Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Er sah sich in dem schmalen Raum, den das Bett fast Max Werner fühlte ein heftiges Unbehagen. Welch Man vernahm nur undeutlich, was nebenan ge¬ Daneben hörte man ein volles, weiches Organ, Nach kurzer Zeit wurde irgend etwas auf dem Jedenfalls fingen sie drinnen plötzlich an deutsch "Warum sprichst du nur so leise heute?" fragte Er ſah ſich in dem ſchmalen Raum, den das Bett faſt Max Werner fühlte ein heftiges Unbehagen. Welch Man vernahm nur undeutlich, was nebenan ge¬ Daneben hörte man ein volles, weiches Organ, Nach kurzer Zeit wurde irgend etwas auf dem Jedenfalls fingen ſie drinnen plötzlich an deutſch „Warum ſprichſt du nur ſo leiſe heute?“ fragte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0099" n="95"/> <fw type="pageNum" place="top">— 95 —<lb/></fw> <p>Er ſah ſich in dem ſchmalen Raum, den das Bett faſt<lb/> ganz einnahm, flüchtig um, und lehnte ſich ans Fenſter.<lb/> Dort ſtand zwiſchen rot und blau geſtickten grauleinenen<lb/> ruſſiſchen Vorhängen ein Roſenſtock mit einer einzigen,<lb/> eben aufbrechenden Knoſpe. In der Wandecke daneben<lb/> brannte das ewige Lämpchen vor dem üblichen Mutter¬<lb/> gottesbild.</p><lb/> <p>Max Werner fühlte ein heftiges Unbehagen. Welch<lb/> eine ſeltſame Rolle ſpielte er doch da in Fenias Leben!</p><lb/> <p>Man vernahm nur undeutlich, was nebenan ge¬<lb/> ſprochen wurde, überdies redeten ſie ruſſiſch miteinander.<lb/> Trotzdem antwortete Fenia unwillkürlich mit halber<lb/> Stimme.</p><lb/> <p>Daneben hörte man ein volles, weiches Organ,<lb/> — „ſeine“ Stimme. Er ſprach und lachte, wie man im<lb/> Glück lacht und ſpricht.</p><lb/> <p>Nach kurzer Zeit wurde irgend etwas auf dem<lb/> Gang draußen laut. Es begann jemand vor Fenias Thür<lb/> ſo eigentümlich zu ſchlürfen und herumzutreten. Vielleicht<lb/> war es die Wirtin in ihrer abſcheulichen ſpionierenden<lb/> Neugier, — vielleicht auch nur ein Fremder.</p><lb/> <p>Jedenfalls fingen ſie drinnen plötzlich an deutſch<lb/> zu ſprechen. Aber nun ließ Fenia ihre Stimme noch<lb/> mehr ſinken.</p><lb/> <p>„Warum ſprichſt du nur ſo leiſe heute?“ fragte<lb/> „er“ ſie erſtaunt, „— deutſch verſteht ja hier keine<lb/> Seele. — Und weißt du wohl, grade daß du ſo rückſichts¬<lb/> los laut geſprochen haſt, — manchmal, bei Gelegenheiten,<lb/> wo es gefährlich war, — das liebte ich ſo an dir. Du<lb/> wollteſt nicht unvorſichtig ſein, — aber du vergaßeſt es<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0099]
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Er ſah ſich in dem ſchmalen Raum, den das Bett faſt
ganz einnahm, flüchtig um, und lehnte ſich ans Fenſter.
Dort ſtand zwiſchen rot und blau geſtickten grauleinenen
ruſſiſchen Vorhängen ein Roſenſtock mit einer einzigen,
eben aufbrechenden Knoſpe. In der Wandecke daneben
brannte das ewige Lämpchen vor dem üblichen Mutter¬
gottesbild.
Max Werner fühlte ein heftiges Unbehagen. Welch
eine ſeltſame Rolle ſpielte er doch da in Fenias Leben!
Man vernahm nur undeutlich, was nebenan ge¬
ſprochen wurde, überdies redeten ſie ruſſiſch miteinander.
Trotzdem antwortete Fenia unwillkürlich mit halber
Stimme.
Daneben hörte man ein volles, weiches Organ,
— „ſeine“ Stimme. Er ſprach und lachte, wie man im
Glück lacht und ſpricht.
Nach kurzer Zeit wurde irgend etwas auf dem
Gang draußen laut. Es begann jemand vor Fenias Thür
ſo eigentümlich zu ſchlürfen und herumzutreten. Vielleicht
war es die Wirtin in ihrer abſcheulichen ſpionierenden
Neugier, — vielleicht auch nur ein Fremder.
Jedenfalls fingen ſie drinnen plötzlich an deutſch
zu ſprechen. Aber nun ließ Fenia ihre Stimme noch
mehr ſinken.
„Warum ſprichſt du nur ſo leiſe heute?“ fragte
„er“ ſie erſtaunt, „— deutſch verſteht ja hier keine
Seele. — Und weißt du wohl, grade daß du ſo rückſichts¬
los laut geſprochen haſt, — manchmal, bei Gelegenheiten,
wo es gefährlich war, — das liebte ich ſo an dir. Du
wollteſt nicht unvorſichtig ſein, — aber du vergaßeſt es
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