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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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statt Teufel: T*** schreiben etc., durchaus keine Suppen, keine
Milch, keine Confituren essen, sondern lauter Roastbeef, Wild-
pret, Rheinwein zu sich nehmen sollten, wenn anders nicht
China, Eisentincturen, Phosphorsäure und Stahlbäder nöthig
sind. Aber wer wird denn verlangen, daß ein Michel An-
gelo
, ein Luther Milchbrei essen soll, und wer könnte es nur
mit ansehen?

Der kräftige Choleriker nun kann und soll Alles essen, er
hat von Haus aus den meisten Beruf zum Eßkünstler. Wäh-
rend aber für den Phlegmatiker Suppen, Mehlspeisen, Milch,
Gurken, Melonen, Schnecken, Krebse, Spanferkel, Fische,
Käse, Butter, Salate, Gemüse, Obst, Thee sich nicht eignen,
welche dem Sanguiniker ganz angemessen sind, passen gegen-
theils gewürzte animalische Speisen, Wildpret en haut goaut,
Geflügel, Pikantes überhaupt, kräftige feurige Weine etc., die
dem Phlegmatiker wohlbekommen, für den Sanguiniker nicht.
Dasselbe gilt von dem Rath: nicht zu schnell zu essen, welcher
für den Sanguiniker höchst nöthig, für den Phlegmatiker ganz
überflüssig erscheint.

Der Melancholiker trinkt lieber, als er ißt, sollte es aber
nicht thun. Zückert räth gegen die Melancholie: junge Hüh-
ner, Kalbsbraten, Krebse, Forellen, Hechte, leichte Gartenge-
müse, füße Wurzeln, Gurken, reifes Obst, Trauben, Wein etc.,
verbietet dagegen Mehlklöse, Erbsen und Pöckelfleisch, schwere
Biere und dergl. Gratarolus untersagt dem melancholischen
Esser -- ein melancholischer Esser ist und bleibt immer was
sonderbares -- vor Allem Hasenbraten, welcher melancholischen
Humor erzeugen soll. Ich bin nun aber, wie sich aus den ver-
vielfältigsten Versuchen und Erfahrungen ergab, durch Hasen-
braten niemals im mindesten melancholisch geworden, au con-
traire,
und werde noch öfter um solchen Preis den melancholi-
schen Humor riskiren. Ueberhaupt sollte der genießende Mensch

ſtatt Teufel: T*** ſchreiben ꝛc., durchaus keine Suppen, keine
Milch, keine Confituren eſſen, ſondern lauter Roaſtbeef, Wild-
pret, Rheinwein zu ſich nehmen ſollten, wenn anders nicht
China, Eiſentincturen, Phosphorſaͤure und Stahlbaͤder noͤthig
ſind. Aber wer wird denn verlangen, daß ein Michel An-
gelo
, ein Luther Milchbrei eſſen ſoll, und wer koͤnnte es nur
mit anſehen?

Der kraͤftige Choleriker nun kann und ſoll Alles eſſen, er
hat von Haus aus den meiſten Beruf zum Eßkuͤnſtler. Waͤh-
rend aber fuͤr den Phlegmatiker Suppen, Mehlſpeiſen, Milch,
Gurken, Melonen, Schnecken, Krebſe, Spanferkel, Fiſche,
Kaͤſe, Butter, Salate, Gemuͤſe, Obſt, Thee ſich nicht eignen,
welche dem Sanguiniker ganz angemeſſen ſind, paſſen gegen-
theils gewuͤrzte animaliſche Speiſen, Wildpret en haut goût,
Gefluͤgel, Pikantes uͤberhaupt, kraͤftige feurige Weine ꝛc., die
dem Phlegmatiker wohlbekommen, fuͤr den Sanguiniker nicht.
Daſſelbe gilt von dem Rath: nicht zu ſchnell zu eſſen, welcher
fuͤr den Sanguiniker hoͤchſt noͤthig, fuͤr den Phlegmatiker ganz
uͤberfluͤſſig erſcheint.

Der Melancholiker trinkt lieber, als er ißt, ſollte es aber
nicht thun. Zuͤckert raͤth gegen die Melancholie: junge Huͤh-
ner, Kalbsbraten, Krebſe, Forellen, Hechte, leichte Gartenge-
muͤſe, fuͤße Wurzeln, Gurken, reifes Obſt, Trauben, Wein ꝛc.,
verbietet dagegen Mehlkloͤſe, Erbſen und Poͤckelfleiſch, ſchwere
Biere und dergl. Gratarolus unterſagt dem melancholiſchen
Eſſer — ein melancholiſcher Eſſer iſt und bleibt immer was
ſonderbares — vor Allem Haſenbraten, welcher melancholiſchen
Humor erzeugen ſoll. Ich bin nun aber, wie ſich aus den ver-
vielfaͤltigſten Verſuchen und Erfahrungen ergab, durch Haſen-
braten niemals im mindeſten melancholiſch geworden, au con-
traire,
und werde noch oͤfter um ſolchen Preis den melancholi-
ſchen Humor riskiren. Ueberhaupt ſollte der genießende Menſch

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[136/0150] ſtatt Teufel: T*** ſchreiben ꝛc., durchaus keine Suppen, keine Milch, keine Confituren eſſen, ſondern lauter Roaſtbeef, Wild- pret, Rheinwein zu ſich nehmen ſollten, wenn anders nicht China, Eiſentincturen, Phosphorſaͤure und Stahlbaͤder noͤthig ſind. Aber wer wird denn verlangen, daß ein Michel An- gelo, ein Luther Milchbrei eſſen ſoll, und wer koͤnnte es nur mit anſehen? Der kraͤftige Choleriker nun kann und ſoll Alles eſſen, er hat von Haus aus den meiſten Beruf zum Eßkuͤnſtler. Waͤh- rend aber fuͤr den Phlegmatiker Suppen, Mehlſpeiſen, Milch, Gurken, Melonen, Schnecken, Krebſe, Spanferkel, Fiſche, Kaͤſe, Butter, Salate, Gemuͤſe, Obſt, Thee ſich nicht eignen, welche dem Sanguiniker ganz angemeſſen ſind, paſſen gegen- theils gewuͤrzte animaliſche Speiſen, Wildpret en haut goût, Gefluͤgel, Pikantes uͤberhaupt, kraͤftige feurige Weine ꝛc., die dem Phlegmatiker wohlbekommen, fuͤr den Sanguiniker nicht. Daſſelbe gilt von dem Rath: nicht zu ſchnell zu eſſen, welcher fuͤr den Sanguiniker hoͤchſt noͤthig, fuͤr den Phlegmatiker ganz uͤberfluͤſſig erſcheint. Der Melancholiker trinkt lieber, als er ißt, ſollte es aber nicht thun. Zuͤckert raͤth gegen die Melancholie: junge Huͤh- ner, Kalbsbraten, Krebſe, Forellen, Hechte, leichte Gartenge- muͤſe, fuͤße Wurzeln, Gurken, reifes Obſt, Trauben, Wein ꝛc., verbietet dagegen Mehlkloͤſe, Erbſen und Poͤckelfleiſch, ſchwere Biere und dergl. Gratarolus unterſagt dem melancholiſchen Eſſer — ein melancholiſcher Eſſer iſt und bleibt immer was ſonderbares — vor Allem Haſenbraten, welcher melancholiſchen Humor erzeugen ſoll. Ich bin nun aber, wie ſich aus den ver- vielfaͤltigſten Verſuchen und Erfahrungen ergab, durch Haſen- braten niemals im mindeſten melancholiſch geworden, au con- traire, und werde noch oͤfter um ſolchen Preis den melancholi- ſchen Humor riskiren. Ueberhaupt ſollte der genießende Menſch

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/150>, abgerufen am 21.11.2024.