Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.das Nichts. Wer merkt darauf, wenn er etwas vor sich auf So viel nun davon, was die schönen Künste für die Eß- Von Homer bis zu Clauren haben die Dichter diesen Will die Dichtkunst einen recht seeligen, himmlischen Zu- Aber nicht nur die Dichter, welche in Versen schreiben, das Nichts. Wer merkt darauf, wenn er etwas vor ſich auf So viel nun davon, was die ſchoͤnen Kuͤnſte fuͤr die Eß- Von Homer bis zu Clauren haben die Dichter dieſen Will die Dichtkunſt einen recht ſeeligen, himmliſchen Zu- Aber nicht nur die Dichter, welche in Verſen ſchreiben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="86"/> das Nichts. Wer merkt darauf, wenn er etwas vor ſich auf<lb/> dem Teller hat?</p><lb/> <p>So viel nun davon, was die ſchoͤnen Kuͤnſte fuͤr die Eß-<lb/> kunſt ſind: nun ein paar Worte, was die Eßkunſt den ſchoͤnen<lb/> Kuͤnſten iſt.</p><lb/> <p>Von <hi rendition="#g">Homer</hi> bis zu <hi rendition="#g">Clauren</hi> haben die Dichter dieſen<lb/> Zweig ſchoͤn-menſchlicher Thaͤtigkeit zu wuͤrdigen und zu feiern<lb/> gewußt. (Auch in der Louiſe von <hi rendition="#g">Voß</hi> wird exquiſit gut ge-<lb/> ſpeiſt.) Es zeigt aber von ſehr richtigem Takt, daß wir keine<lb/> Eßlieder haben. Die idylliſchen Kartoffellieder einiger Natura-<lb/> liſten verdienen keine Erwaͤhnung. Sonderbar genug hat man<lb/> das Trinken fuͤr edler gehalten. Daher denn auch die Menge<lb/> Trinklieder, wovon ſpaͤter.</p><lb/> <p>Will die Dichtkunſt einen recht ſeeligen, himmliſchen Zu-<lb/> ſtand ſchildern, z. B. ein Schlaraffenland, ſo weiß ſie nichts<lb/> Beſſeres aufzutreiben, als recht gutes Eſſen, was auf der Welt<lb/> ſtets zugleich das unſchuldigſte Vergnuͤgen bleibt. Uebrigens<lb/> werden die Dichter immer wohl thun, nicht zu viel vom Eſſen<lb/> zu dichten, um den Verdacht des Hungers zu vermeiden.</p><lb/> <p>Aber nicht nur die Dichter, welche in Verſen ſchreiben,<lb/> auch diejenigen, welche, wider Willen, in der tiefſten Proſa<lb/> dichten, die Philoſophen, finden im Eſſen einen ſprechenden Ver-<lb/> gleichungspunkt ſeeliger hoͤherer Zuſtaͤnde uͤberhaupt. <hi rendition="#g">Jacob<lb/> Boͤhme</hi> — an deſſen Tiſch der groͤßte jetztlebende Philoſoph<lb/><hi rendition="#aq">incognito</hi> ſehr fleißig ſich zu Gaſte bat, — ſagt z. B.: „Wenn<lb/> das Licht aufgehet, ſo ſiehet ein Geiſt den andern, und wenn<lb/> das ſuͤße Quellwaſſer in dem Lichte durch alle Geiſter gehet,<lb/> ſo ſchmecket einer den andern: alsdann werden die Geiſter le-<lb/> bendig, und dringet die Kraft des Lebens durch Alles und in<lb/> derſelben Kraft riecht einer den andern, und durch dieſes Quel-<lb/> len und Durchdringen fuͤhlet einer den andern: und es iſt nichts,<lb/> denn ein herzlich Lieben und freundlich Sehen, Wohlriechen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0100]
das Nichts. Wer merkt darauf, wenn er etwas vor ſich auf
dem Teller hat?
So viel nun davon, was die ſchoͤnen Kuͤnſte fuͤr die Eß-
kunſt ſind: nun ein paar Worte, was die Eßkunſt den ſchoͤnen
Kuͤnſten iſt.
Von Homer bis zu Clauren haben die Dichter dieſen
Zweig ſchoͤn-menſchlicher Thaͤtigkeit zu wuͤrdigen und zu feiern
gewußt. (Auch in der Louiſe von Voß wird exquiſit gut ge-
ſpeiſt.) Es zeigt aber von ſehr richtigem Takt, daß wir keine
Eßlieder haben. Die idylliſchen Kartoffellieder einiger Natura-
liſten verdienen keine Erwaͤhnung. Sonderbar genug hat man
das Trinken fuͤr edler gehalten. Daher denn auch die Menge
Trinklieder, wovon ſpaͤter.
Will die Dichtkunſt einen recht ſeeligen, himmliſchen Zu-
ſtand ſchildern, z. B. ein Schlaraffenland, ſo weiß ſie nichts
Beſſeres aufzutreiben, als recht gutes Eſſen, was auf der Welt
ſtets zugleich das unſchuldigſte Vergnuͤgen bleibt. Uebrigens
werden die Dichter immer wohl thun, nicht zu viel vom Eſſen
zu dichten, um den Verdacht des Hungers zu vermeiden.
Aber nicht nur die Dichter, welche in Verſen ſchreiben,
auch diejenigen, welche, wider Willen, in der tiefſten Proſa
dichten, die Philoſophen, finden im Eſſen einen ſprechenden Ver-
gleichungspunkt ſeeliger hoͤherer Zuſtaͤnde uͤberhaupt. Jacob
Boͤhme — an deſſen Tiſch der groͤßte jetztlebende Philoſoph
incognito ſehr fleißig ſich zu Gaſte bat, — ſagt z. B.: „Wenn
das Licht aufgehet, ſo ſiehet ein Geiſt den andern, und wenn
das ſuͤße Quellwaſſer in dem Lichte durch alle Geiſter gehet,
ſo ſchmecket einer den andern: alsdann werden die Geiſter le-
bendig, und dringet die Kraft des Lebens durch Alles und in
derſelben Kraft riecht einer den andern, und durch dieſes Quel-
len und Durchdringen fuͤhlet einer den andern: und es iſt nichts,
denn ein herzlich Lieben und freundlich Sehen, Wohlriechen
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