Seine Lippen flüsterten, Laute, freilich nur für die Geister, welche im Sonnenstrahl als Stäubchen sich schaukelten, aber auch der Dichter darf sie hören:
Schöne Molly, warum ließest Du nicht den Vor¬ witz! Deine Kohlenaugen funkelten vielleicht noch, munterer als auf dem Bilde, und Dein Leib wäre so wonnig und voll, denn Du hattest Anlage zum Embonpoint, als Deine arme Schwester da täglich magrer und dürrer wird. Wenn ich nicht mit Draht hülfe, fiele sie auseinander. -- Arme Angelika, Dir konnte ich nicht anders helfen. Hadre mit der Na¬ tur, daß sie Dir keinen bessern Brustkasten schuf. Du dankst mir auch, daß ich Deine Schmerzen schneller endete. Ja, ich weiß es, Angelika, wir sind Freunde geblieben -- wenn die Wolke durch den Mond streift, und Du mir im Nebelgeriesel einen feuchten Kuß auf die Wange hauchst, es ist ein Kuß des Dankes und der Liebe. -- Ich versichere Dich auch, ich habe Dich geliebt. Du warst sanftmüthig, voller Erge¬ bung, eine Schwärmerin freilich, aber klug genug, von einem Manne nicht mehr zu fordern, als er geben kann. Ein Mann hat viele Ausgaben, das sahest Du ein. Und darum Dein schönes Testament, das wahrhafte Zeichen einer schönen Seele, obgleich ich gestehen muß, daß ich es eigentlich dictirt hatte. -- Um dieses Testamentes willen wirst Du mir ewig unvergeßlich bleiben! -- Nein, ohne Spaß, das Andre seitdem ist alles Spaß, Du gabst Alles für mich auf, in Brüssel Deinen Mann, in Paris Dich selbst.
Seine Lippen flüſterten, Laute, freilich nur für die Geiſter, welche im Sonnenſtrahl als Stäubchen ſich ſchaukelten, aber auch der Dichter darf ſie hören:
Schöne Molly, warum ließeſt Du nicht den Vor¬ witz! Deine Kohlenaugen funkelten vielleicht noch, munterer als auf dem Bilde, und Dein Leib wäre ſo wonnig und voll, denn Du hatteſt Anlage zum Embonpoint, als Deine arme Schweſter da täglich magrer und dürrer wird. Wenn ich nicht mit Draht hülfe, fiele ſie auseinander. — Arme Angelika, Dir konnte ich nicht anders helfen. Hadre mit der Na¬ tur, daß ſie Dir keinen beſſern Bruſtkaſten ſchuf. Du dankſt mir auch, daß ich Deine Schmerzen ſchneller endete. Ja, ich weiß es, Angelika, wir ſind Freunde geblieben — wenn die Wolke durch den Mond ſtreift, und Du mir im Nebelgerieſel einen feuchten Kuß auf die Wange hauchſt, es iſt ein Kuß des Dankes und der Liebe. — Ich verſichere Dich auch, ich habe Dich geliebt. Du warſt ſanftmüthig, voller Erge¬ bung, eine Schwärmerin freilich, aber klug genug, von einem Manne nicht mehr zu fordern, als er geben kann. Ein Mann hat viele Ausgaben, das ſaheſt Du ein. Und darum Dein ſchönes Teſtament, das wahrhafte Zeichen einer ſchönen Seele, obgleich ich geſtehen muß, daß ich es eigentlich dictirt hatte. — Um dieſes Teſtamentes willen wirſt Du mir ewig unvergeßlich bleiben! — Nein, ohne Spaß, das Andre ſeitdem iſt alles Spaß, Du gabſt Alles für mich auf, in Brüſſel Deinen Mann, in Paris Dich ſelbſt.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0311"n="301"/><p>Seine Lippen flüſterten, Laute, freilich nur für<lb/>
die Geiſter, welche im Sonnenſtrahl als Stäubchen<lb/>ſich ſchaukelten, aber auch der Dichter darf ſie hören:</p><lb/><p>Schöne Molly, warum ließeſt Du nicht den Vor¬<lb/>
witz! Deine Kohlenaugen funkelten vielleicht noch,<lb/>
munterer als auf dem Bilde, und Dein Leib wäre<lb/>ſo wonnig und voll, denn Du hatteſt Anlage zum<lb/>
Embonpoint, als Deine arme Schweſter da täglich<lb/>
magrer und dürrer wird. Wenn ich nicht mit Draht<lb/>
hülfe, fiele ſie auseinander. — Arme Angelika, Dir<lb/>
konnte ich nicht anders helfen. Hadre mit der Na¬<lb/>
tur, daß ſie Dir keinen beſſern Bruſtkaſten ſchuf. Du<lb/>
dankſt mir auch, daß ich Deine Schmerzen ſchneller<lb/>
endete. Ja, ich weiß es, Angelika, wir ſind Freunde<lb/>
geblieben — wenn die Wolke durch den Mond ſtreift,<lb/>
und Du mir im Nebelgerieſel einen feuchten Kuß<lb/>
auf die Wange hauchſt, es iſt ein Kuß des Dankes<lb/>
und der Liebe. — Ich verſichere Dich auch, ich habe<lb/>
Dich geliebt. Du warſt ſanftmüthig, voller Erge¬<lb/>
bung, eine Schwärmerin freilich, aber klug genug,<lb/>
von einem Manne nicht mehr zu fordern, als er<lb/>
geben kann. Ein Mann hat viele Ausgaben, das<lb/>ſaheſt Du ein. Und darum Dein ſchönes Teſtament,<lb/>
das wahrhafte Zeichen einer ſchönen Seele, obgleich<lb/>
ich geſtehen muß, daß ich es eigentlich dictirt hatte.<lb/>— Um dieſes Teſtamentes willen wirſt Du mir ewig<lb/>
unvergeßlich bleiben! — Nein, ohne Spaß, das Andre<lb/>ſeitdem iſt alles Spaß, Du gabſt Alles für mich<lb/>
auf, in Brüſſel Deinen Mann, in Paris Dich ſelbſt.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[301/0311]
Seine Lippen flüſterten, Laute, freilich nur für
die Geiſter, welche im Sonnenſtrahl als Stäubchen
ſich ſchaukelten, aber auch der Dichter darf ſie hören:
Schöne Molly, warum ließeſt Du nicht den Vor¬
witz! Deine Kohlenaugen funkelten vielleicht noch,
munterer als auf dem Bilde, und Dein Leib wäre
ſo wonnig und voll, denn Du hatteſt Anlage zum
Embonpoint, als Deine arme Schweſter da täglich
magrer und dürrer wird. Wenn ich nicht mit Draht
hülfe, fiele ſie auseinander. — Arme Angelika, Dir
konnte ich nicht anders helfen. Hadre mit der Na¬
tur, daß ſie Dir keinen beſſern Bruſtkaſten ſchuf. Du
dankſt mir auch, daß ich Deine Schmerzen ſchneller
endete. Ja, ich weiß es, Angelika, wir ſind Freunde
geblieben — wenn die Wolke durch den Mond ſtreift,
und Du mir im Nebelgerieſel einen feuchten Kuß
auf die Wange hauchſt, es iſt ein Kuß des Dankes
und der Liebe. — Ich verſichere Dich auch, ich habe
Dich geliebt. Du warſt ſanftmüthig, voller Erge¬
bung, eine Schwärmerin freilich, aber klug genug,
von einem Manne nicht mehr zu fordern, als er
geben kann. Ein Mann hat viele Ausgaben, das
ſaheſt Du ein. Und darum Dein ſchönes Teſtament,
das wahrhafte Zeichen einer ſchönen Seele, obgleich
ich geſtehen muß, daß ich es eigentlich dictirt hatte.
— Um dieſes Teſtamentes willen wirſt Du mir ewig
unvergeßlich bleiben! — Nein, ohne Spaß, das Andre
ſeitdem iſt alles Spaß, Du gabſt Alles für mich
auf, in Brüſſel Deinen Mann, in Paris Dich ſelbſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/311>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.