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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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Pallasch, den Sie einem Ruhestörer aus der Hand
rissen. Ihr Degen steckt ruhig in der Scheide. --
Ich will's bezeugen, wenn's zum Schlimmsten kommt.
Sie wollten nur Ordnung herstellen, Sie haben
Ihren Degen nicht gewetzt. -- Aber es darf nicht
zum Schlimmen kommen. Es könnte sehr schlimm
werden, außerordentlich schlimm, Herr von Dohleneck."

Der Herr von Dohleneck hatte den eisernen
Schwengel des Brunnens mit dem Arm umfaßt, in
dessen Hand der blanke Degen hing, während er mit
der andern sich wie ein Irrer immerfort über die
Stirn strich. Ein Meer von Gedanken mochte auf¬
tauchen; oder versenkte sich sein Sinn in den Kessel
des Brunnens, und stieg in ihm der begreifliche
Wunsch auf, daß die kühlen Quellwasser ihn und
seine Gedanken überrieselten!

"Hol' mich der und jener, das ist ja grade eine
Geschichte wie damals bei der Schlittenfahrt -- "

"Schlimmer, drängte Walter; damals profanir¬
ten Sie Luther, der es Ihnen gewiß vergeben hat,
heut Bonaparte, der es nie vergiebt, nicht Ihnen,
nicht uns, nicht dem Könige."

"Der König auch nicht! rief der Rittmeister.
Ach Gott, ich bin ja Katharina von Bora."

"Besinnen Sie sich."

"Nein -- richtig -- ich war nur ihr Kammer¬
mädchen. Das ist alles eins. Wenn er's erfährt,
bin ich cassirt."

"Theuerster Herr von Dohleneck, ich wünschte,

Pallaſch, den Sie einem Ruheſtörer aus der Hand
riſſen. Ihr Degen ſteckt ruhig in der Scheide. —
Ich will's bezeugen, wenn's zum Schlimmſten kommt.
Sie wollten nur Ordnung herſtellen, Sie haben
Ihren Degen nicht gewetzt. — Aber es darf nicht
zum Schlimmen kommen. Es könnte ſehr ſchlimm
werden, außerordentlich ſchlimm, Herr von Dohleneck.“

Der Herr von Dohleneck hatte den eiſernen
Schwengel des Brunnens mit dem Arm umfaßt, in
deſſen Hand der blanke Degen hing, während er mit
der andern ſich wie ein Irrer immerfort über die
Stirn ſtrich. Ein Meer von Gedanken mochte auf¬
tauchen; oder verſenkte ſich ſein Sinn in den Keſſel
des Brunnens, und ſtieg in ihm der begreifliche
Wunſch auf, daß die kühlen Quellwaſſer ihn und
ſeine Gedanken überrieſelten!

„Hol' mich der und jener, das iſt ja grade eine
Geſchichte wie damals bei der Schlittenfahrt — “

„Schlimmer, drängte Walter; damals profanir¬
ten Sie Luther, der es Ihnen gewiß vergeben hat,
heut Bonaparte, der es nie vergiebt, nicht Ihnen,
nicht uns, nicht dem Könige.“

„Der König auch nicht! rief der Rittmeiſter.
Ach Gott, ich bin ja Katharina von Bora.“

„Beſinnen Sie ſich.“

„Nein — richtig — ich war nur ihr Kammer¬
mädchen. Das iſt alles eins. Wenn er's erfährt,
bin ich caſſirt.“

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[57/0067] Pallaſch, den Sie einem Ruheſtörer aus der Hand riſſen. Ihr Degen ſteckt ruhig in der Scheide. — Ich will's bezeugen, wenn's zum Schlimmſten kommt. Sie wollten nur Ordnung herſtellen, Sie haben Ihren Degen nicht gewetzt. — Aber es darf nicht zum Schlimmen kommen. Es könnte ſehr ſchlimm werden, außerordentlich ſchlimm, Herr von Dohleneck.“ Der Herr von Dohleneck hatte den eiſernen Schwengel des Brunnens mit dem Arm umfaßt, in deſſen Hand der blanke Degen hing, während er mit der andern ſich wie ein Irrer immerfort über die Stirn ſtrich. Ein Meer von Gedanken mochte auf¬ tauchen; oder verſenkte ſich ſein Sinn in den Keſſel des Brunnens, und ſtieg in ihm der begreifliche Wunſch auf, daß die kühlen Quellwaſſer ihn und ſeine Gedanken überrieſelten! „Hol' mich der und jener, das iſt ja grade eine Geſchichte wie damals bei der Schlittenfahrt — “ „Schlimmer, drängte Walter; damals profanir¬ ten Sie Luther, der es Ihnen gewiß vergeben hat, heut Bonaparte, der es nie vergiebt, nicht Ihnen, nicht uns, nicht dem Könige.“ „Der König auch nicht! rief der Rittmeiſter. Ach Gott, ich bin ja Katharina von Bora.“ „Beſinnen Sie ſich.“ „Nein — richtig — ich war nur ihr Kammer¬ mädchen. Das iſt alles eins. Wenn er's erfährt, bin ich caſſirt.“ „Theuerſter Herr von Dohleneck, ich wünſchte,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/67>, abgerufen am 23.11.2024.