"Die in der Geisterinsel die Herzen entzückt. Sie wissen ja."
"Sie sind ein abscheulicher Mensch."
"Vielleicht irre ich mich auch. Sein Neffe, der Cornet, bezahlt sie, und die böse Welt sagt: für seinen Onkel. Doch, wie gesagt, das mag nur Gerede sein. Und wäre es, ists ein Versuch, seinen Schmerz zu betäuben. Das will ich ihm verzeihn. Aber -- ich glaube, es ist vielleicht besser, ich schweige."
"Nein, jetzt ists besser, Sie reden. Das ist eben so abscheulich von Ihnen, daß Sie einen Stachel Einem ins Herz senken, und dann laufen Sie fort. Man quält sich, was es ist, und dann ists am Ende nichts."
"Auch ich hoffe, daß es nichts ist. Das ist das Opfer, welches ich Rußland und der Wissenschaft bringe, jetzt von so vielen Freunden mich loszureißen, die vielleicht meiner Hülfe bald bedürfen. Einer Ei¬ genschaft rühme ich mich -- ich ward frei von Affec¬ ten, ich blicke klar in die Zukunft, in die Seelen der Menschen, die Fältchen und die Schleier derselben täu¬ schen mich nicht. Der Rittmeister ist, ja, ich gebe es zu, was man nennt, ein guter Mensch, aber verschul¬ det, bis über die Ohren verschuldet. Der Krieg konnte ihn retten. Nun bleibt Friede. Er muß alle Anstrengungen machen, sich über dem Wasser zu hal¬ ten. Damals, als es losgehn sollte, überkam ihn ein nobler Impuls; das ist nun vorüber, er ist
„Welche Choriſtin?“
„Die in der Geiſterinſel die Herzen entzückt. Sie wiſſen ja.“
„Sie ſind ein abſcheulicher Menſch.“
„Vielleicht irre ich mich auch. Sein Neffe, der Cornet, bezahlt ſie, und die böſe Welt ſagt: für ſeinen Onkel. Doch, wie geſagt, das mag nur Gerede ſein. Und wäre es, iſts ein Verſuch, ſeinen Schmerz zu betäuben. Das will ich ihm verzeihn. Aber — ich glaube, es iſt vielleicht beſſer, ich ſchweige.“
„Nein, jetzt iſts beſſer, Sie reden. Das iſt eben ſo abſcheulich von Ihnen, daß Sie einen Stachel Einem ins Herz ſenken, und dann laufen Sie fort. Man quält ſich, was es iſt, und dann iſts am Ende nichts.“
„Auch ich hoffe, daß es nichts iſt. Das iſt das Opfer, welches ich Rußland und der Wiſſenſchaft bringe, jetzt von ſo vielen Freunden mich loszureißen, die vielleicht meiner Hülfe bald bedürfen. Einer Ei¬ genſchaft rühme ich mich — ich ward frei von Affec¬ ten, ich blicke klar in die Zukunft, in die Seelen der Menſchen, die Fältchen und die Schleier derſelben täu¬ ſchen mich nicht. Der Rittmeiſter iſt, ja, ich gebe es zu, was man nennt, ein guter Menſch, aber verſchul¬ det, bis über die Ohren verſchuldet. Der Krieg konnte ihn retten. Nun bleibt Friede. Er muß alle Anſtrengungen machen, ſich über dem Waſſer zu hal¬ ten. Damals, als es losgehn ſollte, überkam ihn ein nobler Impuls; das iſt nun vorüber, er iſt
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0051"n="41"/><p>„Welche Choriſtin?“</p><lb/><p>„Die in der Geiſterinſel die Herzen entzückt.<lb/>
Sie wiſſen ja.“</p><lb/><p>„Sie ſind ein abſcheulicher Menſch.“</p><lb/><p>„Vielleicht irre ich mich auch. Sein Neffe, der<lb/>
Cornet, bezahlt ſie, und die böſe Welt ſagt: für<lb/>ſeinen Onkel. Doch, wie geſagt, das mag nur Gerede<lb/>ſein. Und wäre es, iſts ein Verſuch, ſeinen Schmerz<lb/>
zu betäuben. Das will ich ihm verzeihn. Aber —<lb/>
ich glaube, es iſt vielleicht beſſer, ich ſchweige.“</p><lb/><p>„Nein, jetzt iſts beſſer, Sie reden. Das iſt eben<lb/>ſo abſcheulich von Ihnen, daß Sie einen Stachel<lb/>
Einem ins Herz ſenken, und dann laufen Sie fort.<lb/>
Man quält ſich, was es iſt, und dann iſts am<lb/>
Ende nichts.“</p><lb/><p>„Auch ich hoffe, daß es nichts iſt. Das iſt das<lb/>
Opfer, welches ich Rußland und der Wiſſenſchaft<lb/>
bringe, jetzt von ſo vielen Freunden mich loszureißen,<lb/>
die vielleicht meiner Hülfe bald bedürfen. Einer Ei¬<lb/>
genſchaft rühme ich mich — ich ward frei von Affec¬<lb/>
ten, ich blicke klar in die Zukunft, in die Seelen der<lb/>
Menſchen, die Fältchen und die Schleier derſelben täu¬<lb/>ſchen mich nicht. Der Rittmeiſter iſt, ja, ich gebe es<lb/>
zu, was man nennt, ein guter Menſch, aber verſchul¬<lb/>
det, bis über die Ohren verſchuldet. Der Krieg<lb/>
konnte ihn retten. Nun bleibt Friede. Er muß alle<lb/>
Anſtrengungen machen, ſich über dem Waſſer zu hal¬<lb/>
ten. Damals, als es losgehn ſollte, überkam ihn<lb/>
ein nobler Impuls; das iſt nun vorüber, er iſt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[41/0051]
„Welche Choriſtin?“
„Die in der Geiſterinſel die Herzen entzückt.
Sie wiſſen ja.“
„Sie ſind ein abſcheulicher Menſch.“
„Vielleicht irre ich mich auch. Sein Neffe, der
Cornet, bezahlt ſie, und die böſe Welt ſagt: für
ſeinen Onkel. Doch, wie geſagt, das mag nur Gerede
ſein. Und wäre es, iſts ein Verſuch, ſeinen Schmerz
zu betäuben. Das will ich ihm verzeihn. Aber —
ich glaube, es iſt vielleicht beſſer, ich ſchweige.“
„Nein, jetzt iſts beſſer, Sie reden. Das iſt eben
ſo abſcheulich von Ihnen, daß Sie einen Stachel
Einem ins Herz ſenken, und dann laufen Sie fort.
Man quält ſich, was es iſt, und dann iſts am
Ende nichts.“
„Auch ich hoffe, daß es nichts iſt. Das iſt das
Opfer, welches ich Rußland und der Wiſſenſchaft
bringe, jetzt von ſo vielen Freunden mich loszureißen,
die vielleicht meiner Hülfe bald bedürfen. Einer Ei¬
genſchaft rühme ich mich — ich ward frei von Affec¬
ten, ich blicke klar in die Zukunft, in die Seelen der
Menſchen, die Fältchen und die Schleier derſelben täu¬
ſchen mich nicht. Der Rittmeiſter iſt, ja, ich gebe es
zu, was man nennt, ein guter Menſch, aber verſchul¬
det, bis über die Ohren verſchuldet. Der Krieg
konnte ihn retten. Nun bleibt Friede. Er muß alle
Anſtrengungen machen, ſich über dem Waſſer zu hal¬
ten. Damals, als es losgehn ſollte, überkam ihn
ein nobler Impuls; das iſt nun vorüber, er iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/51>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.