Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.peramentvollere, Glänzendere, voll von künstlerischen, wenn In meinem siebzehnten Jahre wurden wir von der Von Benno hatte ich seit meiner Kindheit viel im peramentvollere, Glänzendere, voll von künſtleriſchen, wenn In meinem ſiebzehnten Jahre wurden wir von der Von Benno hatte ich ſeit meiner Kindheit viel im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0109" n="105"/><fw type="pageNum" place="top">— 105 —<lb/></fw>peramentvollere, Glänzendere, voll von künſtleriſchen, wenn<lb/> auch vernachläſſigten Anlagen und der unſinnigſten Zärt¬<lb/> lichkeit für das einzige Kind, das auffallend ſeiner eignen<lb/> Familie mit ihrem dunkeln Ton und ihrer faſt ſüdlichen<lb/> Bläſſe nachſchlug. Er gab mir mit Enthuſiasmus den erſten<lb/> Zeichenunterricht und dispenſierte mich von allen bürger¬<lb/> lichen Kleinmädchenbeſchäftigungen. Meine gute Mutter<lb/> ſchüttelte wohl manchmal über uns beide den Kopf, doch<lb/> da ich an Heftigkeit des Temperaments und der Wünſche<lb/> dem Vater am meiſten glich, ſo liebte ſie mich am<lb/> hingebendſten grade in dem, worin ich ihr am frem¬<lb/> deſten war, und hieß alles gut. Ich aber ging inzwiſchen<lb/> umher und diente glückſelig jedem leiſeſten Wink dieſer<lb/> Eltern, deren Liebe in mir zuſammenlief, und alles nach<lb/> ihrem Willen aus mir hätte formen können wie aus er¬<lb/> wärmtem Wachs, das dem zarteſten Druck nachgiebt.</p><lb/> <p>In meinem ſiebzehnten Jahre wurden wir von der<lb/> galiziſchen Grenze nach Brieg in Schleſien verſetzt, und<lb/> bezogen dort die ſchöne Obriſtenwohnung im Villenviertel<lb/> unten am Fluß. Von Brieg aus ſollte ich noch weiter<lb/> fort, ich ſollte nun endlich unter der Leitung eines tüch¬<lb/> tigen Lehrers der erſehnten Kunſt zugeführt werden. Von<lb/> dieſem Plan träumten mein Vater und ich auf das ernſt¬<lb/> lichſte, doch kam es ganz anders, weil er zu kränkeln<lb/> anfing, ſo daß keine Rede davon ſein konnte, ihn zu ver¬<lb/> laſſen. Ich aber, — ich verliebte mich über Hals und<lb/> Kopf in meinen Vetter Benno Frensdorff.</p><lb/> <p>Von Benno hatte ich ſeit meiner Kindheit viel im<lb/> Hauſe ſprechen hören, und immer im Tone außergewöhn¬<lb/> licher Achtung. Er war, früh verwaiſt, mit Hilfe meiner<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0109]
— 105 —
peramentvollere, Glänzendere, voll von künſtleriſchen, wenn
auch vernachläſſigten Anlagen und der unſinnigſten Zärt¬
lichkeit für das einzige Kind, das auffallend ſeiner eignen
Familie mit ihrem dunkeln Ton und ihrer faſt ſüdlichen
Bläſſe nachſchlug. Er gab mir mit Enthuſiasmus den erſten
Zeichenunterricht und dispenſierte mich von allen bürger¬
lichen Kleinmädchenbeſchäftigungen. Meine gute Mutter
ſchüttelte wohl manchmal über uns beide den Kopf, doch
da ich an Heftigkeit des Temperaments und der Wünſche
dem Vater am meiſten glich, ſo liebte ſie mich am
hingebendſten grade in dem, worin ich ihr am frem¬
deſten war, und hieß alles gut. Ich aber ging inzwiſchen
umher und diente glückſelig jedem leiſeſten Wink dieſer
Eltern, deren Liebe in mir zuſammenlief, und alles nach
ihrem Willen aus mir hätte formen können wie aus er¬
wärmtem Wachs, das dem zarteſten Druck nachgiebt.
In meinem ſiebzehnten Jahre wurden wir von der
galiziſchen Grenze nach Brieg in Schleſien verſetzt, und
bezogen dort die ſchöne Obriſtenwohnung im Villenviertel
unten am Fluß. Von Brieg aus ſollte ich noch weiter
fort, ich ſollte nun endlich unter der Leitung eines tüch¬
tigen Lehrers der erſehnten Kunſt zugeführt werden. Von
dieſem Plan träumten mein Vater und ich auf das ernſt¬
lichſte, doch kam es ganz anders, weil er zu kränkeln
anfing, ſo daß keine Rede davon ſein konnte, ihn zu ver¬
laſſen. Ich aber, — ich verliebte mich über Hals und
Kopf in meinen Vetter Benno Frensdorff.
Von Benno hatte ich ſeit meiner Kindheit viel im
Hauſe ſprechen hören, und immer im Tone außergewöhn¬
licher Achtung. Er war, früh verwaiſt, mit Hilfe meiner
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |