lagert in Stettin. Bis der Concurs regulirt ist, finden sich doch vielleicht Abnehmer."
"Wer redet davon! -- Sein Sohn, sein einzi¬ ger Sohn könnte ihn retten, wenn er das Mündel des Alten heirathet. Sechszigtausend -- nein, mit den Zinsen müssen es jetzt achtzigtausend Thaler sein, und Demoiselle Schlarbaum ist ein hübsches, sittsa¬ mes Mädchen, er hat nichts gegen sie einzuwenden, er bekäme eine vortreffliche Hausfrau, aber -- der junge Mann denkt höher hinaus, sie ist ihm nicht ästhetisch genug, er hat dem Vater erklärt, betteln wolle er für ihn, nur könne er das Glück seines ganzen Lebens nicht tödten, das wäre Selbstmord an seiner Bestimmung, er gehöre nicht sich allein an, es gebe höhere Pflichten, und was der sentimentalen Redensarten mehr sind. Ich sah eine Thräne im Auge des Alten, als er es erzählte. Und um dieser Tiraden und Sentiments willen läßt der junge Herr, der als ein Muster von Tugend verschrieen ist, den würdigen alten Mann, seinen Vater -- ruiniren. Und das loben noch Einige, er hat doch seinen Ge¬ fühlen gehorcht! -- O Menschen!"
Als der Legationsrath hinaus war, sprach Herr von Fuchsius: "Sollte ich mich doch getäuscht haben?"
Aber der Legationsrath trat wieder ein, ohne an¬ zuklopfen; ja, in seiner Aufregung vergaß er, den Hut abzuziehen.
"Sie fanden ein Residuum von Arsenik im Ma¬ gen des Menschen, des Bedienten oder Hausknechts?"
lagert in Stettin. Bis der Concurs regulirt iſt, finden ſich doch vielleicht Abnehmer.“
„Wer redet davon! — Sein Sohn, ſein einzi¬ ger Sohn könnte ihn retten, wenn er das Mündel des Alten heirathet. Sechszigtauſend — nein, mit den Zinſen müſſen es jetzt achtzigtauſend Thaler ſein, und Demoiſelle Schlarbaum iſt ein hübſches, ſittſa¬ mes Mädchen, er hat nichts gegen ſie einzuwenden, er bekäme eine vortreffliche Hausfrau, aber — der junge Mann denkt höher hinaus, ſie iſt ihm nicht äſthetiſch genug, er hat dem Vater erklärt, betteln wolle er für ihn, nur könne er das Glück ſeines ganzen Lebens nicht tödten, das wäre Selbſtmord an ſeiner Beſtimmung, er gehöre nicht ſich allein an, es gebe höhere Pflichten, und was der ſentimentalen Redensarten mehr ſind. Ich ſah eine Thräne im Auge des Alten, als er es erzählte. Und um dieſer Tiraden und Sentiments willen läßt der junge Herr, der als ein Muſter von Tugend verſchrieen iſt, den würdigen alten Mann, ſeinen Vater — ruiniren. Und das loben noch Einige, er hat doch ſeinen Ge¬ fühlen gehorcht! — O Menſchen!“
Als der Legationsrath hinaus war, ſprach Herr von Fuchſius: „Sollte ich mich doch getäuſcht haben?“
Aber der Legationsrath trat wieder ein, ohne an¬ zuklopfen; ja, in ſeiner Aufregung vergaß er, den Hut abzuziehen.
„Sie fanden ein Reſiduum von Arſenik im Ma¬ gen des Menſchen, des Bedienten oder Hausknechts?“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0215"n="205"/>
lagert in Stettin. Bis der Concurs regulirt iſt,<lb/>
finden ſich doch vielleicht Abnehmer.“</p><lb/><p>„Wer redet davon! — Sein Sohn, ſein einzi¬<lb/>
ger Sohn könnte ihn retten, wenn er das Mündel<lb/>
des Alten heirathet. Sechszigtauſend — nein, mit<lb/>
den Zinſen müſſen es jetzt achtzigtauſend Thaler ſein,<lb/>
und Demoiſelle Schlarbaum iſt ein hübſches, ſittſa¬<lb/>
mes Mädchen, er hat nichts gegen ſie einzuwenden,<lb/>
er bekäme eine vortreffliche Hausfrau, aber — der<lb/>
junge Mann denkt höher hinaus, ſie iſt ihm nicht<lb/>
äſthetiſch genug, er hat dem Vater erklärt, betteln<lb/>
wolle er für ihn, nur könne er das Glück ſeines<lb/>
ganzen Lebens nicht tödten, das wäre Selbſtmord<lb/>
an ſeiner Beſtimmung, er gehöre nicht ſich allein an,<lb/>
es gebe höhere Pflichten, und was der ſentimentalen<lb/>
Redensarten mehr ſind. Ich ſah eine Thräne im<lb/>
Auge des Alten, als er es erzählte. Und um dieſer<lb/>
Tiraden und Sentiments willen läßt der junge Herr,<lb/>
der als ein Muſter von Tugend verſchrieen iſt, den<lb/>
würdigen alten Mann, ſeinen Vater — ruiniren.<lb/>
Und das loben noch Einige, er hat doch ſeinen Ge¬<lb/>
fühlen gehorcht! — O Menſchen!“</p><lb/><p>Als der Legationsrath hinaus war, ſprach Herr<lb/>
von Fuchſius: „Sollte ich mich doch getäuſcht haben?“</p><lb/><p>Aber der Legationsrath trat wieder ein, ohne an¬<lb/>
zuklopfen; ja, in ſeiner Aufregung vergaß er, den<lb/>
Hut abzuziehen.</p><lb/><p>„Sie fanden ein Reſiduum von Arſenik im Ma¬<lb/>
gen des Menſchen, des Bedienten oder Hausknechts?“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[205/0215]
lagert in Stettin. Bis der Concurs regulirt iſt,
finden ſich doch vielleicht Abnehmer.“
„Wer redet davon! — Sein Sohn, ſein einzi¬
ger Sohn könnte ihn retten, wenn er das Mündel
des Alten heirathet. Sechszigtauſend — nein, mit
den Zinſen müſſen es jetzt achtzigtauſend Thaler ſein,
und Demoiſelle Schlarbaum iſt ein hübſches, ſittſa¬
mes Mädchen, er hat nichts gegen ſie einzuwenden,
er bekäme eine vortreffliche Hausfrau, aber — der
junge Mann denkt höher hinaus, ſie iſt ihm nicht
äſthetiſch genug, er hat dem Vater erklärt, betteln
wolle er für ihn, nur könne er das Glück ſeines
ganzen Lebens nicht tödten, das wäre Selbſtmord
an ſeiner Beſtimmung, er gehöre nicht ſich allein an,
es gebe höhere Pflichten, und was der ſentimentalen
Redensarten mehr ſind. Ich ſah eine Thräne im
Auge des Alten, als er es erzählte. Und um dieſer
Tiraden und Sentiments willen läßt der junge Herr,
der als ein Muſter von Tugend verſchrieen iſt, den
würdigen alten Mann, ſeinen Vater — ruiniren.
Und das loben noch Einige, er hat doch ſeinen Ge¬
fühlen gehorcht! — O Menſchen!“
Als der Legationsrath hinaus war, ſprach Herr
von Fuchſius: „Sollte ich mich doch getäuſcht haben?“
Aber der Legationsrath trat wieder ein, ohne an¬
zuklopfen; ja, in ſeiner Aufregung vergaß er, den
Hut abzuziehen.
„Sie fanden ein Reſiduum von Arſenik im Ma¬
gen des Menſchen, des Bedienten oder Hausknechts?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/215>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.