tentionen des Andern durchschaut. Einer muß end¬ lich gewinnen, der, der die meiste Geduld hat und am längsten wach bleibt. Bleiben Sie wach, Herr von Fuchsius, Sie haben einen alerten Gegner. Nein, die Kränkung trau ich Ihnen nicht zu, zu glauben, ich könnte so einfältig gewesen sein, wenn ich den mir gleichgültigsten Mann auf der Welt aus ihr fortschaffen wollen, daß ich es mit Arsenik ge¬ than und nicht mit Pflanzensäften, deren Spuren schon nach ein Paar Stunden verflüchtigt sind."
Der Wagen, der ihn nach dem Gefängniß schaf¬ fen sollte, war vorgerollt. An der Thür wandte Fuchsius sich noch einmal um:
"Herr von Wandel, es ist möglich, daß Sie Recht behalten, daß die Gerichte mit ihren groben Werkzeu¬ gen nicht in alle verborgenen Winkel Ihrer Verbrechen dringen, ich aber habe die volle moralische Ueberzeu¬ gung. Um deshalb werde ich die Untersuchung viel¬ leicht einem unbefangenen, Richter abgeben. Hier aber, vor Gott, vor der Ewigkeit, oder, wenn Sie wollen, vor der wesenlosen Leere, deren Annahen Sie grauen machte, möchte ich in Ihre Seele schauen und eine Frage thun --"
"Deren Inhalt ich mir denken kann. Geben Sie sich nicht die fruchtlose Mühe. Nur ein Wort. Nicht wahr, vor dieser Ihrer moralischen Ueberzeu¬ gung bin ich ein gräßlicher Verbrecher, weil -- weil ich mit Menschenleben gespielt habe, das nehmen Sie an, zu meinem Vortheil, der Wißbegier, des Ver¬
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tentionen des Andern durchſchaut. Einer muß end¬ lich gewinnen, der, der die meiſte Geduld hat und am längſten wach bleibt. Bleiben Sie wach, Herr von Fuchſius, Sie haben einen alerten Gegner. Nein, die Kränkung trau ich Ihnen nicht zu, zu glauben, ich könnte ſo einfältig geweſen ſein, wenn ich den mir gleichgültigſten Mann auf der Welt aus ihr fortſchaffen wollen, daß ich es mit Arſenik ge¬ than und nicht mit Pflanzenſäften, deren Spuren ſchon nach ein Paar Stunden verflüchtigt ſind.“
Der Wagen, der ihn nach dem Gefängniß ſchaf¬ fen ſollte, war vorgerollt. An der Thür wandte Fuchſius ſich noch einmal um:
„Herr von Wandel, es iſt möglich, daß Sie Recht behalten, daß die Gerichte mit ihren groben Werkzeu¬ gen nicht in alle verborgenen Winkel Ihrer Verbrechen dringen, ich aber habe die volle moraliſche Ueberzeu¬ gung. Um deshalb werde ich die Unterſuchung viel¬ leicht einem unbefangenen, Richter abgeben. Hier aber, vor Gott, vor der Ewigkeit, oder, wenn Sie wollen, vor der weſenloſen Leere, deren Annahen Sie grauen machte, möchte ich in Ihre Seele ſchauen und eine Frage thun —“
„Deren Inhalt ich mir denken kann. Geben Sie ſich nicht die fruchtloſe Mühe. Nur ein Wort. Nicht wahr, vor dieſer Ihrer moraliſchen Ueberzeu¬ gung bin ich ein gräßlicher Verbrecher, weil — weil ich mit Menſchenleben geſpielt habe, das nehmen Sie an, zu meinem Vortheil, der Wißbegier, des Ver¬
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tentionen des Andern durchſchaut. Einer muß end¬
lich gewinnen, der, der die meiſte Geduld hat und
am längſten wach bleibt. Bleiben Sie wach, Herr
von Fuchſius, Sie haben einen alerten Gegner.
Nein, die Kränkung trau ich Ihnen nicht zu, zu
glauben, ich könnte ſo einfältig geweſen ſein, wenn
ich den mir gleichgültigſten Mann auf der Welt aus
ihr fortſchaffen wollen, daß ich es mit Arſenik ge¬
than und nicht mit Pflanzenſäften, deren Spuren
ſchon nach ein Paar Stunden verflüchtigt ſind.“
Der Wagen, der ihn nach dem Gefängniß ſchaf¬
fen ſollte, war vorgerollt. An der Thür wandte
Fuchſius ſich noch einmal um:
„Herr von Wandel, es iſt möglich, daß Sie Recht
behalten, daß die Gerichte mit ihren groben Werkzeu¬
gen nicht in alle verborgenen Winkel Ihrer Verbrechen
dringen, ich aber habe die volle moraliſche Ueberzeu¬
gung. Um deshalb werde ich die Unterſuchung viel¬
leicht einem unbefangenen, Richter abgeben. Hier
aber, vor Gott, vor der Ewigkeit, oder, wenn Sie
wollen, vor der weſenloſen Leere, deren Annahen
Sie grauen machte, möchte ich in Ihre Seele ſchauen
und eine Frage thun —“
„Deren Inhalt ich mir denken kann. Geben
Sie ſich nicht die fruchtloſe Mühe. Nur ein Wort.
Nicht wahr, vor dieſer Ihrer moraliſchen Ueberzeu¬
gung bin ich ein gräßlicher Verbrecher, weil — weil
ich mit Menſchenleben geſpielt habe, das nehmen Sie
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/381>, abgerufen am 24.11.2024.
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