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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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der kleinen Hohen und Höchsten, wie sich jeder ent¬
schuldigte, seine Veneration auf dem Präsentirteller
vor dem Unüberwindlichen hinhielt, wie er den Andern
fortstieß, verredete, denuncirte, wie er, kaum daß er
die Unterwerfung unterzeichnet, auch schon um die
Belohnung petitionirte; wie sie, die Stolzen, Hoch¬
gemuthen, mit Ahnen von Odin und aus dem
Cheruskerwalde, seinen Satrapen um die gestickten
Rockschöße tänzelten, froh eines Händedrucks, und
wenn sein Vater auch ein Stallknecht gewesen! Ihre
Elsteraugen verschmerzten auch einen Sporentritt
um die Erlaubniß, mit zugreifen zu dürfen, wo sie
ausgeschüttet lagen, zu Füßen des Giganten, die
Klöster, Stifte, Städte, Schlösser, Abteien. O, wie
er lächelte, das gelbe, schöne Gesicht mit den klugen
durchdringenden Augen, als er mit der Fußspitze
ihnen die Erlaubniß zustieß, und sie stürzten
hin und rafften. "Waren das meine Feinde!"
sprach der Apoll mit dem Satanslächeln. Wer das
sah --"

"O weh, seufzte Adelheid mit abgewandtem
Gesicht, er hat auch den Glauben an sein Vaterland
verloren."

"Klage die Grüfte an! sprach er dumpf vor
sich hin. Die da haben's verschuldet."

Sie sah ihn mit tiefer Wehmuth an, und eine
helle Thräne fiel aus ihren Wimpern. Sie galt
nicht dem Vaterlande. Saß er nicht da wie eine
schöne Ruine, ein Verschwender am letzten Rest

der kleinen Hohen und Höchſten, wie ſich jeder ent¬
ſchuldigte, ſeine Veneration auf dem Präſentirteller
vor dem Unüberwindlichen hinhielt, wie er den Andern
fortſtieß, verredete, denuncirte, wie er, kaum daß er
die Unterwerfung unterzeichnet, auch ſchon um die
Belohnung petitionirte; wie ſie, die Stolzen, Hoch¬
gemuthen, mit Ahnen von Odin und aus dem
Cheruskerwalde, ſeinen Satrapen um die geſtickten
Rockſchöße tänzelten, froh eines Händedrucks, und
wenn ſein Vater auch ein Stallknecht geweſen! Ihre
Elſteraugen verſchmerzten auch einen Sporentritt
um die Erlaubniß, mit zugreifen zu dürfen, wo ſie
ausgeſchüttet lagen, zu Füßen des Giganten, die
Klöſter, Stifte, Städte, Schlöſſer, Abteien. O, wie
er lächelte, das gelbe, ſchöne Geſicht mit den klugen
durchdringenden Augen, als er mit der Fußſpitze
ihnen die Erlaubniß zuſtieß, und ſie ſtürzten
hin und rafften. „Waren das meine Feinde!“
ſprach der Apoll mit dem Satanslächeln. Wer das
ſah —“

„O weh, ſeufzte Adelheid mit abgewandtem
Geſicht, er hat auch den Glauben an ſein Vaterland
verloren.“

„Klage die Grüfte an! ſprach er dumpf vor
ſich hin. Die da haben's verſchuldet.“

Sie ſah ihn mit tiefer Wehmuth an, und eine
helle Thräne fiel aus ihren Wimpern. Sie galt
nicht dem Vaterlande. Saß er nicht da wie eine
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[290/0300] der kleinen Hohen und Höchſten, wie ſich jeder ent¬ ſchuldigte, ſeine Veneration auf dem Präſentirteller vor dem Unüberwindlichen hinhielt, wie er den Andern fortſtieß, verredete, denuncirte, wie er, kaum daß er die Unterwerfung unterzeichnet, auch ſchon um die Belohnung petitionirte; wie ſie, die Stolzen, Hoch¬ gemuthen, mit Ahnen von Odin und aus dem Cheruskerwalde, ſeinen Satrapen um die geſtickten Rockſchöße tänzelten, froh eines Händedrucks, und wenn ſein Vater auch ein Stallknecht geweſen! Ihre Elſteraugen verſchmerzten auch einen Sporentritt um die Erlaubniß, mit zugreifen zu dürfen, wo ſie ausgeſchüttet lagen, zu Füßen des Giganten, die Klöſter, Stifte, Städte, Schlöſſer, Abteien. O, wie er lächelte, das gelbe, ſchöne Geſicht mit den klugen durchdringenden Augen, als er mit der Fußſpitze ihnen die Erlaubniß zuſtieß, und ſie ſtürzten hin und rafften. „Waren das meine Feinde!“ ſprach der Apoll mit dem Satanslächeln. Wer das ſah —“ „O weh, ſeufzte Adelheid mit abgewandtem Geſicht, er hat auch den Glauben an ſein Vaterland verloren.“ „Klage die Grüfte an! ſprach er dumpf vor ſich hin. Die da haben's verſchuldet.“ Sie ſah ihn mit tiefer Wehmuth an, und eine helle Thräne fiel aus ihren Wimpern. Sie galt nicht dem Vaterlande. Saß er nicht da wie eine ſchöne Ruine, ein Verſchwender am letzten Reſt

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/300>, abgerufen am 24.11.2024.