Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber ihr Gesicht flog etwas Aufblitzendes, das er nicht
verstand, -- irgend ein Gedanke kam wie eine Erleuch¬
tung über sie.

"Geh hier hinein!" sagte sie, und öffnete zu seinem
grenzenlosen Erstaunen die kleine Thür zu ihrem Schlaf¬
stübchen.

"-- Hier hinein --?!"

Sie blickte ihn mit tiefernsten, glänzenden Augen an.

"Bist du mein Freund?"

"Das weißt du, Fenia."

"Dann habe Dank, daß du gekommen bist. Dann
leistest du mir vielleicht in diesem Augenblick den einzigen
Dienst, den ein lieber, -- nur ein lieber, naher Freund
mir leisten kann. Bleib dort in der kleinen Stube,
bis -- bis er wieder fortgegangen ist. Du darfst alles
hören, -- es ist nichts, was nicht ein dritter hören
dürfte. -- -- Aber wenn du hier wieder durchgehst, --
beachte mich nicht."

Er starrte sie an --. Etwas so Entschlossnes sprach
heute aus ihrem Wesen -- --; sie kam ihm vor wie der
Fuchs, der sich die eingeklemmte Pfote selbst abreißt,
um sich zu befreien.

Hatte sie plötzlich erkannt, daß seine Anwesenheit
ihr helfen könnte, -- etwa dazu helfen, "nur zu sprechen,
was ein dritter hören durfte," um nicht wieder in die
Worte auszubrechen: "bleib bei mir, bleib bei mir" -- --?

Es blieb nicht viel Zeit zum Sichbedenken. Kaum
hatte Max die kleine Schlafstube betreten, und war die
Thür hinter ihm zugefallen, als es schon an der Vorder¬
thür klopfte.

Ueber ihr Geſicht flog etwas Aufblitzendes, das er nicht
verſtand, — irgend ein Gedanke kam wie eine Erleuch¬
tung über ſie.

„Geh hier hinein!“ ſagte ſie, und öffnete zu ſeinem
grenzenloſen Erſtaunen die kleine Thür zu ihrem Schlaf¬
ſtübchen.

„— Hier hinein —?!“

Sie blickte ihn mit tiefernſten, glänzenden Augen an.

„Biſt du mein Freund?“

„Das weißt du, Fenia.“

„Dann habe Dank, daß du gekommen biſt. Dann
leiſteſt du mir vielleicht in dieſem Augenblick den einzigen
Dienſt, den ein lieber, — nur ein lieber, naher Freund
mir leiſten kann. Bleib dort in der kleinen Stube,
bis — bis er wieder fortgegangen iſt. Du darfſt alles
hören, — es iſt nichts, was nicht ein dritter hören
dürfte. — — Aber wenn du hier wieder durchgehſt, —
beachte mich nicht.“

Er ſtarrte ſie an —. Etwas ſo Entſchloſſnes ſprach
heute aus ihrem Weſen — —; ſie kam ihm vor wie der
Fuchs, der ſich die eingeklemmte Pfote ſelbſt abreißt,
um ſich zu befreien.

Hatte ſie plötzlich erkannt, daß ſeine Anweſenheit
ihr helfen könnte, — etwa dazu helfen, „nur zu ſprechen,
was ein dritter hören durfte,“ um nicht wieder in die
Worte auszubrechen: „bleib bei mir, bleib bei mir“ — —?

Es blieb nicht viel Zeit zum Sichbedenken. Kaum
hatte Max die kleine Schlafſtube betreten, und war die
Thür hinter ihm zugefallen, als es ſchon an der Vorder¬
thür klopfte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="94"/><fw type="pageNum" place="top">&#x2014; 94 &#x2014;<lb/></fw>Ueber ihr Ge&#x017F;icht flog etwas Aufblitzendes, das er nicht<lb/>
ver&#x017F;tand, &#x2014; irgend ein Gedanke kam wie eine Erleuch¬<lb/>
tung über &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Geh hier hinein!&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie, und öffnete zu &#x017F;einem<lb/>
grenzenlo&#x017F;en Er&#x017F;taunen die kleine Thür zu ihrem Schlaf¬<lb/>
&#x017F;tübchen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; Hier hinein &#x2014;?!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie blickte ihn mit tiefern&#x017F;ten, glänzenden Augen an.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bi&#x017F;t du mein Freund?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das weißt du, Fenia.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dann habe Dank, daß du gekommen bi&#x017F;t. Dann<lb/>
lei&#x017F;te&#x017F;t du mir vielleicht in die&#x017F;em Augenblick den einzigen<lb/>
Dien&#x017F;t, den ein lieber, &#x2014; nur ein lieber, naher Freund<lb/>
mir lei&#x017F;ten kann. Bleib dort in der kleinen Stube,<lb/>
bis &#x2014; bis er wieder fortgegangen i&#x017F;t. Du darf&#x017F;t alles<lb/>
hören, &#x2014; es i&#x017F;t nichts, was nicht ein dritter hören<lb/>
dürfte. &#x2014; &#x2014; Aber wenn du hier wieder durchgeh&#x017F;t, &#x2014;<lb/>
beachte mich nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;tarrte &#x017F;ie an &#x2014;. Etwas &#x017F;o Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;nes &#x017F;prach<lb/>
heute aus ihrem We&#x017F;en &#x2014; &#x2014;; &#x017F;ie kam ihm vor wie der<lb/>
Fuchs, der &#x017F;ich die eingeklemmte Pfote &#x017F;elb&#x017F;t abreißt,<lb/>
um &#x017F;ich zu befreien.</p><lb/>
        <p>Hatte &#x017F;ie plötzlich erkannt, daß &#x017F;eine Anwe&#x017F;enheit<lb/>
ihr helfen könnte, &#x2014; etwa dazu helfen, &#x201E;nur zu &#x017F;prechen,<lb/>
was ein dritter hören durfte,&#x201C; um nicht wieder in die<lb/>
Worte auszubrechen: &#x201E;bleib bei mir, bleib bei mir&#x201C; &#x2014; &#x2014;?</p><lb/>
        <p>Es blieb nicht viel Zeit zum Sichbedenken. Kaum<lb/>
hatte Max die kleine Schlaf&#x017F;tube betreten, und war die<lb/>
Thür hinter ihm zugefallen, als es &#x017F;chon an der Vorder¬<lb/>
thür klopfte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0098] — 94 — Ueber ihr Geſicht flog etwas Aufblitzendes, das er nicht verſtand, — irgend ein Gedanke kam wie eine Erleuch¬ tung über ſie. „Geh hier hinein!“ ſagte ſie, und öffnete zu ſeinem grenzenloſen Erſtaunen die kleine Thür zu ihrem Schlaf¬ ſtübchen. „— Hier hinein —?!“ Sie blickte ihn mit tiefernſten, glänzenden Augen an. „Biſt du mein Freund?“ „Das weißt du, Fenia.“ „Dann habe Dank, daß du gekommen biſt. Dann leiſteſt du mir vielleicht in dieſem Augenblick den einzigen Dienſt, den ein lieber, — nur ein lieber, naher Freund mir leiſten kann. Bleib dort in der kleinen Stube, bis — bis er wieder fortgegangen iſt. Du darfſt alles hören, — es iſt nichts, was nicht ein dritter hören dürfte. — — Aber wenn du hier wieder durchgehſt, — beachte mich nicht.“ Er ſtarrte ſie an —. Etwas ſo Entſchloſſnes ſprach heute aus ihrem Weſen — —; ſie kam ihm vor wie der Fuchs, der ſich die eingeklemmte Pfote ſelbſt abreißt, um ſich zu befreien. Hatte ſie plötzlich erkannt, daß ſeine Anweſenheit ihr helfen könnte, — etwa dazu helfen, „nur zu ſprechen, was ein dritter hören durfte,“ um nicht wieder in die Worte auszubrechen: „bleib bei mir, bleib bei mir“ — —? Es blieb nicht viel Zeit zum Sichbedenken. Kaum hatte Max die kleine Schlafſtube betreten, und war die Thür hinter ihm zugefallen, als es ſchon an der Vorder¬ thür klopfte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/98
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/98>, abgerufen am 11.05.2024.