Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

neigt, am tiefsten gegen Madame Braunbiegler.
Die Gesellschaft verstand die Bedeutung. Trotz des
allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Auf¬
bruchs, denn die Meisten nahmen Abschied, be¬
wunderte man den ritterlichen Mann, welcher so
der Ehre einer Frau sich, annahm, die ihm den
Korb gegeben! Und seine hohe Gestalt, sein tief¬
glühendes Auge unter einer Stirn, die sich im edlen
Zorn immer höher zu wölben schien! So hatte man
ihn nur gesehen, als er im Hause der Obristin als
Retter auftrat.

Niemand schien vergnügter als Baron Eitel¬
bach, er hätte, als Beide im Vorzimmer sich be¬
gegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen
können. Seine Frau übernahm es statt seiner.
Eine Thräne glänzte in ihrem schönen Auge, als
sie, vom Arm ihres Mannes sich losmachend, ihre
Hände auf seine Schultern legte und, auf den
Zehen sich erhebend, einen Kuß auf seine Stirn
hauchte: "Eine schöne That verdient eine Be¬
lohnung. Eigentlich, daß Sie's wissen, habe ich
Sie nicht leiden können -- Sie sind ein guter
Mensch, das wußte ich, aber es war mir doch
immer daneben, als wenn Sie ein schlechter Mensch
wären -- heute aber -- nein, Sie sind gar kein
Mensch nicht, heute waren Sie wie ein Gott."

Schade, daß die schöne Scene durch ein krei¬
schendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des
Barons, der nur etwas "grinste" und sich vor Scha¬

neigt, am tiefſten gegen Madame Braunbiegler.
Die Geſellſchaft verſtand die Bedeutung. Trotz des
allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Auf¬
bruchs, denn die Meiſten nahmen Abſchied, be¬
wunderte man den ritterlichen Mann, welcher ſo
der Ehre einer Frau ſich, annahm, die ihm den
Korb gegeben! Und ſeine hohe Geſtalt, ſein tief¬
glühendes Auge unter einer Stirn, die ſich im edlen
Zorn immer höher zu wölben ſchien! So hatte man
ihn nur geſehen, als er im Hauſe der Obriſtin als
Retter auftrat.

Niemand ſchien vergnügter als Baron Eitel¬
bach, er hätte, als Beide im Vorzimmer ſich be¬
gegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen
können. Seine Frau übernahm es ſtatt ſeiner.
Eine Thräne glänzte in ihrem ſchönen Auge, als
ſie, vom Arm ihres Mannes ſich losmachend, ihre
Hände auf ſeine Schultern legte und, auf den
Zehen ſich erhebend, einen Kuß auf ſeine Stirn
hauchte: „Eine ſchöne That verdient eine Be¬
lohnung. Eigentlich, daß Sie's wiſſen, habe ich
Sie nicht leiden können — Sie ſind ein guter
Menſch, das wußte ich, aber es war mir doch
immer daneben, als wenn Sie ein ſchlechter Menſch
wären — heute aber — nein, Sie ſind gar kein
Menſch nicht, heute waren Sie wie ein Gott.“

Schade, daß die ſchöne Scene durch ein krei¬
ſchendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des
Barons, der nur etwas „grinſte“ und ſich vor Scha¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="168"/>
neigt, am tief&#x017F;ten gegen Madame Braunbiegler.<lb/>
Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ver&#x017F;tand die Bedeutung. Trotz des<lb/>
allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Auf¬<lb/>
bruchs, denn die Mei&#x017F;ten nahmen Ab&#x017F;chied, be¬<lb/>
wunderte man den ritterlichen Mann, welcher &#x017F;o<lb/>
der Ehre einer Frau &#x017F;ich, annahm, die ihm den<lb/>
Korb gegeben! Und &#x017F;eine hohe Ge&#x017F;talt, &#x017F;ein tief¬<lb/>
glühendes Auge unter einer Stirn, die &#x017F;ich im edlen<lb/>
Zorn immer höher zu wölben &#x017F;chien! So hatte man<lb/>
ihn nur ge&#x017F;ehen, als er im Hau&#x017F;e der Obri&#x017F;tin als<lb/>
Retter auftrat.</p><lb/>
        <p>Niemand &#x017F;chien vergnügter als Baron Eitel¬<lb/>
bach, er hätte, als Beide im Vorzimmer &#x017F;ich be¬<lb/>
gegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen<lb/>
können. Seine Frau übernahm es &#x017F;tatt &#x017F;einer.<lb/>
Eine Thräne glänzte in ihrem &#x017F;chönen Auge, als<lb/>
&#x017F;ie, vom Arm ihres Mannes &#x017F;ich losmachend, ihre<lb/>
Hände auf &#x017F;eine Schultern legte und, auf den<lb/>
Zehen &#x017F;ich erhebend, einen Kuß auf &#x017F;eine Stirn<lb/>
hauchte: &#x201E;Eine &#x017F;chöne That verdient eine Be¬<lb/>
lohnung. Eigentlich, daß Sie's wi&#x017F;&#x017F;en, habe ich<lb/>
Sie nicht leiden können &#x2014; Sie &#x017F;ind ein guter<lb/>
Men&#x017F;ch, das wußte ich, aber es war mir doch<lb/>
immer daneben, als wenn Sie ein &#x017F;chlechter Men&#x017F;ch<lb/>
wären &#x2014; heute aber &#x2014; nein, Sie &#x017F;ind gar kein<lb/>
Men&#x017F;ch nicht, heute waren Sie wie ein Gott.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Schade, daß die &#x017F;chöne Scene durch ein krei¬<lb/>
&#x017F;chendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des<lb/>
Barons, der nur etwas &#x201E;grin&#x017F;te&#x201C; und &#x017F;ich vor Scha¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0178] neigt, am tiefſten gegen Madame Braunbiegler. Die Geſellſchaft verſtand die Bedeutung. Trotz des allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Auf¬ bruchs, denn die Meiſten nahmen Abſchied, be¬ wunderte man den ritterlichen Mann, welcher ſo der Ehre einer Frau ſich, annahm, die ihm den Korb gegeben! Und ſeine hohe Geſtalt, ſein tief¬ glühendes Auge unter einer Stirn, die ſich im edlen Zorn immer höher zu wölben ſchien! So hatte man ihn nur geſehen, als er im Hauſe der Obriſtin als Retter auftrat. Niemand ſchien vergnügter als Baron Eitel¬ bach, er hätte, als Beide im Vorzimmer ſich be¬ gegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen können. Seine Frau übernahm es ſtatt ſeiner. Eine Thräne glänzte in ihrem ſchönen Auge, als ſie, vom Arm ihres Mannes ſich losmachend, ihre Hände auf ſeine Schultern legte und, auf den Zehen ſich erhebend, einen Kuß auf ſeine Stirn hauchte: „Eine ſchöne That verdient eine Be¬ lohnung. Eigentlich, daß Sie's wiſſen, habe ich Sie nicht leiden können — Sie ſind ein guter Menſch, das wußte ich, aber es war mir doch immer daneben, als wenn Sie ein ſchlechter Menſch wären — heute aber — nein, Sie ſind gar kein Menſch nicht, heute waren Sie wie ein Gott.“ Schade, daß die ſchöne Scene durch ein krei¬ ſchendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des Barons, der nur etwas „grinſte“ und ſich vor Scha¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/178
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/178>, abgerufen am 25.11.2024.