Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Demut," fiel Fenia lebhaft ein, "-- ach, wie deutsch
ist das! Aber da bringt sie Ihnen doch lauter Opfer.
Leiden Sie denn nicht darunter?"

Max Werner machte unter seiner geliehenen Pelz¬
kappe ein verlegenes und pfiffiges Gesicht.

"-- Leider nein!" bemerkte er kleinlaut. "In dieser
Selbstüberwindung und stolzen Demut liegt etwas, was
unsereinen entzückt. Es steigert die gegenseitige Liebe,
glaub ich --."

Fenia schwieg einige Minuten. Irgend ein Gedanke
schien sie zu beschäftigen. Dann äußerte sie plötzlich:

"Und trotzdem, -- trotz all diesen schwierigen Um¬
ständen, -- will sie Sie noch nicht heiraten?"

Max Werner sah so verblüfft aus, daß Fenia zu
lachen anfing.

"-- Nicht heiraten --? ja, wie denn? Das ist ja
nur -- -- eigentlich bin ich ja doch nicht recht in der
Lage dazu," entgegnete er, noch immer ganz verdutzt von
dieser unerwarteten Auffassung, "-- sie würde natür¬
lich gern so bald als möglich --. Ich habe meinen sehr
kleinen Vermögensanteil früher schon so sehr zu Reisen
und Studienzwecken angegriffen, daß ich erst eine Pro¬
fessur haben müßte."

Fenia verfiel in Nachdenken. Sie saß mit gesenktem
Gesicht, als horche sie aufmerksam auf das Schellen¬
geklingel der Schlittenpferde. Aber es mußten liebe und
angenehme Betrachtungen sein, die sie hegte, denn sie
saß so glücklich in sich zusammengesunken da, und auf
ihrem von der Kälte rotgehauchten Gesicht blieb ein
Lächeln stehn --.

Lou Andreas-Salome, Fenitschka. 3

Demut,“ fiel Fenia lebhaft ein, „— ach, wie deutſch
iſt das! Aber da bringt ſie Ihnen doch lauter Opfer.
Leiden Sie denn nicht darunter?“

Max Werner machte unter ſeiner geliehenen Pelz¬
kappe ein verlegenes und pfiffiges Geſicht.

„— Leider nein!“ bemerkte er kleinlaut. „In dieſer
Selbſtüberwindung und ſtolzen Demut liegt etwas, was
unſereinen entzückt. Es ſteigert die gegenſeitige Liebe,
glaub ich —.“

Fenia ſchwieg einige Minuten. Irgend ein Gedanke
ſchien ſie zu beſchäftigen. Dann äußerte ſie plötzlich:

„Und trotzdem, — trotz all dieſen ſchwierigen Um¬
ſtänden, — will ſie Sie noch nicht heiraten?“

Max Werner ſah ſo verblüfft aus, daß Fenia zu
lachen anfing.

„— Nicht heiraten —? ja, wie denn? Das iſt ja
nur — — eigentlich bin ich ja doch nicht recht in der
Lage dazu,“ entgegnete er, noch immer ganz verdutzt von
dieſer unerwarteten Auffaſſung, „— ſie würde natür¬
lich gern ſo bald als möglich —. Ich habe meinen ſehr
kleinen Vermögensanteil früher ſchon ſo ſehr zu Reiſen
und Studienzwecken angegriffen, daß ich erſt eine Pro¬
feſſur haben müßte.“

Fenia verfiel in Nachdenken. Sie ſaß mit geſenktem
Geſicht, als horche ſie aufmerkſam auf das Schellen¬
geklingel der Schlittenpferde. Aber es mußten liebe und
angenehme Betrachtungen ſein, die ſie hegte, denn ſie
ſaß ſo glücklich in ſich zuſammengeſunken da, und auf
ihrem von der Kälte rotgehauchten Geſicht blieb ein
Lächeln ſtehn —.

Lou Andreas-Salomé, Fenitſchka. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="33"/><fw type="pageNum" place="top">&#x2014; 33 &#x2014;<lb/></fw>Demut,&#x201C; fiel Fenia lebhaft ein, &#x201E;&#x2014; ach, wie deut&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t das! Aber da bringt &#x017F;ie Ihnen doch lauter Opfer.<lb/>
Leiden Sie denn nicht darunter?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Max Werner machte unter &#x017F;einer geliehenen Pelz¬<lb/>
kappe ein verlegenes und pfiffiges Ge&#x017F;icht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; Leider nein!&#x201C; bemerkte er kleinlaut. &#x201E;In die&#x017F;er<lb/>
Selb&#x017F;tüberwindung und &#x017F;tolzen Demut liegt etwas, was<lb/>
un&#x017F;ereinen entzückt. Es &#x017F;teigert die gegen&#x017F;eitige Liebe,<lb/>
glaub ich &#x2014;.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Fenia &#x017F;chwieg einige Minuten. Irgend ein Gedanke<lb/>
&#x017F;chien &#x017F;ie zu be&#x017F;chäftigen. Dann äußerte &#x017F;ie plötzlich:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und trotzdem, &#x2014; trotz all die&#x017F;en &#x017F;chwierigen Um¬<lb/>
&#x017F;tänden, &#x2014; will &#x017F;ie Sie noch nicht heiraten?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Max Werner &#x017F;ah &#x017F;o verblüfft aus, daß Fenia zu<lb/>
lachen anfing.</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; Nicht heiraten &#x2014;? ja, wie denn? Das i&#x017F;t ja<lb/>
nur &#x2014; &#x2014; eigentlich bin ich ja doch nicht recht in der<lb/>
Lage dazu,&#x201C; entgegnete er, noch immer ganz verdutzt von<lb/>
die&#x017F;er unerwarteten Auffa&#x017F;&#x017F;ung, &#x201E;&#x2014; <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> würde natür¬<lb/>
lich gern &#x017F;o bald als möglich &#x2014;. Ich habe meinen &#x017F;ehr<lb/>
kleinen Vermögensanteil früher &#x017F;chon &#x017F;o &#x017F;ehr zu Rei&#x017F;en<lb/>
und Studienzwecken angegriffen, daß ich er&#x017F;t eine Pro¬<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;ur haben müßte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Fenia verfiel in Nachdenken. Sie &#x017F;aß mit ge&#x017F;enktem<lb/>
Ge&#x017F;icht, als horche &#x017F;ie aufmerk&#x017F;am auf das Schellen¬<lb/>
geklingel der Schlittenpferde. Aber es mußten liebe und<lb/>
angenehme Betrachtungen &#x017F;ein, die &#x017F;ie hegte, denn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;&#x017F;o glücklich in &#x017F;ich zu&#x017F;ammenge&#x017F;unken da, und auf<lb/>
ihrem von der Kälte rotgehauchten Ge&#x017F;icht blieb ein<lb/>
Lächeln &#x017F;tehn &#x2014;.<lb/></p>
        <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Lou Andreas-Salomé</hi>, Fenit&#x017F;chka. 3<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0037] — 33 — Demut,“ fiel Fenia lebhaft ein, „— ach, wie deutſch iſt das! Aber da bringt ſie Ihnen doch lauter Opfer. Leiden Sie denn nicht darunter?“ Max Werner machte unter ſeiner geliehenen Pelz¬ kappe ein verlegenes und pfiffiges Geſicht. „— Leider nein!“ bemerkte er kleinlaut. „In dieſer Selbſtüberwindung und ſtolzen Demut liegt etwas, was unſereinen entzückt. Es ſteigert die gegenſeitige Liebe, glaub ich —.“ Fenia ſchwieg einige Minuten. Irgend ein Gedanke ſchien ſie zu beſchäftigen. Dann äußerte ſie plötzlich: „Und trotzdem, — trotz all dieſen ſchwierigen Um¬ ſtänden, — will ſie Sie noch nicht heiraten?“ Max Werner ſah ſo verblüfft aus, daß Fenia zu lachen anfing. „— Nicht heiraten —? ja, wie denn? Das iſt ja nur — — eigentlich bin ich ja doch nicht recht in der Lage dazu,“ entgegnete er, noch immer ganz verdutzt von dieſer unerwarteten Auffaſſung, „— ſie würde natür¬ lich gern ſo bald als möglich —. Ich habe meinen ſehr kleinen Vermögensanteil früher ſchon ſo ſehr zu Reiſen und Studienzwecken angegriffen, daß ich erſt eine Pro¬ feſſur haben müßte.“ Fenia verfiel in Nachdenken. Sie ſaß mit geſenktem Geſicht, als horche ſie aufmerkſam auf das Schellen¬ geklingel der Schlittenpferde. Aber es mußten liebe und angenehme Betrachtungen ſein, die ſie hegte, denn ſie ſaß ſo glücklich in ſich zuſammengeſunken da, und auf ihrem von der Kälte rotgehauchten Geſicht blieb ein Lächeln ſtehn —. Lou Andreas-Salomé, Fenitſchka. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/37
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/37>, abgerufen am 21.11.2024.