Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.ganz vorbei. Ich lebe jetzt ja auch in einer solchen "-- Man träumt!" ergänzte er aufs Geratewohl. "Eigentlich haben wir also die Rollen getauscht," Sie lachte. "So weit hinaus kann ich im Augenblick nicht vor¬ Darauf schwieg sie wieder mit nachdenklichem Ge¬ Hinter der Polizeibrücke sank die Sonne. Lange ganz vorbei. Ich lebe jetzt ja auch in einer ſolchen „— Man träumt!“ ergänzte er aufs Geratewohl. „Eigentlich haben wir alſo die Rollen getauſcht,“ Sie lachte. „So weit hinaus kann ich im Augenblick nicht vor¬ Darauf ſchwieg ſie wieder mit nachdenklichem Ge¬ Hinter der Polizeibrücke ſank die Sonne. Lange <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0041" n="37"/><fw type="pageNum" place="top">— 37 —<lb/></fw>ganz vorbei. Ich lebe jetzt ja auch in einer ſolchen<lb/> Uebergangs- und Zwiſchenzeit, — nicht wahr? Bis zu<lb/> der mir verſprochenen Anſtellung. Und wie genieße ich<lb/> das! Wiſſen Sie, es war Zeit, nach dem langen Arbeits¬<lb/> fieber. Jetzt ſtrecke und recke ich mich, wie auf einem<lb/> rechten Faulbett, — ordentlich wie eine Rekonvaleszentin<lb/> fühl ich mich, — da lebt man ganz anders. — Paſ¬<lb/> ſiver, lauſchender, aufnehmender. — Man wacht nicht,<lb/> man ſchläft aber auch nicht. —“</p><lb/> <p>„— Man träumt!“ ergänzte er aufs Geratewohl.<lb/> Fenia ſah mit einem raſchen Blick zu ihm auf. Dann<lb/> ſchwieg ſie.</p><lb/> <p>„Eigentlich haben wir alſo die Rollen getauſcht,“<lb/> meinte er, „denn ich bin dieſes Jahr recht fleißig ge¬<lb/> weſen. — — Aber wie wird es Ihnen denn ſchmecken,<lb/> nach dieſer Zwiſchenzeit ein ſchwieriges Lehramt auszu¬<lb/> üben, — graut Ihnen nicht davor?“</p><lb/> <p>Sie lachte.</p><lb/> <p>„So weit hinaus kann ich im Augenblick nicht vor¬<lb/> wärts denken. — — Aber das wird recht ſchlimm ſein,<lb/> denn es iſt mir eigentlich ſtets ſehr anziehend geweſen.“</p><lb/> <p>Darauf ſchwieg ſie wieder mit nachdenklichem Ge¬<lb/> ſicht, als beſchäftige ſie etwas Unausgeſprochenes. Sie<lb/> gelangten inzwiſchen auf den belebten Teil des Newskijs,<lb/> wo die ſie umdrängende Menſchenmenge, die ſie jeden Augen¬<lb/> blick trennte, ohnehin die Unterhaltung erſchwert hätte.</p><lb/> <p>Hinter der Polizeibrücke ſank die Sonne. Lange<lb/> blaue Schatten liefen über den Schnee und ſchufen jene<lb/> nordiſche Winterdämmerung, in der man ſchon mitten<lb/> am Tage nichts mehr recht deutlich erkennt, und dennoch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0041]
— 37 —
ganz vorbei. Ich lebe jetzt ja auch in einer ſolchen
Uebergangs- und Zwiſchenzeit, — nicht wahr? Bis zu
der mir verſprochenen Anſtellung. Und wie genieße ich
das! Wiſſen Sie, es war Zeit, nach dem langen Arbeits¬
fieber. Jetzt ſtrecke und recke ich mich, wie auf einem
rechten Faulbett, — ordentlich wie eine Rekonvaleszentin
fühl ich mich, — da lebt man ganz anders. — Paſ¬
ſiver, lauſchender, aufnehmender. — Man wacht nicht,
man ſchläft aber auch nicht. —“
„— Man träumt!“ ergänzte er aufs Geratewohl.
Fenia ſah mit einem raſchen Blick zu ihm auf. Dann
ſchwieg ſie.
„Eigentlich haben wir alſo die Rollen getauſcht,“
meinte er, „denn ich bin dieſes Jahr recht fleißig ge¬
weſen. — — Aber wie wird es Ihnen denn ſchmecken,
nach dieſer Zwiſchenzeit ein ſchwieriges Lehramt auszu¬
üben, — graut Ihnen nicht davor?“
Sie lachte.
„So weit hinaus kann ich im Augenblick nicht vor¬
wärts denken. — — Aber das wird recht ſchlimm ſein,
denn es iſt mir eigentlich ſtets ſehr anziehend geweſen.“
Darauf ſchwieg ſie wieder mit nachdenklichem Ge¬
ſicht, als beſchäftige ſie etwas Unausgeſprochenes. Sie
gelangten inzwiſchen auf den belebten Teil des Newskijs,
wo die ſie umdrängende Menſchenmenge, die ſie jeden Augen¬
blick trennte, ohnehin die Unterhaltung erſchwert hätte.
Hinter der Polizeibrücke ſank die Sonne. Lange
blaue Schatten liefen über den Schnee und ſchufen jene
nordiſche Winterdämmerung, in der man ſchon mitten
am Tage nichts mehr recht deutlich erkennt, und dennoch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |