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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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Der Baron saß zurückgelehnt auf dem Stuhl,
leichenblaß.

"Die Erzählung hat Sie angegriffen. Hoffent¬
lich hat der Jude nicht die Effronterie gehabt, Ihrer
Frau Gemahlin den Brief zu schicken."

"Hat's! Das ist es eben."

"O pfui! Sind Sie auch sicher, daß der Brief
wirklich von Dohleneck ist? Ich hielt ihn für sehr
beschränkt, aber ehrlich."

"Das ist's eben -- darüber heult sie mehr, als
daß er todt ist."

"Gemeine Seelen! Nun hat sie ihn kennen
gelernt. -- Sie hat doch den Brief in gerechtem
Zorn zerrissen und die Wechsel auch?"

"Nein -- sie will sie auslösen -- sie ist ob¬
stinat. Ich soll's aus ihrem --"

"O, das müssen wir hindern -- auf der Stelle
-- wir wollen zu ihr -- Was ist Ihnen?" --

Der Baron stürzte hinaus. Er kam nach einer
Weile, von einem Kellner geführt, wieder herein.
Wandel schien die Verwandlung auf seinem Gesicht
nicht zu bemerken; in solcher Agitation ging er im
Zimmer auf und ab:

"Ich kann's mir denken -- ihren Seelenzustand!
Sie verachtet ihn. Und doch, sie will sich dadurch
an ihm rächen, daß sie seine Manen beschämt. Das
soll das letzte Opfer sein, was sie auf ewig von ihm
scheidet. O, dort in jener Ewigkeit -- mit welchem stol¬
zen, vernichtenden Blicke wird sie ihm entgegentreten --"

Der Baron ſaß zurückgelehnt auf dem Stuhl,
leichenblaß.

„Die Erzählung hat Sie angegriffen. Hoffent¬
lich hat der Jude nicht die Effronterie gehabt, Ihrer
Frau Gemahlin den Brief zu ſchicken.“

„Hat's! Das iſt es eben.“

„O pfui! Sind Sie auch ſicher, daß der Brief
wirklich von Dohleneck iſt? Ich hielt ihn für ſehr
beſchränkt, aber ehrlich.“

„Das iſt's eben — darüber heult ſie mehr, als
daß er todt iſt.“

„Gemeine Seelen! Nun hat ſie ihn kennen
gelernt. — Sie hat doch den Brief in gerechtem
Zorn zerriſſen und die Wechſel auch?“

„Nein — ſie will ſie auslöſen — ſie iſt ob¬
ſtinat. Ich ſoll's aus ihrem —“

„O, das müſſen wir hindern — auf der Stelle
— wir wollen zu ihr — Was iſt Ihnen?“ —

Der Baron ſtürzte hinaus. Er kam nach einer
Weile, von einem Kellner geführt, wieder herein.
Wandel ſchien die Verwandlung auf ſeinem Geſicht
nicht zu bemerken; in ſolcher Agitation ging er im
Zimmer auf und ab:

„Ich kann's mir denken — ihren Seelenzuſtand!
Sie verachtet ihn. Und doch, ſie will ſich dadurch
an ihm rächen, daß ſie ſeine Manen beſchämt. Das
ſoll das letzte Opfer ſein, was ſie auf ewig von ihm
ſcheidet. O, dort in jener Ewigkeit — mit welchem ſtol¬
zen, vernichtenden Blicke wird ſie ihm entgegentreten —“

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[338/0348] Der Baron ſaß zurückgelehnt auf dem Stuhl, leichenblaß. „Die Erzählung hat Sie angegriffen. Hoffent¬ lich hat der Jude nicht die Effronterie gehabt, Ihrer Frau Gemahlin den Brief zu ſchicken.“ „Hat's! Das iſt es eben.“ „O pfui! Sind Sie auch ſicher, daß der Brief wirklich von Dohleneck iſt? Ich hielt ihn für ſehr beſchränkt, aber ehrlich.“ „Das iſt's eben — darüber heult ſie mehr, als daß er todt iſt.“ „Gemeine Seelen! Nun hat ſie ihn kennen gelernt. — Sie hat doch den Brief in gerechtem Zorn zerriſſen und die Wechſel auch?“ „Nein — ſie will ſie auslöſen — ſie iſt ob¬ ſtinat. Ich ſoll's aus ihrem —“ „O, das müſſen wir hindern — auf der Stelle — wir wollen zu ihr — Was iſt Ihnen?“ — Der Baron ſtürzte hinaus. Er kam nach einer Weile, von einem Kellner geführt, wieder herein. Wandel ſchien die Verwandlung auf ſeinem Geſicht nicht zu bemerken; in ſolcher Agitation ging er im Zimmer auf und ab: „Ich kann's mir denken — ihren Seelenzuſtand! Sie verachtet ihn. Und doch, ſie will ſich dadurch an ihm rächen, daß ſie ſeine Manen beſchämt. Das ſoll das letzte Opfer ſein, was ſie auf ewig von ihm ſcheidet. O, dort in jener Ewigkeit — mit welchem ſtol¬ zen, vernichtenden Blicke wird ſie ihm entgegentreten —“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/348>, abgerufen am 21.11.2024.