Adelheid rechtfertigte die Meinung der Fürstin. Sie fand eine Antwort, welche diese befriedigte, eine Antwort, die keine Unwahrheit war und doch verbarg, was die Schülerin über die Anweisung der Lehrerin dachte.
Der Wagen war schon fortgerollt, als es der Gargazin, die ihm vom Fenster nachsah, leid zu thun schien. Wie schnell hatte sie etwas aus der Hand gegeben, was sie mit so großer Anstrengung sich ver¬ schafft! Sie hätte sie wenigstens so nicht fortlassen, einen Faden in der Hand behalten sollen. Wem die Intrigue Zweck ist, wer nur in ihr den ewigen Durst nach Thätigkeit löscht, muß Apparate jeder Art stets fertig um sich liegen haben, er darf auch das Ge¬ ringfügigste nicht verschmähen; der verlorne Faden kann zur Schlinge, die Schlinge zum Knoten wer¬ den. Nur darf man den Knoten nicht zu fest schürzen, und noch weniger mit der Scheere ein Band zer¬ schneiden. -- Sie ließ den Köder an ihrer Angel fahren, weil sie des Spiels überdrüssig war, wie aber, wenn ein Andrer -- wenn die Königin von Adelheids Naivetät, Klugheit, Liebreiz gefesselt ward, wenn sie ein Instrument aus der Hand gelassen, was hier ihr wichtigere Dienste leisten könnte, als dort, wohin sie es bestimmt --
Ein Gedanke durchfuhr sie blitzartig -- der Los¬ gelassenen nachzueilen, sie durch einen geschickten Schlingenwurf wieder an sich zu ziehen, selbst sie ein¬ zuführen, und wäre es auch durch die Vermittelung
Adelheid rechtfertigte die Meinung der Fürſtin. Sie fand eine Antwort, welche dieſe befriedigte, eine Antwort, die keine Unwahrheit war und doch verbarg, was die Schülerin über die Anweiſung der Lehrerin dachte.
Der Wagen war ſchon fortgerollt, als es der Gargazin, die ihm vom Fenſter nachſah, leid zu thun ſchien. Wie ſchnell hatte ſie etwas aus der Hand gegeben, was ſie mit ſo großer Anſtrengung ſich ver¬ ſchafft! Sie hätte ſie wenigſtens ſo nicht fortlaſſen, einen Faden in der Hand behalten ſollen. Wem die Intrigue Zweck iſt, wer nur in ihr den ewigen Durſt nach Thätigkeit löſcht, muß Apparate jeder Art ſtets fertig um ſich liegen haben, er darf auch das Ge¬ ringfügigſte nicht verſchmähen; der verlorne Faden kann zur Schlinge, die Schlinge zum Knoten wer¬ den. Nur darf man den Knoten nicht zu feſt ſchürzen, und noch weniger mit der Scheere ein Band zer¬ ſchneiden. — Sie ließ den Köder an ihrer Angel fahren, weil ſie des Spiels überdrüſſig war, wie aber, wenn ein Andrer — wenn die Königin von Adelheids Naivetät, Klugheit, Liebreiz gefeſſelt ward, wenn ſie ein Inſtrument aus der Hand gelaſſen, was hier ihr wichtigere Dienſte leiſten könnte, als dort, wohin ſie es beſtimmt —
Ein Gedanke durchfuhr ſie blitzartig — der Los¬ gelaſſenen nachzueilen, ſie durch einen geſchickten Schlingenwurf wieder an ſich zu ziehen, ſelbſt ſie ein¬ zuführen, und wäre es auch durch die Vermittelung
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Adelheid rechtfertigte die Meinung der Fürſtin.
Sie fand eine Antwort, welche dieſe befriedigte, eine
Antwort, die keine Unwahrheit war und doch verbarg,
was die Schülerin über die Anweiſung der Lehrerin
dachte.
Der Wagen war ſchon fortgerollt, als es der
Gargazin, die ihm vom Fenſter nachſah, leid zu thun
ſchien. Wie ſchnell hatte ſie etwas aus der Hand
gegeben, was ſie mit ſo großer Anſtrengung ſich ver¬
ſchafft! Sie hätte ſie wenigſtens ſo nicht fortlaſſen,
einen Faden in der Hand behalten ſollen. Wem die
Intrigue Zweck iſt, wer nur in ihr den ewigen Durſt
nach Thätigkeit löſcht, muß Apparate jeder Art ſtets
fertig um ſich liegen haben, er darf auch das Ge¬
ringfügigſte nicht verſchmähen; der verlorne Faden
kann zur Schlinge, die Schlinge zum Knoten wer¬
den. Nur darf man den Knoten nicht zu feſt ſchürzen,
und noch weniger mit der Scheere ein Band zer¬
ſchneiden. — Sie ließ den Köder an ihrer Angel
fahren, weil ſie des Spiels überdrüſſig war, wie
aber, wenn ein Andrer — wenn die Königin von
Adelheids Naivetät, Klugheit, Liebreiz gefeſſelt ward,
wenn ſie ein Inſtrument aus der Hand gelaſſen, was
hier ihr wichtigere Dienſte leiſten könnte, als dort,
wohin ſie es beſtimmt —
Ein Gedanke durchfuhr ſie blitzartig — der Los¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/105>, abgerufen am 23.11.2024.
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