nicht zu verdauend fand. Feig ist er aber, wenn er als schwer- oder unverdaulich Verschrieenes gar nicht zu versuchen wagt.
Folgende goldene Worte, welche der wackere Hildebrandt in seinem Taschenbuch für die Gesundheit giebt, bitte ich wohl zu erwägen: "Die weichlichen Speisen werden gemeiniglich für leichter verdaulich gehalten, als die derben: aber es ist gerade umgekehrt. Grobes Brod und roher Schinken sind viel leichter zu verdauen, als ein Brei von gekochtem Spinat und ein Fricassee von Kalbfleisch. Gerade das Derbe, Härtliche thut dem Magen wohl; das Weichliche, Breiartige erschlafft ihn und schwächt seine Verdauungskraft. Ich rede hier im Ganzen vom gesunden Magen; doch habe ich auch gefunden, daß selbst Schwächliche, Hypochondristen, durch Irrthum an weichliche Kost Jahre lang gewöhnt, sich besser befanden und eine bessere Verdauung erhielten, als sie auf meinen Rath nach und nach anfingen derbe Speisen zu essen. Wer nichts als Suppe ißt, wie kränkliche Personen, zumal weiblichen Geschlechts etc. kann endlich nichts Festes vertragen." --
Umgekehrt aber versichern Sydenham und Monro, und Richter und Zückert bestätigen es, das diejenigen, welche geistige Getränke gewöhnt sind, keine Milchdiät vertragen können. --
Indem ich allen Ernstes auf kräftige Fleischspeisen dringe, hoffe ich dem zärtlich schwächlichen, ungedeihlich unmännlichen ewigen Suppenlöffeln, Zuckernäschereien und Leckereien am besten entgegenzuarbeiten, womit ich keineswegs sage, daß man Confituren etc. nicht zum Dessert essen solle.
Man sollte niemals auf eine Speise zu schnell oder ganz verzichten, auch wenn sie einmal nicht behagte. Es sind erst die Fragen zu beantworten: war die Speise selbst oder die Zu- richtung, oder die Verhältnisse, unter welchen sie genossen wurde, zu gehäufte Wiederholung, Zeit, Umgebung, Präoccu- pation durch Andere etc. Ursache?
nicht zu verdauend fand. Feig iſt er aber, wenn er als ſchwer- oder unverdaulich Verſchrieenes gar nicht zu verſuchen wagt.
Folgende goldene Worte, welche der wackere Hildebrandt in ſeinem Taſchenbuch fuͤr die Geſundheit giebt, bitte ich wohl zu erwaͤgen: „Die weichlichen Speiſen werden gemeiniglich fuͤr leichter verdaulich gehalten, als die derben: aber es iſt gerade umgekehrt. Grobes Brod und roher Schinken ſind viel leichter zu verdauen, als ein Brei von gekochtem Spinat und ein Fricaſſee von Kalbfleiſch. Gerade das Derbe, Haͤrtliche thut dem Magen wohl; das Weichliche, Breiartige erſchlafft ihn und ſchwaͤcht ſeine Verdauungskraft. Ich rede hier im Ganzen vom geſunden Magen; doch habe ich auch gefunden, daß ſelbſt Schwaͤchliche, Hypochondriſten, durch Irrthum an weichliche Koſt Jahre lang gewoͤhnt, ſich beſſer befanden und eine beſſere Verdauung erhielten, als ſie auf meinen Rath nach und nach anfingen derbe Speiſen zu eſſen. Wer nichts als Suppe ißt, wie kraͤnkliche Perſonen, zumal weiblichen Geſchlechts ꝛc. kann endlich nichts Feſtes vertragen.“ —
Umgekehrt aber verſichern Sydenham und Monro, und Richter und Zuͤckert beſtaͤtigen es, das diejenigen, welche geiſtige Getraͤnke gewoͤhnt ſind, keine Milchdiaͤt vertragen koͤnnen. —
Indem ich allen Ernſtes auf kraͤftige Fleiſchſpeiſen dringe, hoffe ich dem zaͤrtlich ſchwaͤchlichen, ungedeihlich unmaͤnnlichen ewigen Suppenloͤffeln, Zuckernaͤſchereien und Leckereien am beſten entgegenzuarbeiten, womit ich keineswegs ſage, daß man Confituren ꝛc. nicht zum Deſſert eſſen ſolle.
Man ſollte niemals auf eine Speiſe zu ſchnell oder ganz verzichten, auch wenn ſie einmal nicht behagte. Es ſind erſt die Fragen zu beantworten: war die Speiſe ſelbſt oder die Zu- richtung, oder die Verhaͤltniſſe, unter welchen ſie genoſſen wurde, zu gehaͤufte Wiederholung, Zeit, Umgebung, Praͤoccu- pation durch Andere ꝛc. Urſache?
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0147"n="133"/>
nicht zu verdauend fand. Feig iſt er aber, wenn er als ſchwer-<lb/>
oder unverdaulich Verſchrieenes gar nicht zu verſuchen wagt.</p><lb/><p>Folgende goldene Worte, welche der wackere <hirendition="#g">Hildebrandt</hi><lb/>
in ſeinem Taſchenbuch fuͤr die Geſundheit giebt, bitte ich wohl<lb/>
zu erwaͤgen: „Die weichlichen Speiſen werden gemeiniglich fuͤr<lb/>
leichter verdaulich gehalten, als die derben: aber es iſt gerade<lb/>
umgekehrt. Grobes Brod und roher Schinken ſind viel leichter<lb/>
zu verdauen, als ein Brei von gekochtem Spinat und ein<lb/>
Fricaſſee von Kalbfleiſch. Gerade das Derbe, Haͤrtliche thut<lb/>
dem Magen wohl; das Weichliche, Breiartige erſchlafft ihn<lb/>
und ſchwaͤcht ſeine Verdauungskraft. Ich rede hier im Ganzen<lb/>
vom geſunden Magen; doch habe ich auch gefunden, daß ſelbſt<lb/>
Schwaͤchliche, Hypochondriſten, durch Irrthum an weichliche<lb/>
Koſt Jahre lang gewoͤhnt, ſich beſſer befanden und eine beſſere<lb/>
Verdauung erhielten, als ſie auf meinen Rath nach und nach<lb/>
anfingen derbe Speiſen zu eſſen. Wer nichts als Suppe ißt,<lb/>
wie kraͤnkliche Perſonen, zumal weiblichen Geſchlechts ꝛc. kann<lb/>
endlich nichts Feſtes vertragen.“—</p><lb/><p>Umgekehrt aber verſichern <hirendition="#g">Sydenham</hi> und <hirendition="#g">Monro</hi>, und<lb/><hirendition="#g">Richter</hi> und <hirendition="#g">Zuͤckert</hi> beſtaͤtigen es, das diejenigen, welche<lb/>
geiſtige Getraͤnke gewoͤhnt ſind, keine Milchdiaͤt vertragen<lb/>
koͤnnen. —</p><lb/><p>Indem ich allen Ernſtes auf kraͤftige Fleiſchſpeiſen dringe,<lb/>
hoffe ich dem zaͤrtlich ſchwaͤchlichen, ungedeihlich unmaͤnnlichen<lb/>
ewigen Suppenloͤffeln, Zuckernaͤſchereien und Leckereien am<lb/>
beſten entgegenzuarbeiten, womit ich keineswegs ſage, daß man<lb/>
Confituren ꝛc. nicht zum Deſſert eſſen ſolle.</p><lb/><p>Man ſollte niemals auf eine Speiſe zu ſchnell oder ganz<lb/>
verzichten, auch wenn ſie einmal nicht behagte. Es ſind erſt<lb/>
die Fragen zu beantworten: war die Speiſe ſelbſt oder die Zu-<lb/>
richtung, oder die Verhaͤltniſſe, unter welchen ſie genoſſen<lb/>
wurde, zu gehaͤufte Wiederholung, Zeit, Umgebung, Praͤoccu-<lb/>
pation durch Andere ꝛc. Urſache?</p><lb/></div></body></text></TEI>
[133/0147]
nicht zu verdauend fand. Feig iſt er aber, wenn er als ſchwer-
oder unverdaulich Verſchrieenes gar nicht zu verſuchen wagt.
Folgende goldene Worte, welche der wackere Hildebrandt
in ſeinem Taſchenbuch fuͤr die Geſundheit giebt, bitte ich wohl
zu erwaͤgen: „Die weichlichen Speiſen werden gemeiniglich fuͤr
leichter verdaulich gehalten, als die derben: aber es iſt gerade
umgekehrt. Grobes Brod und roher Schinken ſind viel leichter
zu verdauen, als ein Brei von gekochtem Spinat und ein
Fricaſſee von Kalbfleiſch. Gerade das Derbe, Haͤrtliche thut
dem Magen wohl; das Weichliche, Breiartige erſchlafft ihn
und ſchwaͤcht ſeine Verdauungskraft. Ich rede hier im Ganzen
vom geſunden Magen; doch habe ich auch gefunden, daß ſelbſt
Schwaͤchliche, Hypochondriſten, durch Irrthum an weichliche
Koſt Jahre lang gewoͤhnt, ſich beſſer befanden und eine beſſere
Verdauung erhielten, als ſie auf meinen Rath nach und nach
anfingen derbe Speiſen zu eſſen. Wer nichts als Suppe ißt,
wie kraͤnkliche Perſonen, zumal weiblichen Geſchlechts ꝛc. kann
endlich nichts Feſtes vertragen.“ —
Umgekehrt aber verſichern Sydenham und Monro, und
Richter und Zuͤckert beſtaͤtigen es, das diejenigen, welche
geiſtige Getraͤnke gewoͤhnt ſind, keine Milchdiaͤt vertragen
koͤnnen. —
Indem ich allen Ernſtes auf kraͤftige Fleiſchſpeiſen dringe,
hoffe ich dem zaͤrtlich ſchwaͤchlichen, ungedeihlich unmaͤnnlichen
ewigen Suppenloͤffeln, Zuckernaͤſchereien und Leckereien am
beſten entgegenzuarbeiten, womit ich keineswegs ſage, daß man
Confituren ꝛc. nicht zum Deſſert eſſen ſolle.
Man ſollte niemals auf eine Speiſe zu ſchnell oder ganz
verzichten, auch wenn ſie einmal nicht behagte. Es ſind erſt
die Fragen zu beantworten: war die Speiſe ſelbſt oder die Zu-
richtung, oder die Verhaͤltniſſe, unter welchen ſie genoſſen
wurde, zu gehaͤufte Wiederholung, Zeit, Umgebung, Praͤoccu-
pation durch Andere ꝛc. Urſache?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/147>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.