Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.mich erst erholen, dann aber ganz meinen alten Wün¬ Meine Mutter zog später wieder zu Benno nach Da, -- vor einem Jahr ungefähr, es war gegen Meine Mutter hatte schon in ihren Briefen dringend mich erſt erholen, dann aber ganz meinen alten Wün¬ Meine Mutter zog ſpäter wieder zu Benno nach Da, — vor einem Jahr ungefähr, es war gegen Meine Mutter hatte ſchon in ihren Briefen dringend <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0119" n="115"/><fw type="pageNum" place="top">— 115 —<lb/></fw>mich erſt erholen, dann aber ganz meinen alten Wün¬<lb/> ſchen gemäß entwickeln ſollte. Als ich von Benno fort¬<lb/> kam, meinte ich, daß er mich zu lauter jämmerlichen<lb/> Scherben zertreten habe. Lange Zeit litt ich halb be¬<lb/> ſinnungslos. Dann aber ſiegte das Glück, meiner Kunſt<lb/> leben zu dürfen, und erwies ſich als ſtärker als die alte<lb/> Jugendleidenſchaft. Einem Traum gleich, den man beim<lb/> vollen Erwachen nicht mehr feſtzuhalten vermag, ſank<lb/> ſie ins Schattenhafte hinab.</p><lb/> <p>Meine Mutter zog ſpäter wieder zu Benno nach<lb/> Brieg, und nur im Sommer ſah ich ſie auf Wochen,<lb/> oder auch auf Monate bei mir. Ich ſelbſt verbrachte etwa<lb/> ſechs Jahre in tüchtiger Arbeit, bei manchen Entbehrungen<lb/> und Anſtrengungen, dann richtete ich mir hier in Paris<lb/> mein kleines Atelier ein, — und das war eine ſchöne<lb/> Zeit: eigentlich die erſte ganz ſorgenfreie, ganz erfolg¬<lb/> reiche Zeit. Zum erſtenmal atmete ich auf und nahm<lb/> das Leben endlich auch wieder von ſeiner heitern Ge¬<lb/> nußſeite.</p><lb/> <p>Da, — vor einem Jahr ungefähr, es war gegen<lb/> Weihnachten, — entſchloß ich mich plötzlich zu einer kur¬<lb/> zen Heimfahrt.</p><lb/> <p>Meine Mutter hatte ſchon in ihren Briefen dringend<lb/> darum gebeten, aber den Ausſchlag gab ein Brief von<lb/> Benno ſelbſt. Ich empfing ihn während eines kleinen<lb/> Einweihungsſchmauſes in meinem Atelier und konnte ihn<lb/> nur raſch, in Gegenwart von andern, durchleſen. Dennoch<lb/> machte der Anblick der altvertrauten Handſchrift mit ihren<lb/> feſtgefügten runden Buchſtaben einen ganz ſeltſam auf¬<lb/> regenden Eindruck auf mich.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [115/0119]
— 115 —
mich erſt erholen, dann aber ganz meinen alten Wün¬
ſchen gemäß entwickeln ſollte. Als ich von Benno fort¬
kam, meinte ich, daß er mich zu lauter jämmerlichen
Scherben zertreten habe. Lange Zeit litt ich halb be¬
ſinnungslos. Dann aber ſiegte das Glück, meiner Kunſt
leben zu dürfen, und erwies ſich als ſtärker als die alte
Jugendleidenſchaft. Einem Traum gleich, den man beim
vollen Erwachen nicht mehr feſtzuhalten vermag, ſank
ſie ins Schattenhafte hinab.
Meine Mutter zog ſpäter wieder zu Benno nach
Brieg, und nur im Sommer ſah ich ſie auf Wochen,
oder auch auf Monate bei mir. Ich ſelbſt verbrachte etwa
ſechs Jahre in tüchtiger Arbeit, bei manchen Entbehrungen
und Anſtrengungen, dann richtete ich mir hier in Paris
mein kleines Atelier ein, — und das war eine ſchöne
Zeit: eigentlich die erſte ganz ſorgenfreie, ganz erfolg¬
reiche Zeit. Zum erſtenmal atmete ich auf und nahm
das Leben endlich auch wieder von ſeiner heitern Ge¬
nußſeite.
Da, — vor einem Jahr ungefähr, es war gegen
Weihnachten, — entſchloß ich mich plötzlich zu einer kur¬
zen Heimfahrt.
Meine Mutter hatte ſchon in ihren Briefen dringend
darum gebeten, aber den Ausſchlag gab ein Brief von
Benno ſelbſt. Ich empfing ihn während eines kleinen
Einweihungsſchmauſes in meinem Atelier und konnte ihn
nur raſch, in Gegenwart von andern, durchleſen. Dennoch
machte der Anblick der altvertrauten Handſchrift mit ihren
feſtgefügten runden Buchſtaben einen ganz ſeltſam auf¬
regenden Eindruck auf mich.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |