die Weihe der Kraft überkäme Sie, und Sie be¬ schleunigten Ihre Schritte."
Dabei blickte sich Walter um, ob nicht irgendwo eine Hausthür sich öffne, in die er seinen Begleiter schieben könnte. Aber es war eine ruhige Straße, man hatte mit der Bürgerglocke geschlossen. Nur an den erhellten obern Fenstern blickten Neugierige her¬ aus. Es war nicht der aufsteigende Weingeist, der schwarze Bilder vor Dohlenecks Hirn malte. Jene berüchtigte Schlittenfahrt der Gensdarmenofficiere, in der sie Luther, Katharina von Bora und deren Klosterconvictualinnen in sehr frivoler Nebenbedeu¬ tung dargestellt, ein Ereigniß, das ganz Berlin in Aufruhr gebracht, hatte den langmüthigsten König auf's Empfindlichste gereizt; sein eigner Wille war diesmal durchgedrungen, und wenn die Thäter auch nicht so gestraft wurden, wie er für angemessen hielt, wurden doch die Urheber des Unfugs gestraft, seit langer Zeit ein Ereigniß, was noch mehr überraschte, noch mehr von sich sprechen machte, als der tolle Streich selbst. Es brauchte nicht der Erklärung, die man versucht hatte, daß dieser oder jener Minister, oder ihre Frauen, eine Pique gegen einen oder den andern der Officiere gehabt, es war der religiöse Sinn des Monarchen, der die Profanation rächte. Man wußte auch schon, daß er derartige Kränkungen nicht vergaß, und die, welche damals der Strafe ent¬ gangen waren, blieben doch in seinem vortrefflichen Gedächtniß notirt.
die Weihe der Kraft überkäme Sie, und Sie be¬ ſchleunigten Ihre Schritte.“
Dabei blickte ſich Walter um, ob nicht irgendwo eine Hausthür ſich öffne, in die er ſeinen Begleiter ſchieben könnte. Aber es war eine ruhige Straße, man hatte mit der Bürgerglocke geſchloſſen. Nur an den erhellten obern Fenſtern blickten Neugierige her¬ aus. Es war nicht der aufſteigende Weingeiſt, der ſchwarze Bilder vor Dohlenecks Hirn malte. Jene berüchtigte Schlittenfahrt der Gensdarmenofficiere, in der ſie Luther, Katharina von Bora und deren Kloſterconvictualinnen in ſehr frivoler Nebenbedeu¬ tung dargeſtellt, ein Ereigniß, das ganz Berlin in Aufruhr gebracht, hatte den langmüthigſten König auf's Empfindlichſte gereizt; ſein eigner Wille war diesmal durchgedrungen, und wenn die Thäter auch nicht ſo geſtraft wurden, wie er für angemeſſen hielt, wurden doch die Urheber des Unfugs geſtraft, ſeit langer Zeit ein Ereigniß, was noch mehr überraſchte, noch mehr von ſich ſprechen machte, als der tolle Streich ſelbſt. Es brauchte nicht der Erklärung, die man verſucht hatte, daß dieſer oder jener Miniſter, oder ihre Frauen, eine Pique gegen einen oder den andern der Officiere gehabt, es war der religiöſe Sinn des Monarchen, der die Profanation rächte. Man wußte auch ſchon, daß er derartige Kränkungen nicht vergaß, und die, welche damals der Strafe ent¬ gangen waren, blieben doch in ſeinem vortrefflichen Gedächtniß notirt.
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die Weihe der Kraft überkäme Sie, und Sie be¬
ſchleunigten Ihre Schritte.“
Dabei blickte ſich Walter um, ob nicht irgendwo
eine Hausthür ſich öffne, in die er ſeinen Begleiter
ſchieben könnte. Aber es war eine ruhige Straße,
man hatte mit der Bürgerglocke geſchloſſen. Nur an
den erhellten obern Fenſtern blickten Neugierige her¬
aus. Es war nicht der aufſteigende Weingeiſt, der
ſchwarze Bilder vor Dohlenecks Hirn malte. Jene
berüchtigte Schlittenfahrt der Gensdarmenofficiere,
in der ſie Luther, Katharina von Bora und deren
Kloſterconvictualinnen in ſehr frivoler Nebenbedeu¬
tung dargeſtellt, ein Ereigniß, das ganz Berlin in
Aufruhr gebracht, hatte den langmüthigſten König
auf's Empfindlichſte gereizt; ſein eigner Wille war
diesmal durchgedrungen, und wenn die Thäter auch
nicht ſo geſtraft wurden, wie er für angemeſſen hielt,
wurden doch die Urheber des Unfugs geſtraft, ſeit
langer Zeit ein Ereigniß, was noch mehr überraſchte,
noch mehr von ſich ſprechen machte, als der tolle
Streich ſelbſt. Es brauchte nicht der Erklärung, die
man verſucht hatte, daß dieſer oder jener Miniſter,
oder ihre Frauen, eine Pique gegen einen oder den
andern der Officiere gehabt, es war der religiöſe
Sinn des Monarchen, der die Profanation rächte.
Man wußte auch ſchon, daß er derartige Kränkungen
nicht vergaß, und die, welche damals der Strafe ent¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/68>, abgerufen am 17.02.2025.
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