Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.ziemend. Wie schön führt dagegen Archestratus aus, daß So paßt's freilich nicht, außerdem aber gehören Gespräche ziemend. Wie ſchoͤn fuͤhrt dagegen Archestratus aus, daß So paßt’s freilich nicht, außerdem aber gehoͤren Geſpraͤche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0125" n="111"/> ziemend. Wie ſchoͤn fuͤhrt dagegen <hi rendition="#g">Archestratus</hi> aus, daß<lb/> man zwar manche Leckerbiſſen nur in gewiſſen Jahreszeiten ge-<lb/> nießen, dafuͤr aber das ganze Jahr hindurch mit waͤſſerndem<lb/> Mund davon ſprechen koͤnne. — Wenn man aber uͤber Anderes<lb/> ſchon geſprochen hat, oder gar nicht reden kann, will, oder<lb/> darf, — iſt’s denn nicht huͤbſcher, vom Eſſen zu ſprechen, als<lb/> ganz zu ſchweigen? und findet man nicht uͤber dieſes Objekt am<lb/> erſten noch Anklang? Freilich iſt’s unpaſſend, ja grauſam,<lb/> mit Hungrigen vom Eſſen zu reden, wie z. B. <hi rendition="#g">Grumio</hi> mit<lb/> dem hungerigen Kaͤthchen in <hi rendition="#g">Shakeſpeare</hi>’s gezaͤhmter Keiferin.<lb/><hi rendition="#g">Goethe</hi> erzaͤhlt in ſeiner Campagne in Frankreich: „Bei einem<lb/> ploͤtzlichen Befehl zum Aufbruch und dadurch geſtoͤrten Mit-<lb/> tageſſen ſprachen mehrere hungernde Genoſſen im Reiten vom<lb/> Eſſen. Einer wuͤnſchte ſich Bratwurſt und Brod, ein Anderer<lb/> ſprang gleich mit ſeinen Wuͤnſchen zum Rehbraten und Sar-<lb/> dellenſalat. Da aber das Alles unentgeldlich geſchah, fehlte es<lb/> auch nicht an Paſteten und ſonſtigen Leckerbiſſen, nicht an den<lb/> koͤſtlichſten Weinen, und ein ſo vollkommnes Gaſtmahl war bei-<lb/> ſammen, daß endlich einer, deſſen Appetit uͤbermaͤßig rege ge-<lb/> worden, die ganze Geſellſchaft verwuͤnſchte, und die Pein einer<lb/> aufgeregten Einbildungskraft im Gegenſatze des groͤßten Man-<lb/> gels ganz unertraͤglich ſchalt. — Ein andermal, unter aͤhn-<lb/> lichen hungrigen Verhaͤltniſſen, hatten die Leute des Prinzen<lb/><hi rendition="#g">Louis Ferdinand</hi> einen ſchweren verſchloſſenen Kuͤchenſchrank<lb/> erbeutet, verſicherten, es klappere darin, und ſie hofften einen<lb/> guten Fang gethan zu haben. Man erbrach ihn begierig, fand<lb/> aber nur ein ſtark beleibtes Kochbuch und nun, indeſſen der ge-<lb/> ſpaltene Schrank im Feuer aufloderte, las man die koͤſtlichſten<lb/> Kuͤchenrezepte vor, und ſo ward abermals Hunger und Be-<lb/> gierde durch eine aufgeregte Einbildungskraft bis zur Verzweiflung<lb/> geſteigert.“</p><lb/> <p>So paßt’s freilich nicht, außerdem aber gehoͤren Geſpraͤche<lb/> uͤber das Eſſen im Allgemeinen und Beſondern gewiß zu den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [111/0125]
ziemend. Wie ſchoͤn fuͤhrt dagegen Archestratus aus, daß
man zwar manche Leckerbiſſen nur in gewiſſen Jahreszeiten ge-
nießen, dafuͤr aber das ganze Jahr hindurch mit waͤſſerndem
Mund davon ſprechen koͤnne. — Wenn man aber uͤber Anderes
ſchon geſprochen hat, oder gar nicht reden kann, will, oder
darf, — iſt’s denn nicht huͤbſcher, vom Eſſen zu ſprechen, als
ganz zu ſchweigen? und findet man nicht uͤber dieſes Objekt am
erſten noch Anklang? Freilich iſt’s unpaſſend, ja grauſam,
mit Hungrigen vom Eſſen zu reden, wie z. B. Grumio mit
dem hungerigen Kaͤthchen in Shakeſpeare’s gezaͤhmter Keiferin.
Goethe erzaͤhlt in ſeiner Campagne in Frankreich: „Bei einem
ploͤtzlichen Befehl zum Aufbruch und dadurch geſtoͤrten Mit-
tageſſen ſprachen mehrere hungernde Genoſſen im Reiten vom
Eſſen. Einer wuͤnſchte ſich Bratwurſt und Brod, ein Anderer
ſprang gleich mit ſeinen Wuͤnſchen zum Rehbraten und Sar-
dellenſalat. Da aber das Alles unentgeldlich geſchah, fehlte es
auch nicht an Paſteten und ſonſtigen Leckerbiſſen, nicht an den
koͤſtlichſten Weinen, und ein ſo vollkommnes Gaſtmahl war bei-
ſammen, daß endlich einer, deſſen Appetit uͤbermaͤßig rege ge-
worden, die ganze Geſellſchaft verwuͤnſchte, und die Pein einer
aufgeregten Einbildungskraft im Gegenſatze des groͤßten Man-
gels ganz unertraͤglich ſchalt. — Ein andermal, unter aͤhn-
lichen hungrigen Verhaͤltniſſen, hatten die Leute des Prinzen
Louis Ferdinand einen ſchweren verſchloſſenen Kuͤchenſchrank
erbeutet, verſicherten, es klappere darin, und ſie hofften einen
guten Fang gethan zu haben. Man erbrach ihn begierig, fand
aber nur ein ſtark beleibtes Kochbuch und nun, indeſſen der ge-
ſpaltene Schrank im Feuer aufloderte, las man die koͤſtlichſten
Kuͤchenrezepte vor, und ſo ward abermals Hunger und Be-
gierde durch eine aufgeregte Einbildungskraft bis zur Verzweiflung
geſteigert.“
So paßt’s freilich nicht, außerdem aber gehoͤren Geſpraͤche
uͤber das Eſſen im Allgemeinen und Beſondern gewiß zu den
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