"Der gute Hermbstädt! Verstehen Sie mich recht, ich zweifle gar nicht daran, ich wundre mich nur, daß Hermbstädt ihn gefunden hat. Ich will ihn finden, wo Sie wollen: da hier im alten Lederrücken des Stuhls, in Ihren Pantoffeln, Arse¬ nik ist überall, selbst in Ihrem Blute. Es kommt nur darauf an, ihn zu secretiren. Verrathen Sie mich nicht den trefflichen Männern hier, sie sind alle meine guten Freunde; aber man kann ein sehr guter Mensch und Freund und doch ein sehr bornirter Che¬ miker sein. Entre nous soit dit, wie mancher Ruhm wird hier erblassen, wenn die junge Schule in Paris aufkommt. Namentlich in den Apparaten, um ver¬ borgene Substanzen zu entdecken. Hören und Sehen wird den Herren vergehen, wenn man einen Porzel¬ lanteller über den Körper hält, ein lindes Kohlen¬ feuer darunter, und auf der weißen Glasur spiegelt sich Alles ab, was im Leichnam versteckt war. Da¬ durch wird manches Geheime an den Tag kommen; aber aus des Geheimraths Stube Alles eher, als ein Verbrechen -- oder fand man etwa Arsenikstücke in seinem Magen? Die müßten freilich von außen hineingekommen sein."
"Das nicht, aber --"
"Von dem bewußten Staub auf Lunge und Gaumen. Da rufen Sie mich, Theuerster, wenn Sie die Untersuchung nicht aufgeben, und Sie sollen das Wunder sehen, aus seinen schweinsledernen Folian¬ ten will ich, vor Ihren Augen, so viel Arsenikstaub
„Der gute Hermbſtädt! Verſtehen Sie mich recht, ich zweifle gar nicht daran, ich wundre mich nur, daß Hermbſtädt ihn gefunden hat. Ich will ihn finden, wo Sie wollen: da hier im alten Lederrücken des Stuhls, in Ihren Pantoffeln, Arſe¬ nik iſt überall, ſelbſt in Ihrem Blute. Es kommt nur darauf an, ihn zu ſecretiren. Verrathen Sie mich nicht den trefflichen Männern hier, ſie ſind alle meine guten Freunde; aber man kann ein ſehr guter Menſch und Freund und doch ein ſehr bornirter Che¬ miker ſein. Entre nous soit dit, wie mancher Ruhm wird hier erblaſſen, wenn die junge Schule in Paris aufkommt. Namentlich in den Apparaten, um ver¬ borgene Subſtanzen zu entdecken. Hören und Sehen wird den Herren vergehen, wenn man einen Porzel¬ lanteller über den Körper hält, ein lindes Kohlen¬ feuer darunter, und auf der weißen Glaſur ſpiegelt ſich Alles ab, was im Leichnam verſteckt war. Da¬ durch wird manches Geheime an den Tag kommen; aber aus des Geheimraths Stube Alles eher, als ein Verbrechen — oder fand man etwa Arſenikſtücke in ſeinem Magen? Die müßten freilich von außen hineingekommen ſein.“
„Das nicht, aber —“
„Von dem bewußten Staub auf Lunge und Gaumen. Da rufen Sie mich, Theuerſter, wenn Sie die Unterſuchung nicht aufgeben, und Sie ſollen das Wunder ſehen, aus ſeinen ſchweinsledernen Folian¬ ten will ich, vor Ihren Augen, ſo viel Arſenikſtaub
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„Der gute Hermbſtädt! Verſtehen Sie mich
recht, ich zweifle gar nicht daran, ich wundre
mich nur, daß Hermbſtädt ihn gefunden hat. Ich
will ihn finden, wo Sie wollen: da hier im alten
Lederrücken des Stuhls, in Ihren Pantoffeln, Arſe¬
nik iſt überall, ſelbſt in Ihrem Blute. Es kommt
nur darauf an, ihn zu ſecretiren. Verrathen Sie
mich nicht den trefflichen Männern hier, ſie ſind alle
meine guten Freunde; aber man kann ein ſehr guter
Menſch und Freund und doch ein ſehr bornirter Che¬
miker ſein. Entre nous soit dit, wie mancher Ruhm
wird hier erblaſſen, wenn die junge Schule in Paris
aufkommt. Namentlich in den Apparaten, um ver¬
borgene Subſtanzen zu entdecken. Hören und Sehen
wird den Herren vergehen, wenn man einen Porzel¬
lanteller über den Körper hält, ein lindes Kohlen¬
feuer darunter, und auf der weißen Glaſur ſpiegelt
ſich Alles ab, was im Leichnam verſteckt war. Da¬
durch wird manches Geheime an den Tag kommen;
aber aus des Geheimraths Stube Alles eher, als
ein Verbrechen — oder fand man etwa Arſenikſtücke
in ſeinem Magen? Die müßten freilich von außen
hineingekommen ſein.“
„Das nicht, aber —“
„Von dem bewußten Staub auf Lunge und
Gaumen. Da rufen Sie mich, Theuerſter, wenn Sie
die Unterſuchung nicht aufgeben, und Sie ſollen das
Wunder ſehen, aus ſeinen ſchweinsledernen Folian¬
ten will ich, vor Ihren Augen, ſo viel Arſenikſtaub
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/212>, abgerufen am 24.11.2024.
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