Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Daraus folgt nun: a) daß der Geschmack ein chemischer Ich will nun nicht weiter ausführen, welchen Gewinn der Gall sagt in seiner Anatomie und Physiologie des Ner- Daraus folgt nun: a) daß der Geſchmack ein chemiſcher Ich will nun nicht weiter ausfuͤhren, welchen Gewinn der Gall ſagt in ſeiner Anatomie und Phyſiologie des Ner- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0140" n="126"/> <p>Daraus folgt nun: <hi rendition="#aq">a</hi>) daß der Geſchmack ein chemiſcher<lb/> und kein phyſiſcher Sinn iſt; daß er ſich an die Natur der<lb/> Koͤrper, und nicht an ihre Dichtigkeit, Temperatur oder Con-<lb/> ſiſtenz wendet. <hi rendition="#aq">b</hi>) Daß der Geſchmacksſinn nicht ein gleichfoͤr-<lb/> miger, einiger iſt, d. h. daß er verſchiedene Stufen, verſchiedene<lb/> Maaße fuͤr die Geſchmaͤcke an ſeinen verſchiedenen Stellen hat, und<lb/> zwar nicht blos hinſichtlich der Intenſitaͤt der Geſchmaͤcke, ſondern<lb/> auch in Betreff der Art vom ſchmackhaften Koͤrper, und endlich<lb/><hi rendition="#aq">c</hi>) daß der Geſchmack nicht durch einen einzigen Nerven ausge-<lb/> uͤbt werden kann, ſondern wenigſtens durch zwei.</p><lb/> <p>Ich will nun nicht weiter ausfuͤhren, welchen Gewinn der<lb/> denkende Eßkuͤnſtler fuͤr Geſchmacksurtheile und fuͤr Bildung<lb/> und Uebung des Geſchmacksſinnes aus dem eben Mitgetheilten<lb/> ziehen kann. Dagegen iſt wieder ein Vorurtheil zu beruͤhren.<lb/> Man hat naͤmlich dem Eßkuͤnſtler vorgeworfen, er ſtumpfe ſich<lb/> durch ſeine Neigung ſeinen Geſchmack ab. — Was ſind doch<lb/> unſere großen Kunſtkenner fuͤr Thoren! In der eifrigen<lb/> Uebung ihres Blicks, im ſteten Studium der beſten Meiſter aller<lb/> Schulen bis in’s kleinſte Detail ſuchen ſie ſich zu hoͤherem Kunſt-<lb/> genuß, zur Kennerſchaft, zu Kunſtrichtern auszubilden. Ich<lb/> wuͤßte freilich nicht, wie ſie’s anders machen ſollten; aber, ſagen<lb/> nun eben die Leute, die am allerwenigſten was in ſich abſtum-<lb/> pfen koͤnnen, weil nichts Schneide hat, dadurch ſtumpfe man<lb/> ſich den Geſchmack ab. — Durch Schlechtes, Ungenießbares<lb/> oder Gemeines, durch widriges Zeug kann man ſich den Ge-<lb/> ſchmack abſtumpfen; — wenn man anders nicht weiß, ihn daran<lb/> erſt zu ſchaͤrfen — nimmermehr aber durch das Geſchmackvolle,<lb/> durch das Schoͤne. Wer ohne Appetit, wer bis zur Ueberſaͤt-<lb/> tigung, wer <hi rendition="#aq">Asa foetida</hi> ißt, iſt kein Eßkuͤnſtler.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Gall</hi> ſagt in ſeiner Anatomie und Phyſiologie des Ner-<lb/> venſyſtems ſehr richtig: „Man pflegt zu behaupten, der Ge-<lb/> ſchmack werde durch die Luͤſternheit der Menſchen, durch den<lb/> Genuß ſo mannichfaltiger Speiſen abgeſtumpft. Sollte man<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [126/0140]
Daraus folgt nun: a) daß der Geſchmack ein chemiſcher
und kein phyſiſcher Sinn iſt; daß er ſich an die Natur der
Koͤrper, und nicht an ihre Dichtigkeit, Temperatur oder Con-
ſiſtenz wendet. b) Daß der Geſchmacksſinn nicht ein gleichfoͤr-
miger, einiger iſt, d. h. daß er verſchiedene Stufen, verſchiedene
Maaße fuͤr die Geſchmaͤcke an ſeinen verſchiedenen Stellen hat, und
zwar nicht blos hinſichtlich der Intenſitaͤt der Geſchmaͤcke, ſondern
auch in Betreff der Art vom ſchmackhaften Koͤrper, und endlich
c) daß der Geſchmack nicht durch einen einzigen Nerven ausge-
uͤbt werden kann, ſondern wenigſtens durch zwei.
Ich will nun nicht weiter ausfuͤhren, welchen Gewinn der
denkende Eßkuͤnſtler fuͤr Geſchmacksurtheile und fuͤr Bildung
und Uebung des Geſchmacksſinnes aus dem eben Mitgetheilten
ziehen kann. Dagegen iſt wieder ein Vorurtheil zu beruͤhren.
Man hat naͤmlich dem Eßkuͤnſtler vorgeworfen, er ſtumpfe ſich
durch ſeine Neigung ſeinen Geſchmack ab. — Was ſind doch
unſere großen Kunſtkenner fuͤr Thoren! In der eifrigen
Uebung ihres Blicks, im ſteten Studium der beſten Meiſter aller
Schulen bis in’s kleinſte Detail ſuchen ſie ſich zu hoͤherem Kunſt-
genuß, zur Kennerſchaft, zu Kunſtrichtern auszubilden. Ich
wuͤßte freilich nicht, wie ſie’s anders machen ſollten; aber, ſagen
nun eben die Leute, die am allerwenigſten was in ſich abſtum-
pfen koͤnnen, weil nichts Schneide hat, dadurch ſtumpfe man
ſich den Geſchmack ab. — Durch Schlechtes, Ungenießbares
oder Gemeines, durch widriges Zeug kann man ſich den Ge-
ſchmack abſtumpfen; — wenn man anders nicht weiß, ihn daran
erſt zu ſchaͤrfen — nimmermehr aber durch das Geſchmackvolle,
durch das Schoͤne. Wer ohne Appetit, wer bis zur Ueberſaͤt-
tigung, wer Asa foetida ißt, iſt kein Eßkuͤnſtler.
Gall ſagt in ſeiner Anatomie und Phyſiologie des Ner-
venſyſtems ſehr richtig: „Man pflegt zu behaupten, der Ge-
ſchmack werde durch die Luͤſternheit der Menſchen, durch den
Genuß ſo mannichfaltiger Speiſen abgeſtumpft. Sollte man
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