Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Brettern ihre Stelle geltend gemacht, und der Schauspieler Die mimischen Tänze bei den Gastmählern der Griechen Der Dichtkunst erwähne ich zuletzt, weil es mir, aus wohl Brettern ihre Stelle geltend gemacht, und der Schauſpieler Die mimiſchen Taͤnze bei den Gaſtmaͤhlern der Griechen Der Dichtkunſt erwaͤhne ich zuletzt, weil es mir, aus wohl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0099" n="85"/> Brettern ihre Stelle geltend gemacht, und der Schauſpieler<lb/> muß eſſen koͤnnen. Es geht aber damit, wie mit dem Fechten.<lb/> Entweder koͤnnen Schauſpieler keines von beiden und geben die<lb/> ungeſchmuͤckte blanke Natur, oder ſie bringen ſo viel kuͤnſtliche<lb/> Manier, daß man deutlich ſieht, dieß iſt weder gehauen, noch<lb/> geſtochen, weder gefochten, noch gegeſſen. Der Schauſpieler<lb/> muß wenigſtens das Exterieur wie des Helden ſo des Eßkuͤnſt-<lb/> lers weg haben, wenn auch nicht von ihm verlangt werden<lb/> kann, daß er ſelber wirklich ein Held oder Eßkuͤnſtler ſein ſoll.<lb/> Wenn nun aber der Schauſpieler eſſen ſoll wie ein Menſch, ſo<lb/> gilt Gegentheils als wichtige Regel, daß der Menſch nicht eſſen<lb/> ſoll wie ein Schauſpieler.</p><lb/> <p>Die mimiſchen Taͤnze bei den Gaſtmaͤhlern der Griechen<lb/> hat man in neuerer Zeit ſelbſtſtaͤndiger gemacht, weiter ausge-<lb/> bildet, und der Oper und dem Ballet zugewieſen. Allerdings<lb/> ſind dieſe auch viel zu intereſſant, als daß ſie nur ſo neben her<lb/> zu genießen waͤren, und doch auch wieder das Eſſen zu anzie-<lb/> hend, als daß es ein getheiltes Intereſſe zuließe.</p><lb/> <p>Der Dichtkunſt erwaͤhne ich zuletzt, weil es mir, aus wohl<lb/> hinlaͤnglich dargelegten Gruͤnden, am allerwenigſten einfiele,<lb/> eine eigentliche Tafelpoeſie aufkommen zu laſſen. Sollte aber<lb/> die Liebe zur Poeſie ſo gluͤhend ſein, daß man ſie auch mit<lb/> Meſſer und Gabel zu Leibe nehmen wollte, ſo waͤre wohl die<lb/> Dichtungsgattung der Leberreime hierzu die angemeſſenſte.<lb/> Vor philoſophiſchen Gaſtmaͤhlern aber bewahre uns der Him-<lb/> mel! Was die Griechen ſo nannten, war ein ziemlich vernuͤnfti-<lb/> ges Geſpraͤch. Nicht zu vergeſſen, daß man dabei viel und<lb/> moͤglich gut ſprach, aber um ſo weniger und ſchlechter zu eſſen<lb/> bekam, wie’s auch in <hi rendition="#g">Wieland’s</hi> Ariſtipp heißt: — „wobei<lb/> eine freie muntere Unterhaltung die beſſere Haͤlfte der Bewir-<lb/> thung machte. Heutzutag nun iſt’s mit der Philoſophie ganz<lb/> anders. Die heutige Philoſophie iſt lediglich eine Poeſie uͤber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0099]
Brettern ihre Stelle geltend gemacht, und der Schauſpieler
muß eſſen koͤnnen. Es geht aber damit, wie mit dem Fechten.
Entweder koͤnnen Schauſpieler keines von beiden und geben die
ungeſchmuͤckte blanke Natur, oder ſie bringen ſo viel kuͤnſtliche
Manier, daß man deutlich ſieht, dieß iſt weder gehauen, noch
geſtochen, weder gefochten, noch gegeſſen. Der Schauſpieler
muß wenigſtens das Exterieur wie des Helden ſo des Eßkuͤnſt-
lers weg haben, wenn auch nicht von ihm verlangt werden
kann, daß er ſelber wirklich ein Held oder Eßkuͤnſtler ſein ſoll.
Wenn nun aber der Schauſpieler eſſen ſoll wie ein Menſch, ſo
gilt Gegentheils als wichtige Regel, daß der Menſch nicht eſſen
ſoll wie ein Schauſpieler.
Die mimiſchen Taͤnze bei den Gaſtmaͤhlern der Griechen
hat man in neuerer Zeit ſelbſtſtaͤndiger gemacht, weiter ausge-
bildet, und der Oper und dem Ballet zugewieſen. Allerdings
ſind dieſe auch viel zu intereſſant, als daß ſie nur ſo neben her
zu genießen waͤren, und doch auch wieder das Eſſen zu anzie-
hend, als daß es ein getheiltes Intereſſe zuließe.
Der Dichtkunſt erwaͤhne ich zuletzt, weil es mir, aus wohl
hinlaͤnglich dargelegten Gruͤnden, am allerwenigſten einfiele,
eine eigentliche Tafelpoeſie aufkommen zu laſſen. Sollte aber
die Liebe zur Poeſie ſo gluͤhend ſein, daß man ſie auch mit
Meſſer und Gabel zu Leibe nehmen wollte, ſo waͤre wohl die
Dichtungsgattung der Leberreime hierzu die angemeſſenſte.
Vor philoſophiſchen Gaſtmaͤhlern aber bewahre uns der Him-
mel! Was die Griechen ſo nannten, war ein ziemlich vernuͤnfti-
ges Geſpraͤch. Nicht zu vergeſſen, daß man dabei viel und
moͤglich gut ſprach, aber um ſo weniger und ſchlechter zu eſſen
bekam, wie’s auch in Wieland’s Ariſtipp heißt: — „wobei
eine freie muntere Unterhaltung die beſſere Haͤlfte der Bewir-
thung machte. Heutzutag nun iſt’s mit der Philoſophie ganz
anders. Die heutige Philoſophie iſt lediglich eine Poeſie uͤber
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