Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.weitere Zwecke, welche rein dadurch erreicht werden und von Zum Beleg nur ein paar Beispiele. Im Winter schmeckt Die Diätetik eifert gegen das Ueberwürzen der Speisen; weitere Zwecke, welche rein dadurch erreicht werden und von Zum Beleg nur ein paar Beiſpiele. Im Winter ſchmeckt Die Diaͤtetik eifert gegen das Ueberwuͤrzen der Speiſen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0132" n="118"/> weitere Zwecke, welche rein dadurch erreicht werden und von<lb/> ſelber ſich erfuͤllen, daß er gute und angemeſſene Produkte der<lb/> Natur und Kunſt in gehoͤriger Menge und Verbindung, mit<lb/> Heiterkeit, Ruhe, Sinn und Bewußtſein auf ſubjektiv und ob-<lb/> jektiv angenehme und geſchmackvolle Weiſe ſich ſchmecken laͤßt. —<lb/> Dieß lernt der Eßkuͤnſtler ſo wenig aus der Diaͤtetik, als der<lb/> Bildhauer ſeine Kunſt aus der Mineralogie; indem er die aus-<lb/> geſprochenen Aufgaben erfuͤllt, ſetzt und giebt er vielmehr ſelbſt<lb/> die hoͤchſten Regeln der Diaͤtetik, ja es laͤßt ſich wiſſenſchaftlich<lb/> aus dem feſtgeſetzten Grundſatz die ganze bezuͤgliche Diaͤtetik<lb/> conſtruiren und ſo koͤnnte man die Eßkunſt die auf’s Hoͤchſte<lb/> verklaͤrte Diaͤtetik ſelber nennen.</p><lb/> <p>Zum Beleg nur ein paar Beiſpiele. Im Winter ſchmeckt<lb/> dem Eßkuͤnſtler theils mehr, theils anderes als im Sommer.<lb/> Er laͤßt ſich alſo ganz natuͤrlich im Winter auch mehr und an-<lb/> deres ſchmecken, als im Sommer. Die Diaͤtetik raͤth genau<lb/> daſſelbe. — Es wird einem Eßkuͤnſtler nicht einfallen, Salat<lb/> zu eſſen und Milch dazu zu trinken. Die Diaͤtetik verbietet<lb/> dergleichen eifrigſt. Wie aber der reine Kunſtſinn des Eßkuͤnſt-<lb/> lers richtiger waͤhlt als der Verſtand der Verſtaͤndigen, eweiſet<lb/> z. B. <hi rendition="#g">Heinrich Rantzovius</hi>, der in ſeinem 1604 zu Frankfurt<lb/> gedruckten Buche <hi rendition="#aq">de conservanda valetudine</hi> Mandelmilch als<lb/> Tiſchgetraͤnk empfiehlt, — eine Idee, welche den Eßkuͤnſtler mit<lb/> tiefem Schauder erfuͤllt. — Dem feinſchmeckenden ſinnigen<lb/> Eßkuͤnſtler wird nichts fataler ſein, als ein uͤberhaͤufter unna-<lb/> tuͤrlicher ſuͤßſaurer Miſchmaſch des Verſchiedenartigſten, welcher<lb/> jeden ſpezifiſchen Geſchmack des Einzelnen verwirrt, ja aufhebt.<lb/> Die Diaͤtetik glaubt vor nichts eindringlicher warnen zu muͤſſen,<lb/> als gerade vor dieſem, was dem Eßkuͤnſtler von ſelbſt wider-<lb/> ſteht.</p><lb/> <p>Die Diaͤtetik eifert gegen das Ueberwuͤrzen der Speiſen;<lb/> der Eßkuͤnſtler iſt ohne alle Diaͤtetik entruͤſtet, wenn die Suppe<lb/> verſalzen wurde. Dem Eßkuͤnſtler iſt duͤnne Koſt verhaßt ohne<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [118/0132]
weitere Zwecke, welche rein dadurch erreicht werden und von
ſelber ſich erfuͤllen, daß er gute und angemeſſene Produkte der
Natur und Kunſt in gehoͤriger Menge und Verbindung, mit
Heiterkeit, Ruhe, Sinn und Bewußtſein auf ſubjektiv und ob-
jektiv angenehme und geſchmackvolle Weiſe ſich ſchmecken laͤßt. —
Dieß lernt der Eßkuͤnſtler ſo wenig aus der Diaͤtetik, als der
Bildhauer ſeine Kunſt aus der Mineralogie; indem er die aus-
geſprochenen Aufgaben erfuͤllt, ſetzt und giebt er vielmehr ſelbſt
die hoͤchſten Regeln der Diaͤtetik, ja es laͤßt ſich wiſſenſchaftlich
aus dem feſtgeſetzten Grundſatz die ganze bezuͤgliche Diaͤtetik
conſtruiren und ſo koͤnnte man die Eßkunſt die auf’s Hoͤchſte
verklaͤrte Diaͤtetik ſelber nennen.
Zum Beleg nur ein paar Beiſpiele. Im Winter ſchmeckt
dem Eßkuͤnſtler theils mehr, theils anderes als im Sommer.
Er laͤßt ſich alſo ganz natuͤrlich im Winter auch mehr und an-
deres ſchmecken, als im Sommer. Die Diaͤtetik raͤth genau
daſſelbe. — Es wird einem Eßkuͤnſtler nicht einfallen, Salat
zu eſſen und Milch dazu zu trinken. Die Diaͤtetik verbietet
dergleichen eifrigſt. Wie aber der reine Kunſtſinn des Eßkuͤnſt-
lers richtiger waͤhlt als der Verſtand der Verſtaͤndigen, eweiſet
z. B. Heinrich Rantzovius, der in ſeinem 1604 zu Frankfurt
gedruckten Buche de conservanda valetudine Mandelmilch als
Tiſchgetraͤnk empfiehlt, — eine Idee, welche den Eßkuͤnſtler mit
tiefem Schauder erfuͤllt. — Dem feinſchmeckenden ſinnigen
Eßkuͤnſtler wird nichts fataler ſein, als ein uͤberhaͤufter unna-
tuͤrlicher ſuͤßſaurer Miſchmaſch des Verſchiedenartigſten, welcher
jeden ſpezifiſchen Geſchmack des Einzelnen verwirrt, ja aufhebt.
Die Diaͤtetik glaubt vor nichts eindringlicher warnen zu muͤſſen,
als gerade vor dieſem, was dem Eßkuͤnſtler von ſelbſt wider-
ſteht.
Die Diaͤtetik eifert gegen das Ueberwuͤrzen der Speiſen;
der Eßkuͤnſtler iſt ohne alle Diaͤtetik entruͤſtet, wenn die Suppe
verſalzen wurde. Dem Eßkuͤnſtler iſt duͤnne Koſt verhaßt ohne
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |