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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Seine Lippen flüsterten, Laute, freilich nur für
die Geister, welche im Sonnenstrahl als Stäubchen
sich schaukelten, aber auch der Dichter darf sie hören:

Schöne Molly, warum ließest Du nicht den Vor¬
witz! Deine Kohlenaugen funkelten vielleicht noch,
munterer als auf dem Bilde, und Dein Leib wäre
so wonnig und voll, denn Du hattest Anlage zum
Embonpoint, als Deine arme Schwester da täglich
magrer und dürrer wird. Wenn ich nicht mit Draht
hülfe, fiele sie auseinander. -- Arme Angelika, Dir
konnte ich nicht anders helfen. Hadre mit der Na¬
tur, daß sie Dir keinen bessern Brustkasten schuf. Du
dankst mir auch, daß ich Deine Schmerzen schneller
endete. Ja, ich weiß es, Angelika, wir sind Freunde
geblieben -- wenn die Wolke durch den Mond streift,
und Du mir im Nebelgeriesel einen feuchten Kuß
auf die Wange hauchst, es ist ein Kuß des Dankes
und der Liebe. -- Ich versichere Dich auch, ich habe
Dich geliebt. Du warst sanftmüthig, voller Erge¬
bung, eine Schwärmerin freilich, aber klug genug,
von einem Manne nicht mehr zu fordern, als er
geben kann. Ein Mann hat viele Ausgaben, das
sahest Du ein. Und darum Dein schönes Testament,
das wahrhafte Zeichen einer schönen Seele, obgleich
ich gestehen muß, daß ich es eigentlich dictirt hatte.
-- Um dieses Testamentes willen wirst Du mir ewig
unvergeßlich bleiben! -- Nein, ohne Spaß, das Andre
seitdem ist alles Spaß, Du gabst Alles für mich
auf, in Brüssel Deinen Mann, in Paris Dich selbst.

Seine Lippen flüſterten, Laute, freilich nur für
die Geiſter, welche im Sonnenſtrahl als Stäubchen
ſich ſchaukelten, aber auch der Dichter darf ſie hören:

Schöne Molly, warum ließeſt Du nicht den Vor¬
witz! Deine Kohlenaugen funkelten vielleicht noch,
munterer als auf dem Bilde, und Dein Leib wäre
ſo wonnig und voll, denn Du hatteſt Anlage zum
Embonpoint, als Deine arme Schweſter da täglich
magrer und dürrer wird. Wenn ich nicht mit Draht
hülfe, fiele ſie auseinander. — Arme Angelika, Dir
konnte ich nicht anders helfen. Hadre mit der Na¬
tur, daß ſie Dir keinen beſſern Bruſtkaſten ſchuf. Du
dankſt mir auch, daß ich Deine Schmerzen ſchneller
endete. Ja, ich weiß es, Angelika, wir ſind Freunde
geblieben — wenn die Wolke durch den Mond ſtreift,
und Du mir im Nebelgerieſel einen feuchten Kuß
auf die Wange hauchſt, es iſt ein Kuß des Dankes
und der Liebe. — Ich verſichere Dich auch, ich habe
Dich geliebt. Du warſt ſanftmüthig, voller Erge¬
bung, eine Schwärmerin freilich, aber klug genug,
von einem Manne nicht mehr zu fordern, als er
geben kann. Ein Mann hat viele Ausgaben, das
ſaheſt Du ein. Und darum Dein ſchönes Teſtament,
das wahrhafte Zeichen einer ſchönen Seele, obgleich
ich geſtehen muß, daß ich es eigentlich dictirt hatte.
— Um dieſes Teſtamentes willen wirſt Du mir ewig
unvergeßlich bleiben! — Nein, ohne Spaß, das Andre
ſeitdem iſt alles Spaß, Du gabſt Alles für mich
auf, in Brüſſel Deinen Mann, in Paris Dich ſelbſt.

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[301/0311] Seine Lippen flüſterten, Laute, freilich nur für die Geiſter, welche im Sonnenſtrahl als Stäubchen ſich ſchaukelten, aber auch der Dichter darf ſie hören: Schöne Molly, warum ließeſt Du nicht den Vor¬ witz! Deine Kohlenaugen funkelten vielleicht noch, munterer als auf dem Bilde, und Dein Leib wäre ſo wonnig und voll, denn Du hatteſt Anlage zum Embonpoint, als Deine arme Schweſter da täglich magrer und dürrer wird. Wenn ich nicht mit Draht hülfe, fiele ſie auseinander. — Arme Angelika, Dir konnte ich nicht anders helfen. Hadre mit der Na¬ tur, daß ſie Dir keinen beſſern Bruſtkaſten ſchuf. Du dankſt mir auch, daß ich Deine Schmerzen ſchneller endete. Ja, ich weiß es, Angelika, wir ſind Freunde geblieben — wenn die Wolke durch den Mond ſtreift, und Du mir im Nebelgerieſel einen feuchten Kuß auf die Wange hauchſt, es iſt ein Kuß des Dankes und der Liebe. — Ich verſichere Dich auch, ich habe Dich geliebt. Du warſt ſanftmüthig, voller Erge¬ bung, eine Schwärmerin freilich, aber klug genug, von einem Manne nicht mehr zu fordern, als er geben kann. Ein Mann hat viele Ausgaben, das ſaheſt Du ein. Und darum Dein ſchönes Teſtament, das wahrhafte Zeichen einer ſchönen Seele, obgleich ich geſtehen muß, daß ich es eigentlich dictirt hatte. — Um dieſes Teſtamentes willen wirſt Du mir ewig unvergeßlich bleiben! — Nein, ohne Spaß, das Andre ſeitdem iſt alles Spaß, Du gabſt Alles für mich auf, in Brüſſel Deinen Mann, in Paris Dich ſelbſt.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/311>, abgerufen am 24.11.2024.