworden, sie wären in ihre Verstecke gelaufen, wie vor einem Pestzeichen. Nein, ich hörte Hüons-Horn, der Kaiser der Franzosen stieß hinein, und sie tanzten sich rasend, todt. Wer das mit ansah, Adelheid, dieses Kriechen, Antichambriren, diese Botschaften
IV. 19
gepuderten Ehrenmänner! Gute Deutſche, ſangen ſie Claudius Rheinweinlied, und die Augen gingen ihnen über, aber — aber nachher ſah ich ſie anders. Die Verhältniſſe waren ja auch anders. So lange es ging, war es gut, was aber nicht mehr geht, iſt nicht mehr gut. Man muß nicht mit dem Kopf durch die Wand rennen wollen. Wer nicht bei Zeiten nachgiebt, hat nachher das Zuſehen. Und im Grunde genommen, was iſt es denn, was ein guter Bürger braucht? Ruhe und Ordnung, Handel und Wandel. Dafür zahlt er ſeine Steuern. Was kümmert's ihn, an wen!“
„Sind die Krämer die Nation?“
„Wenn Du Pöbel, Alltagsſeelen und Kaufleute davon nimmſt, was bleibt vom Volk? O, erinnere mich nicht daran. Ich habe auch die Andern kennen gelernt. Da in den Ameiſenhaufen, wie ſie rannten, Einer über den Andern, um zu retten — ſich! Das war ein Wirbelſturm der Angſt, wer zuerſt ankomme. Nur die Fahne des Vaterlandes brauche es aufzupflanzen, meinten unſere Freunde, ein Trompeter daneben, und die Deutſchen würden in hellen Haufen heranbrauſen, Waffen! ſchreien. Die gute Fahne wäre zur Vogelſcheuche geworden, ſie wären in ihre Verſtecke gelaufen, wie vor einem Peſtzeichen. Nein, ich hörte Hüons-Horn, der Kaiſer der Franzoſen ſtieß hinein, und ſie tanzten ſich raſend, todt. Wer das mit anſah, Adelheid, dieſes Kriechen, Antichambriren, dieſe Botſchaften
IV. 19
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gepuderten Ehrenmänner! Gute Deutſche, ſangen ſie
Claudius Rheinweinlied, und die Augen gingen
ihnen über, aber — aber nachher ſah ich ſie anders.
Die Verhältniſſe waren ja auch anders. So lange
es ging, war es gut, was aber nicht mehr geht, iſt
nicht mehr gut. Man muß nicht mit dem Kopf
durch die Wand rennen wollen. Wer nicht bei Zeiten
nachgiebt, hat nachher das Zuſehen. Und im Grunde
genommen, was iſt es denn, was ein guter Bürger
braucht? Ruhe und Ordnung, Handel und Wandel.
Dafür zahlt er ſeine Steuern. Was kümmert's ihn,
an wen!“
„Sind die Krämer die Nation?“
„Wenn Du Pöbel, Alltagsſeelen und Kaufleute
davon nimmſt, was bleibt vom Volk? O, erinnere
mich nicht daran. Ich habe auch die Andern kennen
gelernt. Da in den Ameiſenhaufen, wie ſie rannten,
Einer über den Andern, um zu retten — ſich!
Das war ein Wirbelſturm der Angſt, wer zuerſt
ankomme. Nur die Fahne des Vaterlandes brauche
es aufzupflanzen, meinten unſere Freunde, ein
Trompeter daneben, und die Deutſchen würden in
hellen Haufen heranbrauſen, Waffen! ſchreien. Die
gute Fahne wäre zur Vogelſcheuche geworden, ſie
wären in ihre Verſtecke gelaufen, wie vor einem
Peſtzeichen. Nein, ich hörte Hüons-Horn, der
Kaiſer der Franzoſen ſtieß hinein, und ſie tanzten
ſich raſend, todt. Wer das mit anſah, Adelheid,
dieſes Kriechen, Antichambriren, dieſe Botſchaften
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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