Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Durch diese gewaltsame Unterordnung unter ihn Oft wenn ich abends schon zur Ruhe gegangen war, Seltsamerweise habe ich von diesem entscheidenden Von jener Stunde aber ging zwingend eine Macht Meine Mutter weinte viel, gab ihm jedoch in allen Durch dieſe gewaltſame Unterordnung unter ihn Oft wenn ich abends ſchon zur Ruhe gegangen war, Seltſamerweiſe habe ich von dieſem entſcheidenden Von jener Stunde aber ging zwingend eine Macht Meine Mutter weinte viel, gab ihm jedoch in allen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0118" n="114"/> <fw type="pageNum" place="top">— 114 —<lb/></fw> <p>Durch dieſe gewaltſame Unterordnung unter ihn<lb/> vermiſchte ſich in meiner Leidenſchaft das Süßeſte mit<lb/> dem Schmerzlichſten, faſt mit dem Grauen. Das iſt ja<lb/> gewiß nicht der Fall, wo ein Weib ſchon an ſich viel<lb/> untergeordneter iſt als der Mann. Sonſt aber kann es<lb/> zu einer furchtbaren Würze der Liebe werden, zu einer<lb/> ſo ungeheuren Aufpeitſchung der Nerven, daß das ſeeliſche<lb/> Gleichgewicht notwendig verloren gehen muß.</p><lb/> <p>Oft wenn ich abends ſchon zur Ruhe gegangen war,<lb/> hörte ich an den gedämpften Stimmen, die bis zu mir<lb/> herübertönten, wie Benno und meine Mutter noch lange<lb/> im Zwiegeſpräch bei einander blieben. Ich ahnte nicht,<lb/> was ſie miteinander berieten. Ich erfuhr es erſt, als ge¬<lb/> ſchah, was endlich geſchehen mußte: als Benno unſre<lb/> Verlobung auflöſte.</p><lb/> <p>Seltſamerweiſe habe ich von dieſem entſcheidenden<lb/> Vorgang keine bis in die Einzelheiten präziſe Erinnerung<lb/> behalten. Kaum weiß ich noch, was er mir ſagte, —<lb/> nur meine eigne Stimme höre ich noch, und wie ich auf¬<lb/> ſchrie in Schmerz und Entſetzen, wie ich niederſtürzte<lb/> vor ihm und die Hände zu ihm aufhob —.</p><lb/> <p>Von jener Stunde aber ging zwingend eine Macht<lb/> aus, die in meiner Phantaſie Bennos Bild übertrieb<lb/> und fälſchte, die ihn hart und grauſam, ſtreng und ſtark<lb/> bis zur Ueberlebensgröße erſcheinen ließ. Konnte es anders<lb/> ſein? Wär er ſonſt dazu imſtande geweſen, mich trotz<lb/> aller meiner demütigen Bemühungen unwürdig zu befin¬<lb/> den und hinwegzuſtoßen?</p><lb/> <p>Meine Mutter weinte viel, gab ihm jedoch in allen<lb/> Stücken recht, und reiſte mit mir ins Ausland, wo ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0118]
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Durch dieſe gewaltſame Unterordnung unter ihn
vermiſchte ſich in meiner Leidenſchaft das Süßeſte mit
dem Schmerzlichſten, faſt mit dem Grauen. Das iſt ja
gewiß nicht der Fall, wo ein Weib ſchon an ſich viel
untergeordneter iſt als der Mann. Sonſt aber kann es
zu einer furchtbaren Würze der Liebe werden, zu einer
ſo ungeheuren Aufpeitſchung der Nerven, daß das ſeeliſche
Gleichgewicht notwendig verloren gehen muß.
Oft wenn ich abends ſchon zur Ruhe gegangen war,
hörte ich an den gedämpften Stimmen, die bis zu mir
herübertönten, wie Benno und meine Mutter noch lange
im Zwiegeſpräch bei einander blieben. Ich ahnte nicht,
was ſie miteinander berieten. Ich erfuhr es erſt, als ge¬
ſchah, was endlich geſchehen mußte: als Benno unſre
Verlobung auflöſte.
Seltſamerweiſe habe ich von dieſem entſcheidenden
Vorgang keine bis in die Einzelheiten präziſe Erinnerung
behalten. Kaum weiß ich noch, was er mir ſagte, —
nur meine eigne Stimme höre ich noch, und wie ich auf¬
ſchrie in Schmerz und Entſetzen, wie ich niederſtürzte
vor ihm und die Hände zu ihm aufhob —.
Von jener Stunde aber ging zwingend eine Macht
aus, die in meiner Phantaſie Bennos Bild übertrieb
und fälſchte, die ihn hart und grauſam, ſtreng und ſtark
bis zur Ueberlebensgröße erſcheinen ließ. Konnte es anders
ſein? Wär er ſonſt dazu imſtande geweſen, mich trotz
aller meiner demütigen Bemühungen unwürdig zu befin¬
den und hinwegzuſtoßen?
Meine Mutter weinte viel, gab ihm jedoch in allen
Stücken recht, und reiſte mit mir ins Ausland, wo ich
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